Alan Dean Foster: Life Form

Alan Dean Foster: Life Form
(Ace Books 1995, 311 Seiten, $ 5.99)


Die Breite von Fosters Talent erstaunt immer wieder. Eben noch las ich den neuesten humoristischen Fantasyroman um den Bannsänger, und nun einen klassischen Hard Core SF Roman über die Erforschung eines fremden Planeten. Foster hat Novellisationen von Filmen und Computerspielen geschrieben, das Homanx-Universum erdacht und eine lange Reihe verschiedenartiger SF-Romane geschrieben, die nicht miteinander zusammenhängen. Sie handeln auf der Erde ebenso wie im Weltraum. Zu den letzteren gehört das vorliegende, im Juli erschienene Buch.
Der Roman behandelt, wie gesagt, die Erforschung eines neuentdeckten Planeten durch eine wissenschaftliche Expedition von der Erde. Ein Thema, das schon unzählige Male durchgespielt wurde, dennoch gelingt es Foster, ihm noch neue Seiten abzugewinnen. Nachdem zwei Planeten mit niederen Lebensformen bereits entdeckt und untersucht worden sind, findet man einen dritten, der um den Stern Xica kreist. Wie in der SF scheinbar unvermeidlich, nennt man den Planeten der Einfachheit halber auch Xica. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, aber es hat sich offensichtlich soweit eingebürgert, daß es kaum jemandem noch auffällt.
Die Expedition landet in der Nähe eines aus dem Orbit gesichteten grünen Küstenstreifens und entdeckt einen regelrechten Dschungel. Überwältigt und ziemlich ungeordnet beginnt man ihn zu durchstreifen. Bisher waren den Menschen im All wohl nur ein wenig außerirdisches Moos und Bakterien begegnet. Nach einer Weile baut man das Camp auf und beginnt mit der Forschung.
Es dauert nicht lange, bis die Eingeborenen aus dem Wald spaziert kommen.
Die Menschen freunden sich rasch mit den erstaunlich humanoiden Xicanern an und beginnen, deren Sprache zu erlernen. Ein Wissenschaftler verliebt sich sogar in eine Xicanerin.
Nanu? Was soll denn dieser Unfug? müßte sich spätestens hier jeder Leser fragen. Das von Foster?
Es ist nichts so, wie es zu sein scheint. Das müssen die Forscher bald darauf schmerzhaft erfahren, als einer von ihnen plötzlich von einem bisher für harmlos gehaltenen Wesen angefallen wird und an dem Nervengift stirbt. Und Foster hat aus dieser Erkenntnis ein Leitmotiv für das Buch gezaubert. Aus der Idylle wird der Leser zusammen mit der Expedition in einen Strudel immer neuer Rätsel und Gefahren gerissen. Nicht nur das. Auch die Charaktere der Figuren stellen sich nicht als das heraus, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Ein gewisser Ramirez scheint zu Anfang der für das Böse prädestinierte Mann zu sein, der die Schwierigkeiten auslöst. Falsch - er ist zwar undiszipliniert, aber er spielt nicht die Rolle, welche das Drehbuch im Kopf des SF-Lesers ihm vorschnell zuschreibt. So geht es Schlag auf Schlag weiter. Ein irdischer alter Mann taucht auf, der auf unerklärliche Weise auf diesen Planeten geraten ist. Er ist nicht nur für die Kultur der Eingeborenen verantwortlich, sondern ist selbst auch nicht gerade das, was er zu sein scheint. Na ja, und die menschenähnlichen Eingeborenen erst_
Foster hat mit diesem neuen Roman aber nicht nur ein spannendes Planetenabenteuer voller Rätsel und Abenteuer geschrieben. Hauptsächlich fallen die Figuren auf, die er handeln läßt. Die Expeditionsmitglieder, von denen keines eine wirklich ausgeprägte Hauptperson ist, sind nicht unbedingt besonders ausgefallene Charaktere, aber sie sind durchweg glaubwürdig. Sie verhalten sich menschlich, ihren ihnen zugeschriebenen Ambitionen und Fähigkeiten entsprechend, und nicht wie bloße Transportmittel der Handlung. Letztere springt übrigens ständig von einem zum anderen, man muß aufpassen, wer gerade die Erzählposition innehat.
Trotz der hohen Qualifikation der Fachleute, welche die Expedition bilden, sind sie nicht im geringsten auf einen Kontakt mit einer fremden Intelligenz vorbereitet. Irgendeine "Erste" Nichteinmischungsdirektive kommt ihnen nicht einmal andeutungsweise in den Sinn. Aber es ist noch viel schlimmer. Die Menschen sind kaum in der Lage, sich aus ihren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Paradigmen zu lösen. Das ist etwas, auf das Foster hier besonderen Wert gelegt hat. Die Forscher beginnen z.B. flugs die Flora und Fauna zu klassifizieren und kommen nicht einmal auf den Gedanken, daß die irdische Taxonomie hier überhaupt nicht anwendbar sein könnte. An alles wird erst einmal ein irdischer Maßstab gelegt. Genauso ist es mit den Moralvorstellungen, die sie gedankenlos den Eingeborenen überstülpen, nur weil sie wie Menschen aussehen. Diese führen rituelle Kriegszüge gegen einen benachbarten Stamm durch und sind wohl auch Kannibalen. Pfui, wie böse! Über das Wie und Warum denkt kein Mensch nach. Das führt zu einer gefährlichen Kulmination, als sich der Expeditionsleiter die Entscheidung anmaßt, nicht nur jenen Mann, der sich in eine Eingeborene verliebte, zu betäuben und aufs Schiff zu verfrachten, sondern auch diesen rätselhaften Alten von der Erde. Nur zu deren Besten natürlich. Es ist erstaunlich, wie die Erzählstimmung urplötzlich umschlägt. Nicht, daß vorher alles idyllisch und heiter gewesen wäre, aber auf einmal ist sie da, die eigentliche Bedrohung, welche wir Menschen scheinbar wie einen Ballast überallhin mit uns nehmen müssen.
Die Überlebenden sehen sich nun gezwungen, auf Xica zu bleiben. Eine ungewisse Zukunft auf einer Welt, die zwar kein Paradies ist, die aber das Potential zu etwas Besserem hat, als es die Menschenwelt ist.
Das Buch besitzt eine gedankliche Tiefe, die weit über das Niveau eines bloßen Planetenromans hinausgeht. Mit dem SF-Abenteuer hat Foster wieder einmal Dinge zu sagen, über die es sich nachzudenken lohnt. 

SX 68

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