Anne McCaffrey: Damia's Children

Anne McCaffrey: Damia's Children
(Corgi Books 1994, 334 Seiten, £4.99)


Der "Talente-Zyklus" ist einer der weniger bekannten aus der Produktion Anne McCaffreys. Das liegt sicher auch daran, daß auf Deutsch bisher nur eines der älteren Bücher aus dieser Reihe erschienen ist, soviel ich weiß.
Nach "To Ride Pegasus" (1973) und "Pegasus In Flight" (1991), den beiden Romanen, die in der Anfangszeit der epischen Saga spielen, folgte die eng miteinander verknüpfte und viel später handelnde Trilogie "The Rowan" (1990), "Damia" (1992) und "Damia's Children" (1992). Wie man an den Jahreszahlen erkennt, knüpfte die Autorin offensichtlich in den 90ern an den frühen Roman an, um einen neuen Zyklus zu schaffen. Und es ist nicht unbedingt das letzte Buch zu dieser Serie, was ich hier besprechen möchte. Der relative Neuigkeitsgrad der Fortsetzungen läßt jedenfalls auf ein deutsches Erscheinen hoffen.
Wie man unschwer sieht, schließt sich "Damias Kinder" direkt an "Damia" an. Allen, die meine vorangegangenen Rezensionen nicht kennen, sei gesagt, daß Rowan ein psychokinetisches Talent ist, Jeff Raven heiratete, deren Tochter Damia wiederum Afra Lyon zum Manne bekam, woraus nun die Kinder Damias hervorgingen, um die es sich im vorliegenden Buch dreht. Keine Frage, daß solche Kids allesamt enorm talentiert sind.
Die zukünftige Welt einer interstellar verbreiteten Menschheit wird ganz von den Talenten beherrscht, den in vielfältiger Weise telepathisch, telekinetisch usw. begabten Menschen. Beherrscht allerdings nicht im Sinne von Macht - obgleich sie großes Ansehen und auch gewisse Vorrechte genießen - sondern im Sinne ihres allgegenwärtigen Einsatzes. Hauptaufgabe der Talente - jedenfalls der, um die es in den Büchern geht - ist der interstellare Transport, bzw. die Kommunikation.
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, ich halte für die beiden bedeutendsten positiven Eigenschaften der Romane, daß die Talente nicht als Freaks betrachtet werden, und wie sie in die Welt eingefügt sind. Telekinese für das interstellare Reisen zu verwenden, ist wirklich ein konsequenter Gedanke.
Schon in der Handlung um Rowan tauchte eine äußere Bedrohung der ansonsten sehr harmonischen Menschheit auf: insektoide Aliens eines Gruppenbewußtseins, die wie schwärmende Bienenvölker den Raum durchziehen, um ganze Welten zu annektieren. Diese Vorstellung ist nicht besonders originell, sie ist tatsächlich eines der relativ wenigen Alienklischees. Nicht nur McCaffrey oder Card, auf den ich noch zurückkomme, verwendeten Insektoide als Bedrohung. Das liegt bei der verbreiteten Angst der Menschen vor kribbelnden und krabbelnden Tierchen auf der Hand. Der Begriff des "Hive" oder "Hive-Minds" hat sich in der SF verbreitet ("Hivehom" bei Foster). Mit dem Wort wird ein Ding wie z.B. ein Bienenstock bezeichnet, Hive-Mind meint ein Kollektivbewußtsein innerhalb eines solchen, oder bequemer, die Steuerung aller Teile durch die Königin. Wegen der Mehrdeutigkeit des deutschen Begriffes "Stock" ist das Wort schlecht zu übersetzen.
Es gelang Rowan, durch die Vereinigung des Bewußtseins aller Telepathen, den ersten Angriff der Hiver zurückzuschlagen. Damia stellte im zweiten Buch der Trilogie den Kontakt zu einer anderen vernunftbegabten Rasse her, den Mrdinis, die auch schon unter den Böslingen zu leiden hatten und im erbitterten Krieg gegen sie stehen.
Die Kinder Damias und Afras sind nun Teil eines Projektes, das langfristig der Verständigung mit den Mrdinis dienen soll - sie wachsen zusammen mit jeweils einem 'Dini-Paar auf. Man sagt dazu, sie wurden "paired" - nicht gerade gepaart (wieder so ein Wort), sondern mit einem Paar versehen. Das Projekt ist sehr erfolgreich.
Da meldet ein Scoutschiff, daß offenbar die Heimatwelt der Hiver entdeckt wurde. Eine Kriegsflotte fliegt los, um sie plattzumachen.
Die Kinder Thian, Laria, Rojer und Zara spielen der Reihe nach in den einzelnen Abschnitten des Buches die Hauptrolle. Ihre gerade voll entwickelten Talente sehr hoher Größenordnung sind für bestimmte Aspekte des Feldzuges von entscheidender Bedeutung. Besonders wichtig ist Thian zunächst für die Etablierung einer ausreichenden Kommunikation zwischen den menschlichen und den mrdinischen Teilen der Flotte und dann für den Nachschub. Rojer bekommt später eine ähnliche Aufgabe, die aber mehr ins technische reicht - und Klein-Zara setzt allem am Ende die Krone auf, indem sie eine Art Kommunikation mit einer "kriegsgefangenen" Königin herstellt.
Ohne jede vordergründige Action ist die Handlung um die jungen Talente doch spannend zu lesen, allerdings muß man sich an das Fehlen von inneren Konflikten erst gewöhnen. Der Leser erwartet möglicherweise an den sonst situationsüblichen Stellen Probleme und staunt, daß da keine auftreten.
Nicht zu übersehen sind die Anleihen, die Anne McCaffrey bewußt oder nicht aufnahm. Die Hiver und der Krieg gegen sie ähneln den Buggers in Orson Scott Cards "Ender's Game" doch sehr, bis hin zur Raumflotte, die mit der Absicht aufbricht, den Heimatplaneten zu vernichten. Dazu kommt es zwar nicht, denn ein bequemer deux ex machina in Form einer Nova bläst die Hiver in die ewigen Jagdgründe, aber es fällt dennoch auf. Auch das Retten der Königin durch Zara erinnert sehr an Enders Tat. Andererseits kam mir bei dem "pairing"-Projekt sofort Alan Dean Fosters "Nor Chrystal Tears" in den Sinn, wo man eine Verbindung zwischen Mensch und Thranx ebenso erreicht.
Aber was soll's? Das Buch ist deswegen nicht schlechter. Im Gegenteil, es ist wieder ein Erlebnis gewesen, es zu lesen. Zu hoffen bleibt, daß die Trilogie und das noch fehlende "Pegasus In Flight" auch einem deutschen Publikum zugänglich gemacht werden. Vielleicht sogar mit den erstaunlichen Coverillustrationen eines gewissen "Romas".
 
 SX 49


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth