Alan Dean Foster: Der Highway ins Nichts
Alptraum
des Kleinbürgers
Alan Dean Foster: Der Highway ins Nichts
(Heyne 06/5319)
So recht weiß ich nicht, ob Foster hier nun einen Horror-Roman
geschrieben hat, oder ob es einfach nur Science Fiction mit ein paar gräßlichen
Szenen ist. Die Handlung ist zudem noch so chaotisch, daß man als
Leser schon manchmal Schwierigkeiten hat. Zeitweise kam mir der Text vor,
als habe ihn ein New-Wave-Autor unter dem Eindruck einer gehörigen
Dosis eines gewissen Krauts, aus dem man nicht nur Stricke herstellt, geschrieben.
Ob Alptraum oder Drogenrausch, dieser neue Foster ist ein wenig anstrengend.
Die amerikanische Mittelklassefamilie der Sonderbergs ist mit einem
Wohnmobil nach Las Vegas unterwegs, um dort wie immer Urlaub zu machen.
Es ist allerdings das erste Mal, daß sie nicht fliegen, was die beiden
Sprößlinge nicht gerade in gute Laune versetzt. Der Vater, Frank,
hatte da so eine Idee von der erzieherischen Wirksamkeit einer Fahrt durch
schöne Gegenden. Aber die Tochter hört nur Heavy Metal aus dem
Walkman und der freßsüchtige 10-jährige Sohn greint nach
einem Hamburger. Mitten in der Wüste Nevadas nimmt Sonderberg eine
Anhalterin mit, die sich Maus nennt.
Und damit beginnt nach ca. 60 Seiten öder Langeweile endlich der
eigentliche Roman. Maus ist eine transdimensionale Außerirdische,
eine Musikerin, die aufgebrochen ist, den verwirrten Weber der Realität
mit ihrem Gesang zu beruhigen. Wenn sie das nicht schafft, wird die Realität
sich zerfasern und das Chaos regieren. Der Weltuntergang droht wieder einmal.
Indem die Sonderbergs die kleine Frau mitnehmen, verstricken sie sich
unentrinnbar in deren Mission. Sie verlassen ungewollt ihre gesicherte,
kleinbürgerliche Realität und geraten buchstäblich in die
Hölle. Dort treffen sie den mysteriösen Indianer Burnfingers,
der als Hausmeister tätig ist. (Natürlich wieder ein sandbildermalender
Navaho, die scheint Foster besonders zu mögen.) Er verhilft ihnen
zur Flucht und weiter geht die Reise. Der Wanderer Burnfingers begleitet
sie fortan. Realität um Realität wird durchfahren, manchmal muß
man tanken und findet auch immer eine Zapfsäule. Die meisten Gegenden,
in die sie geraten, sind ihnen und vor allem Maus feindlich gesonnen, weil
das Böse, das Chaos oder wer auch immer eben böse und chaotisch
ist. So geht das halt zu im Universum.
Eigenartigerweise bleiben die Sonderbergs dabei immer die kleingeistigen,
beschränkten amerikanischen Spießer. Zwar handelt Frank manchmal
recht mutig, aber dann äußert er sich oder denkt etwas und schon
ist er im Widerspruch zu sich selbst. Die Kinder bleiben schemenhaft, und
auch seine Frau hat nicht viel zur Handlung beizutragen. Wenn nicht der
aktive, rätselhafte Burnfingers wäre, hätten sie keine Chance,
Maus an ihr Ziel zu bringen, den Vanishing Point, wo der Weber
sein soll.
Auch das Ende findet statt, wie man es erwarten kann: Maus findet den
Weber, eine kaum verständlich beschriebene Wesenheit, die die
Fäden der Realität webt, singt ihr Lied der Macht, musikalisch
unterstützt von Burnfingers und der Sonderbergschen Tochter, und alles
ist ok. Daß die Tochter plötzlich eine solche Rolle bekommt,
geschieht völlig überraschend und ohne Zusammenhang zu ihrem
vorherigen Charakter. Der fette, verfressene Sohn hat am Schluß eine
noch undurchsichtigere Funktion. Er verschwindet zusammen mit ein paar
in der Luft schwebenden Fischen, um zu "obulieren", und taucht dann als
Erwachsener wieder auf. Er ist ein besserer Mann geworden als er ein Kind
war. Was sollte das? Ich weiß es nicht. Eine Entwicklung der Charaktere
ist jedenfalls nicht erkennbar.
Auch das Rätsel um Burnfingers, der von sich ständig behauptet,
verrückt zu sein, wird nie gelöst. Andere Personen deuten an,
daß er mehr ist, als er zu sein scheint, doch der Leser wird aus
dem Roman entlassen, ohne daß klar wird, wer oder was er nun sein
soll.
Einzelheiten im Buch sind durchaus interessant erdacht, aber die Handlung
verwickelt sich so sprunghaft und seltsam, daß die guten Ideen insgesamt
wie ein Flickenteppich erscheinen, im einzelnen nicht ausgearbeitet. Das
Ganze erscheint manchmal wie ein "Roadmovie", alles spult sich im Verlauf
einer Reise über die endlosen amerikanischen (oder auch transdimensionalen)
Landstraßen ab. Das schränkt die Möglichkeiten natürlich
ein.
Am seltsamsten fand ich die Figurenbesetzung, die Foster gewählt
hatte. Was wollte er dem Leser wohl mit dieser teilweise unerträglichen
Mittelklassefamilie sagen? Es ist nicht so, daß sie die "einfachen
Menschen" sind, die "über sich hinauswachsen" und Heldentaten vollbringen.
Ihre Persönlichkeiten sind einfach zu widersprüchlich, um ein
geschlossenes Bild zu ergeben.
Und auch sonst war keine besondere Aussage in dem Buch zu erkennen.
Man kann ja wohl nicht die Verantwortung für den Abwurf einer Atombombe
auf Salt Lake City von den Menschen auf eine undefinierte Verkörperung
des Chaos abwälzen. Insgesamt enttäuschte mich (als Foster-Fan)
der Roman eher. ADF hat schon mal wesentlich bessere Bücher geschrieben.
[To the Vanishing Point, © Alan Dean Foster 1988, übersetzt
von Alfons Winkelmann 1995, 445 Seiten, DM 12.90]
SX 66
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