Alan Dean Foster: Quozl
Enttäuscht
- gefesselt - begeistert
Alan Dean Foster: Quozl
(Ace Books 1989, 344 Seiten, $ 4.95)
Enttäuscht war ich im ersten Teil des Buches, weil ich mit ganz
falschen Erwartungen an die Lektüre gegangen war. Das soll nicht heißen,
daß der Roman an sich im ersten Drittel oder so schlecht sei - aber
die Aufmachung des Buches erzeugt ein völlig falsches Bild von dem,
was man erwarten kann. Man sieht auf dem Rundum-Cover von Jim Gurney etliche
lustig aussehende, hasenähnliche Außerirdische, die gerade eine
menschliche Behausung bestaunen. Neben Videokassetten von "Rambo - First
Blood" und "Starwars" ist übrigens auch Fosters "Glory Lane" (dt.:
Pfade des Ruhms") deutlich zu erkennen. Ein Außerirdischer hält
gar Alf in der Hand. Wer erwartet da nicht einen humoristischen SF-Roman?
Dazu kommt noch, daß in einem Teil des Buches Flip-A-Motion Bildchen
zu finden sind - ein "Daumenkino", in dem ein landender Quozl gezeigt wird,
der dann auf einem Skateboard ausrutscht.
Wenn ich also enttäuscht war, kann man sich denken, daß
das Buch keineswegs so lustig beginnt, wie es aussieht. Die Quozl, das
sind tatsächlich Wesen, die entfernt einem aufrechtgehenden Hasen
à la Bugs Bunny ähneln - der ist übrigens auch auf dem
Cover zu sehen. Sie kommen etwa während der Zeit des Zweiten Weltkrieges
mit ihrem Kolonieschiff zur Erde, um diese zu kolonisieren. Weiter- oder
zurückfliegen können sie nicht, denn die Sequencer ist
ein Generationenschiff ohne Rückkehrmöglichkeit. Die Quozl landen
also insgeheim irgendwo in der nordamerikanischen Bergwelt und graben sich
mitsamt Schiff buchstäblich ein.
Natürlich sind sie überrascht davon, eine andere Intelligenz
zu finden. Aber sie stellen auch sehr schnell fest, daß diese Menschen
auf einer barbarischen Stufe stehen, welche die Zivilisation der Quozl
längst hinter sich gelassen hat: Sie führen Krieg gegeneinander,
um ihre Bevölkerungszahl zu regulieren (glauben die Quozl). Also beschließt
man, sich erst einmal zu etablieren, ohne Kontakt aufzunehmen. Dieser Entschluß
wird noch durch ein tragisches Ereignis bestärkt, das während
der ersten Erkundungsexpedition geschieht. Sie stoßen auf einen Mann,
der nichts besseres zu tun hat, als den ersten Quozl, den er sieht, zu
erschießen. Auch der Mann wird getötet, und das belastet den
betreffenden Scout psychisch sehr. Zwar hatten die Quozl früher eine
Tradition von unglaublicher Gewalttätigkeit, die sich in permanentem
Krieg äußerte, aber das ist längst überwunden. Jetzt
entäußert man sich in anderen Formen, in der Kunst etwa.
Die Kolonisten schotten sich also ab und studieren die Menschheit über
etliche Jahrzehnte aus der Ferne. Dank ihrer hochentwickelten Technik fällt
ihnen das leicht. Sie sind nicht gerade zufrieden mit der Situation, aber
es scheint keinen Weg zu geben, in friedlichen Kontakt mit diesen blutdürstigen
Barbaren zu treten.
Bis eines Tages ein junger Quozl namens Runs-red-Talking aus der unterirdischen
Anlage entwischt und im Wald auch prompt den achtjährigen Chad trifft,
der dort gerade wandert. Jahre später begegnen sie sich wieder, weil
Chad und Familie immer in der Gegend Urlaub machen, und es entwickelt sich
eine streng geheime Freundschaft. Ab diesem Punkt fesselte mich das Buch
dann doch, da ich mich an den Stil eines ernsthaften, ganz normalen SF-Romans
gewöhnt hatte. Außerdem ist es ja die Interaktion, auf welche
es in einer solchen Situation ankommt.
Das Geheimnis bleibt natürlich nicht ewig eins - zuerst findet
es Chads ältere Schwester heraus, dann auch deren Verlobter. Und die
Quozl merken es schließlich auch. Am liebsten würde man Runs
strengstens bestrafen, aber die Quozl-Logik sagt jedesmal, daß das
unsinnig wäre. Man muß mit den Ereignissen leben und sie bestmöglichst
ausnutzen. Irgendwann soll der Kontakt ja stattfinden.
Ohne Chads Wissen vermarktet die Schwester die Geschichten und das
Äußere der Quozl für eine Cartoon-Serie und kommt damit
in Hollywood groß raus. Man kennt das ja: Quozl-Puppen, Spiele, T-Shirts
und was auch immer. Aber keiner weiß, daß es diese Figuren
real gibt! Das ist eine Idee, die eigentlich genial ist. Bevor die richtigen
Außerirdischen an die Öffentlichkeit gelangen, wird im Bewußtsein
der Menschen ein positives, harmloses Bild von ihnen geprägt - durch
diese Trickfilmshow. Foster führt das noch weiter. Arlo, der Verlobte
von Chads Schwester Mindy, denkt nicht daran, die Quozl der Regierung,
die in amerikanischer SF immer notorisch paranoid ist, zu überlassen.
Er bringt sie in eine Talkshow! Zu dem Zeitpunkt, als die Geheimdienste
und die diversen dubiosen Gestalten auf der Bildfläche erscheinen,
ist es längst zu spät. Amerika will die niedlichen, netten, liebenswerten
, süßen ... Außerirdischen! Und da kann nicht mal der Präsident
mehr etwas machen.
Ab der Stelle, wo man sozusagen die PR-Kampagne beginnt, wird das Buch
dann auch noch so lustig, wie ich es von Anfang an erwartet hatte. Ich
konnte es gar nicht mehr aus der Hand legen.
Es wäre kein Roman von Foster, wenn er sich nur auf eine spannende
Handlung beschränkte. Die Gesellschaft der Quozl ist sehr eindrucksvoll
und überzeugend dargestellt, es sind Aliens, die man verstehen kann,
auch wenn sie fremdartig leben und handeln. Die Frage der Gewalt und letztendlich
des Krieges als Mittel zur Lösung von Problemen ist zudem ein zentrales
Thema des Buches. Die auf der Philosophie der Aliens beruhenden Aussagen
dazu sollte man auf keinen Fall überlesen. Sie sind heute aktueller
als je zuvor.
Am Ende war ich von dem Roman begeistert. Es bleibt zu hoffen, daß
man ihn nach "Glory Lane" bald auch auf Deutsch lesen kann. Foster hat
schließlich mehr geschrieben als den Homanx- und den Bannsänger-Zyklus.
SX 56
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