Andrew Harman: Der Appendix des Zauberers
Andrew Harman: Der Appendix des Zauberers
(Heyne 06/5394)
Ein komischer Titel, nicht wahr? So komisch, daß man ihn sogar
ins Deutsche übernahm. Als ich mit dem Buch fertig war, fragte ich
mich plötzlich - Was für ein Appendix eigentlich? Da kommt doch
gar nichts mit einem Blinddarm drin vor? Wenn Ihr ebenfalls diese Assoziation
habt, vergeßt sie wieder. Es geht bei dem Titel um einen literarischen
Appendix, einen Anhang zu einem Buch über Magie. Das ist allerdings
wohl auch dem Übersetzer entgangen, denn an der entscheidende Stelle,
wo dieser Appendix zum einzigen Mal als solcher erwähnt wird, übersetzte
er es mit "Anhang IIIb", obwohl man es auch beim "Appendix IIIb" hätte
belassen können, um wenigstens einen Bezug zum Titel zu haben.
Nachdem das also geklärt ist, kommen wir zum Buch selbst. Ein
Werk mit so einem komischen Titel kann eigentlich nur in die Sparte der
fun fantasy gehören. Andrew Harman verstärkt damit das von Pratchett
angeführte Lager um einen weiteren, nicht untalentierten Autor. Und
das, ohne den Meister unbedingt nachzuahmen.
Auf einer Welt mit Königen, Prinzen und Bauern spielt die Handlung
des Romans. Wie das mit der Magie ist, wird nicht ganz klar, aber man kann
erst mal annehmen, daß es welche gibt. Wozu soll sonst ein Buch darüber
gut sein? Im Land Isolon herrscht eine Hungersnot, während der König
die Lebensmittelsteuer (den Zehnt) von 74 auf 75% erhöht! Da der König
erst 17 ist und auf den Rat seines Kanzlers Swinehunt hört, kann man
das entschuldigen. In einem Dorf in den Bergen darben derweil die Leute
so, daß zwei Jungen, Firkin und Hogshead, von dort abhauen - mit
dem vagen Plan, etwas gegen die Misere zu tun. Und wenn das heißt,
den König umzubringen...
Erwartungsgemäß handelt das Buch vor allem von ihrer Wanderung
nach dem Schloß von Isolon, aber nicht nur. Es sind immer wieder
Kapitel eingestreut, die Jahre zuvor handeln und dem Leser erklären,
wie es zu der hoffnungslosen Lage kam. Anfangs störte mich dieser
Stil etwas, da ich mich kaum auf die eigentliche Handlung konzentrieren
konnte, aber dann bekam die Sache Sinn.
Die Art und Weise, wie die beiden Jungen zu ihren obligatorischen Reise-
und Kampfgefährten kommen, ist schon bedeutsam. Ein alter Zauberer,
der mit seinem Zauberbuch am Wegesrand ruht - spielt überhaupt keine
Rolle. Aber ein Bücherwurm, der sich derweil durch das Werk frißt,
wird von den dabei aufgenommenen magischen Worten verwandelt. Ihn treffen
die beiden Jungs später, und er zaubert ihnen einen Ritter und den
Zauberer Merlot herbei; beide sind Gestalten aus Büchern.
Natürlich wird der jugendliche König nicht umgebracht, aber
sein böser Erzkanzler entlarvt und zum Straßenbau geschickt.
Bis es soweit ist, geschehen jedoch die haarsträubendsten und aberwitzigsten
Dinge. Manchmal ist es reiner Nonsense, den Harman hier verzapft. Man stelle
sich vor, mitten im Wald ein von einem Vampir bewohntes Pfefferkuchenhäuschen
im Stile eines Mc Donalds!
Überhaupt hat der Autor keinerlei Hemmungen, plötzlich Dinge
aus unserer Welt auftauchen zu lassen oder entsprechende Vergleiche zu
ziehen. Der Vampir besitzt z.B. eine Mikrowelle - aber eigentlich gibt
es gar keinen Strom.
Genauso die Namen der Personen, bei denen der Übersetzer diesmal
anscheinend sehr aufgepaßt hat, sie im Original zu belassen bzw.
eine passende Entsprechung zu finden. Sie haben beinahe alle eine Bedeutung,
teilweise zur Charakterisierung der Personen. Das mag ich zwar sonst nicht
so, aber hier gewöhnt man sich daran. Der Vampir heißt natürlich
Vlad, Swinehunt (Schweinejagd - oder doch Schweinehund?) kennen wir schon, Firkin und Hogshead bedeuten
Fäßchen und Faß. Das Dorf in den Bergen (den Krapathen)
heißt Khucaph (Kuhkaff). Und so weiter... Wirklich manchmal sehr
amüsant.
Es ist nicht Pratchetts Stil, aber manchmal ihm sehr ähnlich in
seinem Humor. Für alle, die sich mit Fantasy anfreunden können,
die nicht "heroic" oder "high" ist, sondern albern und lustig, kann man
nur eine Empfehlung aussprechen.
Die Fortsetzung "Die Frösche des Krieges" verspricht ähnlich
zu werden, und auch die bei Heyne noch angekündigten drei weiteren
Bücher von Harman sollte man im Auge behalten.
The Sorcerer's Appendix, (c) by Andrew Harman 1993, übersetzt von Jakob Leutner 1996, 363 Seiten, DM 14.90
weitere Bände:
- Die Frösche des Krieges
- Das Wurmloch ins Biblioversum
- Hundstage
- Fahrenheit 666
SX 76
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