Alan Dean Foster: Der Cyberweg

Alan Dean Foster: Der Cyberweg
(Heyne 06/5022)


Nein, Foster begibt sich zum Glück nicht auf Abwege in die Unverständlichkeit der SF-Unterart, die man als Cyberspace oder -punk bezeichnet. Allerdings hat auch sein Buch streckenweise mit einer Art Schwerverständlichkeit zu ringen. Es ist keine leichte Kost wie vielleicht ein Bannsänger-Zyklus, zu dem ja nun doch noch eine Fortsetzung (Sohn des Bannsängers) erschienen ist. Es ist auch keine fun-sf wie vielleicht "Pfade des Ruhms" oder ähnliche Werke aus der Schreibfabrik des Autors. Das Buch ist ein durchaus ernster, ja sogar anspruchsvoller Roman.
Foster hat mit ihm einen SF-Krimi vorgelegt, der in einer relativ fernen Zukunft auf einer Erde spielt, die sich ziemlich zum Guten verändert hat. SF und Krimi zu verbinden, ist ja ein erfolgversprechendes Rezept, hat doch der SF-Roman vielfach sowieso Elemente der Detektivgeschichte in sich aufgenommen. Und die Welt der Verbrechen und Verbrecher bietet sicher immer wieder neue Abartigkeiten, mit denen sich eine Hauptfigur auseinandersetzen kann.
Der zweite Punkt, welcher das Buch charakterisiert, ist die Konzentration Fosters auf bestimmte indianische Mythen und Traditionen, nämlich die Sandmalerei und mit ihr verbundene religiöse Auffassungen. Das Aufgreifen indianischer Geschichte ist schon nicht mehr so häufig in der SF, wenn auch nicht völlig unbekannt. Gerade jetzt ist ein neuer, recht vielversprechender Roman von Jack Haldeman II und Jack Dann erschienen (High Steel), der - wenn ich mich nicht täusche - sogar dieselbe indianische Volksgruppe, die Navaho, zu Protagonisten hat.
Die dritte Besonderheit des Buches liegt dann im Cyberspace im weitesten Sinne. Die Leute in Fosters Zukunft benutzen Computer auf eine etwas ungewöhnliche Weise, deren Begriffe mich zunächst etwas irritierten. Scheinbar setzt Foster die Existenz einer neuartigen Speicherform voraus: die Mollys oder Mollysphären, auf welche man mit sogenannten Spinnern zugreift, welche man bei sich trägt. Die Molly-Technologie wird nicht erklärt, ist jedoch allgegenwärtig.
Die von Foster nebenbei geschilderte irdische Welt hat etwas sehr utopisches an sich. Allein das macht das Buch zu einem Anliegen. Offensichtlich herrscht Weltfrieden und Einigkeit, die Wirtschaft blüht und mit der Umwelt steht es auch nicht schlecht. Besonders krass tritt jedoch die positive Zukunftssicht Fosters in der Rolle der Indianer hervor. Aus den fast bemitleidenswerten Reservationsbewohnern unserer Tage sind geachtete, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft geworden, ja sogar Unternehmer, die anscheinend einen Großteil des internationalen Marktes beherrschen. Dabei ist ihre Kultur sogar erhalten geblieben, auch wenn sie sich gewandelt hat. Der Teppich einer Indianerwohnung im werweißwievielten Stock eines Wolkenkratzers sieht aus wie gestampfter Lehmboden, und Sandmalereien werden für Touristen und Sammler massenproduziert.
Die Ursache für diese drastische Wandlung wird kaum erklärt, Foster deutet an, daß es etwas mit der Internationalisierung der Welt, mit dem Hereindrängen asiatischer und europäischer Firmen nach Amerika zu tun hatte. Der Umstand an sich ist für die Handlung nicht wichtig, er wird wie die Mollys vorausgesetzt. Aber er beinhaltet doch eine wesentliche Botschaft des Autors, die man unabhängig vom eigentlichen Buch lesen kann. Natürlich wird der Realist sagen, das ist eine Utopie, ein schöner, aber irrealer Traum. Mag sein, aber wenn keiner ihn oder andere Träume träumte, wären wir wahrscheinlich schlimmer dran.
Das, worum es in dem Buch eigentlich geht, würde in einer Bücherwerbung vielleicht mit dem Spruch beschrieben werden: Unsere Realität zerbricht in Scherben und dahinter erblicken wir etwas völlig Unbegreifliches.
Die Kriminalhandlung spinnt sich um den Mord an einem reichen Kunstsammler in Florida, bei welchem ein altes Sandbild zerstört wurde. Der Detektiv Moody wird ins Navaho-Gebiet geschickt, da man Verbindungen argwöhnt, wo er zusammen mit einem einheimischen Polizisten Nachforschungen anstellt. Moody findet mit Hilfe von Paul viel über die Kultur der Navaho und die Symbolik der Sandmalerei heraus. Es läuft wie routinemäßige Polizeiarbeit ab, vordergründig dient es natürlich der Information des Lesers. Foster hat sich wirklich mit dem Problem beschäftigt, er gibt sogar am Ende des Buches Literaturhinweise. Schließlich geben die beiden eine Kopie des zerstörten Bildes, in dem sie richtigerweise den Schlüssel vermuten, in einen Computer ein. Und von da an hat der Roman nichts mehr mit einer Detektivgeschichte zu tun. Das ist die Stelle, wo die Realität langsam zerbröckelt.
Zwar ist die Idee Fosters, welche nun folgt, nicht gerade in allen Zügen neu - Douglas Adams verwendete sie schon in humoristischer Weise - aber sie ist dennoch sehr interessant. Vor allem deshalb, weil Foster sie tatsächlich ernsthaft und konsequent verfolgt.
Nicht nur wegen der detektivischen Handlung ist das Buch spannend. Der Mörder ist relativ einfach gefunden, dennoch wird es danach noch ziemlich hitzig. Und nebenbei erfährt man als Leser viel über eine besondere Kultur und Mythologie. Schwierig zu lesen sind einige Stellen, wo es um die Computertechnologie und höhere mathematische Formen wie Fraktale geht. Aber damit kennen sich ja inzwischen immer mehr Leser aus. (Glauben sie.)
Ein Buch in bewährter Foster-Qualität also, das leider durch seine Aufmachung (Karel Thole) nicht gerade besticht. Aber wenn man weiß, was man unter der bräunlichen Hülle zu erwarten hat, kann man ja darüber hinwegsehen.

["Cyber Way", Alan Dean Foster 1990, übersetzt von Hilde Linnert 1993, 346 Seiten, DM 12.90] 

SX 42

 

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