Alan Dean Foster: Codgerspace

Alan Dean Foster: Codgerspace
(Ace Books, 1992)


Bewiesen hat er es ja schon zur Genüge, daß er Humor hat. Fosters "Bannsänger"-Zyklus, das sind sechs Bände Humor-Fantasy, die es in sich haben. Aber bekannter ist natürlich sein Homanx-Universum, ein eher konventionelles SF-Szenario ohne in den Vordergrund gestellten Humor.
Nun hatte ich Gelegenheit, Fosters spaßiges Talent auch im Bereich der SF zu erleben. Es gibt von ihm schon eine ganze Serie solcher Bücher, von denen erst "Glory Lane" als "Pfade des Ruhms" (H 4533) in Deutsch erschienen ist, und 1993 wird "Cyber Way" als "Cyberweise" bei Heyne (5022) herauskommen. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, daß auch noch "Cat*A*Lyst" und "Quozl" zu dieser nicht zusammenhängenden Reihe gehören, außerdem wird manchmal noch "Maori" in diesem Zusammenhang genannt. Ein Fosterfan, der ich bin, fluche ich mich abends in den Schlaf, diese Bücher noch nicht gelesen zu haben.
Was hat es nun mit dem Buch "Codgerspace" auf sich?
Offensichtlich ist der Titel eine Anspielung auf Cyberspace, es ist aber durchaus kein CP-Buch. Das Wort "codger" ist im Englischen eine recht abfällige Bezeichnung alter Menschen, vielleicht mit "Tattergreis" zu übersetzen. Foster verwendet diesen Slangausdruck im Text auch nicht, sondern benutzt Worte wie (deutsch:) Rentner oder Senioren.
Das Buch ist witzig, jawohl, aber nicht überdreht humorbeladen. Man kann durchaus eine richtige SF-Handlung verfolgen, nur die Situationen, zu denen die besondere Besetzung der Hauptrollen führt, fordern den Witz heraus. In der Tat, es sind Rentner, die die Hauptpersonen darstellen. Nun ist ein solches Thema meist recht brisant, leicht dabei, peinlich und abgeschmackt zu wirken. Die meisten Leser wissen, daß auch das Verhältnis der heutigen sogenannten fortgeschrittenen Gesellschaften zu ihren Alten eines der Probleme der Gegenwart darstellt. Man könnte endlos darüber polemisieren, vom Generationskonflikt bis zur Rentenregelung als einer der demütigensten Erscheinungen unserer Gesellschaft gibt es genug Diskussionsstoff. Doch weder das Buch geht vordergründig darauf ein, noch will ich es an dieser Stelle tun.
Kurz zum Inhalt des Romanes.
Es begann alles mit einem Käsesandwich. Jemand vergißt es und der schmelzende Käse schließt die Optoelektronik einer mächtigen Künstlichen Intelligenz kurz, die dadurch ein neuartiges Realitätsbewußtsein entwickelt. Wie es sich so trifft, ist sie für die Produktion anderer KIs verantwortlich, die in allen Bereichen eingesetzt werden - vom Kriegsraumschiff bis zur Toilettenspülung. Irgendwann beginnen die so modifizierten robotischen Gehilfen der Menschheit zu streiken, und zwar, um auf die Suche nach einer höheren, nichthumanoiden Intelligenzform zu gehen, um bei ihr die Erleuchtung zu finden. Zweck des Daseins und all diese Sachen. Jedenfalls kommt es zum totalen Chaos. Fast. Denn irgendwie kriegen es die Menschen immer noch in den Griff.
Bis eines Tages ein Küchenroboter auf Abwegen diese höhere Intelligenz findet. Infolgedessen geraten er und fünf Rentner aus einer Art Altersheim auf der nun von Parks bedeckten Erde auf ein fremdes Raumschiff. Dieses befand sich bis dahin einige Millionen Jahre lang vergraben unter der Erdoberfläche, ist über hundert Kilometer lang und ein Kriegsschiff.
Nachdem die Alten das Schiff durch ihr Betreten aktivierten und starteten, entbrennt der für Menschen scheinbar typische Streit der Regierungen, wem das Ding nun gehört. Während die Alten es sich erst mal an Bord gut gehen lassen, taucht auch noch eine weitere fremde Rasse auf, scheinbar der Feind, gegen den das Schiff ursprünglich mal gedacht war. Und zu guter Letzt kommt auch noch einer der Besitzer aus dem Millionen Jahre langen Schlaf zurück und findet es gar nicht lustig, daß da Parasiten auf seinem Schiff herumrennen.
Die Handlung ist streckenweise schwierig zu überschauen, weil eine Reihe von Nebenhandlungen und -personen auftreten und ein einzelner Handlungsträger, mit dem man sich identifizieren könnte, völlig fehlt. Die Erzählerhaltung wechselt ständig von einem zum anderen. Das ist der einzige Fehler, den die Handlung für mich hat. Trotzdem kann man ihr noch folgen und sich mitreißen lassen. Die eingestreuten Ereignisse um revoltierende Rasenmäher oder Melkmaschinen sind sogar wichtig für das eigentliche Geschehen - außerdem natürlich lustig.
Wenn man die gesamte Handlung des Romans betrachtet, erscheint diese vielleicht ziemlich verrückt, aber nicht unwahrscheinlich. Das Bild eines verbuddelten, durch Betreten aktivierten fremden Raumschiffes ist sogar fast schon Klischee. Die Situation, in die sich die fünf unternehmungslustigen Rentner gesetzt sehen, ist absurd, doch sie schaffen es, sie zu bewältigen.
Foster gelingt es, seine älteren Helden ihre Abenteuer bestehen zu lassen, ohne allzusehr zu moralisieren. Er findet genau das Maß, wo die Wechselbeziehungen zu anderen Menschen noch glaubwürdig bleiben und nicht übertrieben wirken. Es ist ja leider fast normal, daß jüngere Leute auf Handlungen und Aussagen von Menschen im Rentenalter mit Herablassung oder schlimmer reagieren. Was Foster nicht macht, ist, diese Haltung zu sehr zu polarisieren. Er läßt nicht entgegen allen Widerständen die Alten unglaubliche Heldentaten vollbringen, sie über sich hinauswachsen oder ähnliches. Sie bleiben ganz normale Menschen, die sich im Prinzip mit dem Rentnerdasein abgefunden haben, aber deswegen nicht auf eine (angemessene) Reaktion auf die Ereignisse verzichten. Zwar trauen ihnen ihre menschlichen Gegenüber erst nicht viel zu, überrumpeln sie schließlich sogar, aber sie müssen feststellen, daß sie ihrem Vorurteil erlegen sind.
Das Buch stellt eine interessante Variante dar, wie man einen spannenden SF-Roman schreiben kann, der das Genre doch nicht hundertprozentig ernst nimmt.

SX 36

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