Anne McCaffrey: Crystal Line

Anne McCaffrey: Crystal Line
(Del Rey Books 1992, 313 Seiten, $ 5.99)


"Crystal Line" ist der dritte Teil der Romane um Killashandra Ree, die Kristallsängerin. Zur Erinnerung: "Die Kristallsängerin" (1982) erschien bei Bastei Lübbe [24057] und "Killashandra" (1985) bei Heyne [06/4728]. Wer den dritten Teil auf Deutsch herausbringt, bleibt abzuwarten, bisher ist mir noch nichts bekannt. In SOLAR-X 12 schrieb Peter Schünemann bereits einmal über "Killashandra", und ich ging nochmals auf beide Romane in der Ausgabe 46 ein, wobei ich mich allerdings zum größten Teil über die ausgesprochen haarsträubenden Klappentexte erboste.
Nun konnte ich lesen, wie es mit der Heldin weiterging, und eine Trilogie muß ja nicht gleich alles sein, nicht wahr? McCaffrey hat es zumindest diesmal wieder geschafft, einen spannenden Roman zu schreiben, der mich nicht losließ, bis ich ihn durchgelesen hatte.
Dabei gibt es keine Raumschlachten, Verfolgungsjagden, interstellare Imperien oder außerirdische Monster in diesem Buch. Nicht einmal das Universum muß gerettet werden. Solche billigen Effekte hat die Autorin nicht nötig, um den Leser mitzureißen. Gerettet werden muß allerdings Killashandra.
Was in den ersten beiden Bänden angekündigt wurde, ohne wirksam zu werden, macht nun das Hauptthema des dritten Teils aus. Die Tätigkeit des Kristallsingens, d.h. des Schneidens von besonderen, auf dem Planeten Ballybran vorkommenden Kristallen mittels natürlich erzeugtem Schall und einem speziellen Gerät, und das Leben auf diesem Planeten hat gewisse Nebeneffekte. Ein bakterieller Symbiont macht die Kristallsänger und alle anderen Menschen, die auf Ballybran sind, fast unverwundbar und sehr langlebig. Killashandra selbst ist über zweihundert Jahre alt. Der Symbiont fesselt sie aber auch an den Planeten, den sie nur kurze Zeit verlassen können. Das Kristallsingen wiederum macht süchtig und löscht nach und nach die Erinnerungen aus. Genau das wird nun langsam zum Problem für Killashandra. Jedenfalls oberflächlich betrachtet. Es wird jedoch bald klar, daß sich die Autorin nicht mit dem einfachen "Kristall löscht auf mysteriöse Weise das Gedächtnis" begnügt. Zwar gibt es eine physikalische Ursache für diese Erscheinung, die am Ende auch geklärt wird, aber das Problem der Heldin liegt woanders, nämlich in ihr selbst. Sie will bestimmte Dinge vergessen, auch wenn sie das noch andere Erinnerungen kostet, weil sie ihre größten Schwierigkeiten mit anderen Menschen zu haben scheint. Sie verschließt sich vor der Umwelt, vor Menschen, die ihr helfen wollen, und gleitet immer weiter hinab in einen bedrückenden Zustand, der Wahnsinn nicht unähnlich ist.
Hauptsächlich handelt das Buch also eher von Dingen des "inner space", die Spannung resultiert aus der Frage, was mit Killashandra werden wird - obwohl man sich eigentlich denken kann, daß es ein gutes Ende nehmen muß. Erstaunlicherweise stört diese Ahnung nicht. Wie die meisten Romane der Autorin ist auch dieser ein "menschliches" Buch, das sich vor allem der Darstellung der Schicksale glaubwürdiger Charaktere widmet.
Zu Beginn befinden sich Killashandra und ihr Partner auf einer Mission auf einem anderen Planeten, wo eine Art kristalline Intelligenz entdeckt worden ist. Als Experten für Kristalle sollen sie das Gebilde untersuchen. Dieses spielt natürlich im Buch noch einmal eine wichtige Rolle - am Ende. Die Weltraumreise hat auch noch eine andere Bedeutung. Wie schon in "Killashandra" kurz geschehen, wird hier die Verbindung zu einem anderen Teil des Universums Anne McCaffreys gezogen, dem "Shellperson"-Zyklus. Ein solches B&B-Schiff, das von einem Menschen und einer "Hüllenperson" gesteuert wird, taucht im Buch mehrfach auf. Der Roman um das Raumschiff namens Helva und die kürzlich erschienenen Fortsetzungen spielen also vor dem selben Hintergrund. (Der Talente-Zyklus offensichtlich nicht, bei Pern wäre ich mir da noch nicht so sicher, und auch die "Powers"-Trilogie könnte hier eventuell hineinpassen.) Die legendäre Helva wird natürlich auch erwähnt, man freut sich als Leser doch, daß sie dem Vernehmen nach noch lebt.
Nach ein paar kniffligen Situationen für Killashandra kommt alles noch zu einem guten Ende, auch die mächtige Heptiten-Gilde der Kristallsänger wird dabei nach achthundert Jahren Existenz gleich ein wenig modernisiert. Es könnte durchaus weitergehen, und das wäre ja so schlimm nicht. 

SX 57

 

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