Alan Dean Foster: Alien - Drei Romane in einem Band

Alan Dean Foster: Alien - Drei Romane in einem Band
(Heyne 01/8764)


Wie schreibt man etwas zu einem Buch, das ohnehin jeder kennt? Zumindest wird jeder SF-Fan die drei Alien-Filme gesehen haben oder wenigstens über sie Bescheid wissen. Viele werden auch schon Fosters Romane zum Film gelesen haben, oder wenigstens einen von ihnen. Nun hat sich der Heyne-Verlag gedacht, er tut auch mal was für die Neueinsteiger und finanziell Schwachen, und gleich alle drei Bücher zu den Filmen in einem Band herausgebracht; für nur DM 12,00 sogar recht preiswert. Alle, die bis jetzt zögerten, können also nun doch noch zuschlagen und sich das Grauen aus der Galaxis ins Bücherregal holen.
Von A. D. Foster ist man ja außerdem hohe Qualität gewöhnt, jedenfalls überwiegend. Seine vielfachen Novellisierungen von Filmen waren nicht nur Nacherzählungen der Filmhandlung, sondern richtige Romane, die auch ganz neue Gesichtspunkte erkennen ließen. Also müßte "Alien" ein ungetrübter Genuß werden - wenn man das bei diesem Stoff sagen kann.
Falls man kein überkritischer Leser ist, der nur darauf aus ist, Schwächen zu entdecken, kann man sich von dem 700-Seiten-Wälzer schon eine Weile fesseln lassen. Wenn man die Filme kennt, um so besser, dann hat man zur Handlung gleich die passenden Bilder und Geräusche im Kopf. Was wäre "Alien" auch ohne Ripley bzw. Sigourney Weaver?
Die Fortsetzungen zum Original sind ja bereits als Film nicht unumstritten gewesen. Teil 1 war natürlich Kult. Der Film setzte Maßstäbe, genau wie "Star Wars" SF-Kinogeschichte schrieb. Die Fortsetzung war dann schon ganz anders im Stil. Da schieden sich die Geister zwischen den Anhängern der besonderen Art des ersten Teils und den Freunden des Actionfilms. Teil 2 schien mir seinerzeit wie ein auf SF getrimmter Dschungelkämpferfilm in der Art von Rambo oder so etwas. Die Marines waren eben trotz ihrer monströsen High Tech Waffen nur Marines - wildgewordene Ballertypen mit GI-Manieren, wie man sie halt vom Klischee her kennt. Natürlich soll das nicht heißen, daß der zweite Teil des Filmes schlecht war, er war nur anders.
In Teil 3 versuchte man offenbar, wieder etwas von der Stimmung des ersten einzufangen. Auch dieser Film bekam böse Kritiken und Lob gleichermaßen. Sicher kam er nicht an das Original heran und seine Handlung war im Ganzen eher dürftig. Aber letzten Endes bot auch dieser Teil einiges an Spannung und Effekten, der Kinogänger kam schon auf seine Kosten - im voraus gefaßte Erwartungen befriedigen Fortsetzungen sowieso meist nicht. Gewisse Gerüchte gingen um, was die Produktion dieses Teils anging, daß S. Weaver das Drehbuch umschreiben ließ, damit sie aus der Aliengeschichte aussteigen konnte. Bemerkenswerterweise findet man die Stelle, die ich als eine Art Absage an weitere Alienfilme interpretierte, im Buch nicht wieder.
Wenn es auch keine neuen Teile mehr geben wird (wirklich?), neue Bücher sind schon auf dem Markt gelandet. In ihnen lebt Ripley und verteidigt die Erde gegen die Aliens. Leider weiß ich im Moment nicht, von wem diese Bücher stammen, sicher ist nur, daß Foster sie nicht schrieb.
A. D. Foster war bestimmt der richtige Autor, um "Alien" zum Buch zu machen. Jedenfalls beim ersten Teil. Den zweiten schrieb er auch noch, aber beim dritten scheint er dann die Lust verloren zu haben. Es lag vielleicht auch an der dürftigen Handlung des dritten Films, daß das letzte Buch nur vergleichsweise dünn geriet und auch nicht gerade von schriftstellerischem Einfallsreichtum strotzt.
Im Teil 3 finden sich aber auch die meisten Widersprüche zur vorhergehenden Handlung, seltsamerweise auch zum eigentlichen Film, während sich die anderen beiden Romane recht genau an die Vorlage hielten.
Es wäre interessant, einmal zu erfahren, was Foster als Vorlage für die Bücher genommen hat. Das Drehbuch, eine vorherige Konzeption oder die Filme selbst? Zumindest im Falle des 3. Teils erscheint letzteres zweifelhaft, da das Buch mit dem Anlaufen des Films im Kino schon auf dem englischen Markt war.
Im ersten Film ist meiner Meinung nach die Durchsuchung des fremden Raumschiffes viel länger, als es das Buch darstellt. Aber hier könnte ich mich täuschen. Ich weiß jedoch, daß Foster auf den berühmten Piloten des fremden Schiffes gar nicht eingeht, und dieses Bild ist doch ein ziemlich bekanntes. Erst im zweiten Teil erwähnt er ihn dann, obwohl im ersten gar nicht die Rede davon ist, daß sie Reste der Besatzung fanden. Das ist der erste auffallende Widerspruch. Im Teil 1 wird hinsichtlich des Lebenszyklus' der Aliens angedeutet, daß sich aus den verpuppten Menschen bzw. anderen Wirten die Eier entwickeln. Später stimmt das nicht mehr, was aber eine Präzisierung sein könnte. Hätte man daran festgehalten, wären die vielen Aliens im 2. Teil nicht zu erklären gewesen.
Der 2. Band schließt übrigens auch die Handlungsteile in der Kolonie ein, die man in der kürzeren Version des Filmes gar nicht zu Gesicht bekommt. Das sind die Szenen, wo die Kolonisten die Aliens entdecken, und die Stellen, als die Marines die Automatikkanonen schießen lassen.
Der größte Widerspruch tritt im 3. Teil auf. Zunächst stimmt die Beschreibung der Landung des Rettungsfahrzeuges auf "Fury" nicht mit dem Film überein. Im Buch findet man Ripley am Strand, was ziemlich unglaubwürdig ist, da sie sich in einem Hyperschlafzylinder befand. Und statt des Hundes, den ein Alien infiziert, ist es ein Zugochse. Von denen war wohl im Film gar nichts zu sehen.
Die am meisten diskutierteste Tatsache ist jedoch die, daß eine Alienkönigin in Ripley heranreift. Das ist im Film unklar, und auch das Buch vergibt sich die Chance zur Erklärung. Während man im Filmvorspann blitzlichtartige Szenen sieht, die man später als das interpretieren kann, was sie waren, nämlich Ripleys Infizierung, schwächt das Buch dies sogar noch ab, wohl um der Spannung willen. Nichts deutet darauf hin, daß ein Alien die Möglichkeit hatte, an Ripley heranzukommen. Wie es überhaupt auf das Schiff kam, verrät uns das Buch auch nicht. Wieder eine Möglichkeit, die vergeben wurde! Ich hörte irgendwo die Spekulation, die Alienmutter, welche von Ripley in Teil 2 besiegt wurde, müsse noch Zeit gehabt haben, einige Eier im Schiff zu legen. Dagegen spricht zwar, daß ihr Eierlegeapparat zerstört war, aber wer weiß schon mit Sicherheit, was ein Alien alles kann? Bleibt nur noch die Zeit, Das Alien muß die Eier praktisch während des Aufstieges mit der Fähre gelegt haben, denn sofort danach wurde es in den Kampf verwickelt. Das Alien (im "Hand"-stadium), das versuchte, an die Schläfer heranzukommen, wird im Buch dabei tödlich verletzt, bevor es seinen Plan ausführen kann. Die austretende Säure ist für die Katastrophe des Schiffes verantwortlich. Ein zweites Alien in diesem Stadium muß sich in dem Rettungsfahrzeug mit Ripley und den anderen befunden haben, da es den Ochsen infizierte. Was also hat sich Ripley vorgenommen und vor allem, wann? Ein drittes Alien, aber wie hat es das geschafft, wenn das erste nicht in der Lage war, in die Hyperschlafzylinder zu kommen?
Es ist wirklich schade, daß der Film an dieser Unlogik krankt, und es das Buch auch nicht schafft, eine stimmige Erklärung zu liefern.
Das waren also die bekannten Schwachstellen der Trilogie. Man kann jedoch über sie leicht hinwegsehen, wenn man sich von der Handlung mitreißen läßt. Und die ist sogar dann noch spannend, wenn man die Filme schon kennt. Das garantiert schon der Stoff selbst. Das gigersche Alien ist inzwischen zur Symbolfigur geworden. Es ist der Prototyp des außerirdischen Bösen ohne Böswilligkeit. Es stellt nicht einfach eine mehr oder weniger einfallslose Extrapolation unserer eigenen, menschlichen Bosheit dar, wie andere feindliche Außerirdische. Das Böse des Aliens ist ein andersartiges Böses. Nie wird die Frage der Intelligenz dieser Geschöpfe geklärt, ihrer Herkunft, einer möglicherweise existierenden Zivilisation. Man vergleicht sie mit Bienen- und Ameisenvölkern, gibt aber sofort zu, daß es eben nur ein unzureichender Vergleich ist. Für das menschlich Böse, das dem Alien entgegengestellt wird, steht die "Gesellschaft", die immer da seiende Super-Firma, welche in ihrer überdimensio-nalen Menschenverachtung schlimmer ist, als das Alien selbst. Diese Firma, die über die Jahrzehnte der Handlung hinweg immer wieder versucht, Aliens für die B-Waffen-Produktion in ihre Hand zu bekommen, verkörpert das willentlich Böse in dem Buch - und das liegt ja auch ganz auf Fosters Linie, wenn man einmal einen Blick z.B. in den Homanx-Zyklus wirft.
"Alien" ist als Film und als Buch voll von Symbolen, die mehr oder weniger subtil eingesetzt werden. Es lohnt sich, einmal neben der Action über sie nachzudenken. Auch wenn man filmisch und schriftstellerisch einiges hätte besser machen können, die drei Aliens sind nun einmal da.

"Alien", 1979, übersetzt von Heinz Nagel
"Aliens II", 1986, übersetzt von Irene Holicki
"Aliens 3", 1992, übersetzt von Thomas Hag
Diese Ausgabe: 1993, 700 Seiten, DM 12.00

SX 42


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