Anne McCaffrey: Die Kristallsängerin / Killashandra
Anne
McCaffrey: Die Kristallsängerin / Killashandra
(Bastei Lübbe 24057 / Heyne 4728)
Eigentlich wollte ich zu diesen schon etwas älteren Büchern
nichts schreiben. Aber dann gingen mir ein paar sehr ärgerliche Dinge
nicht aus dem Kopf, die genaugenommen mit den Büchern selbst gar nichts
zu tun haben. Es machte mich diesmal regelrecht wütend, mit welcher
Achtlosigkeit Verlage SF Bücher gestalten und herausgeben. Man ist
ja von den sogenannten Klappentexten einiges gewöhnt, aber der des
Heyne-Buches "Killashandra" (siehe Rezi im SX 12) übertrifft alles,
was mir bis dahin begegnete, an unverfrorener Ignoranz. Buchstäblich
jedes Wort der Inhaltsangabe ist aus den Fingern gesaugter Quatsch, der
mit dem Roman nicht das mindeste zu tun hat. Ich werde darauf noch genauer
eingehen.
Das Bastei-Buch dagegen tut sich durch eine andere Art Irreführung
hervor. "Ein zauberhaftes Epos, das Fantasy mit Science Fiction verbindet"
prangt auf dem Titelbild. Zauberhaft ist das Buch vielleicht, aber es hat
mit Fantasy so wenig zu tun wie ein bundesdeutscher Politiker mit der Wahrheit.
Der größte Hohn ist jedoch das Titelbild (von Oliviero Berni)
selbst, worauf eine spärlich bekleidete Dame frierend in einem winterlichen
Wald zu sehen ist. Auf dem Planeten Ballybran gibt es weder Wald noch Schnee
noch könnte jemand in dieser Kleidung länger als zehn Minuten
überleben. Außerdem wimmelt es in der mir vorliegenden Ausgabe
von Druck- und Übersetzungsfehlern. Die schlimmsten sind jene, wenn
ständig die Namen der Protagonisten verwechselt werden.
Dabei haben die beiden Bücher über die Kristallsängerin
Killashandra Ree eine solche Verwirrung wirklich nicht verdient. (Selbstverständlich
wird im zweiten Teil von Heyne nicht erwähnt, daß ein anderer
Verlag den ersten herausgab.) Anne McCaffrey hat mit ihnen in bewährter
Weise zwei interessante Romane vorgelegt, deren Handlung eigentlich nicht
auf Action basiert, sondern die sich mit menschlichen Dingen beschäftigen.
An der Person Killashandras und ihrer Erlebnisse wird die seltsame Widersprüchlichkeit
der menschlichen Natur gezeigt, die es immer wieder schafft, Menschen dazu
zu bringen, Dinge zu tun, von denen sie wissen, wie gefährlich sie
sind, die sie aber dennoch nicht lassen können, weil diese Dinge auch
schön sind.
Das Kristallsingen dient als Beispiel dafür. Es ist gleichzeitig
die höchste Erfüllung und der Fluch der Leute, die mit ihrer
Stimme und einem speziellen Schneidegerät die wertvollen Kristalle
auf Ballybran abbauen. Es macht sie krank und zugleich fast unverwundbar.
Es schärft ihre Sinne, doch es kann ihren Geist verändern und
das Gedächtnis trüben.
Killashandra, die zehn Jahre auf dem Planeten Fuerte Gesang studierte
- und nicht etwa eine schwere Jugend auf dem Planeten Ballybran
hatte (wo es übrigens gar keine Kinder gibt), folgt nach dem Scheitern
ihrer Hoffnungen, Opernsängerin zu werden, dem erkrankten Kristallsänger
Carrik, den sie zufällig trifft, auf seinen Planeten. Sie hat dabei
nicht die Absicht, ihre Zukunft zu sichern und ein Vermögen zu
machen, sondern sieht darin die Alternative, ihren Ehrgeiz, an der
Spitze zu stehen, doch noch zu befriedigen. Das wird im ersten Band recht
gut beschrieben. Von den finanziellen Vorteilen - und Problemen - eines
Mitgliedes der Kristallsängergilde wußte sie vorher nämlich
gar nichts. Sie durchstreift auch nicht die Welt Ballybran auf
der Suche nach dem schwarzen Kristall - jedenfalls nicht in dem Buch,
auf dessen Rückseite das behauptet wird. Den findet sie im ersten
Teil schon. Und was dann noch dasteht, von einem Orkan, der die Unterkunft
verwüstet und den kostbaren Kristall zerstört, ist ganz einfach
Blödsinn. Es kommt nicht vor. Doch es geht noch weiter. Killashandra
entdeckt auch nicht, daß sie an der tödlichen Kristallkrankheit
leidet, weil es die gar nicht gibt, und das hat auch keinerlei Bedeutung
für ihr Liebesleben, so daß sie den geliebten Mann
verlassen müßte, um ihn zu retten.
Was geschieht denn nun eigentlich tatsächlich? Im ersten Teil
durchläuft Killashandra nach dem schon erwähnten Wechsel der
Planeten ihre Ausbildung zum Kristallschneider oder -sänger und erledigt
eine außerplanetarische Mission zur Installation der von ihr gefundenen
schwarzen Kommunikationskristalle. Die Dinger haben nämlich eine immense
technische Bedeutung, mit so etwas profanem wie Schmuck läßt
sich in der Galaxis kein Kredit machen. Der zweite Teil dreht sich hauptsächlich
um ihre zweite Mission auf einem anderen Planeten, dessen Regierung die
Bevölkerung durch unterbewußte Manipulation in Schach hält.
Killashandra soll gleichzeitig eine Kristallorgel reparieren und sich ein
wenig umsehen, ob vielleicht Menschenrechte dadurch verletzt werden, daß
kein Bewohner den Planeten verlassen darf. Und da gibt es auch die verknöcherten
Ältesten... Was fällt mir denn dazu gleich wieder ein?
In dem neueren Buch ist schon mehr los: Die Sängerin wird entführt,
auf einer einsamen Insel ausgesetzt, verliebt sich in einen Mann aus dem
Untergrund usw. Natürlich erledigt sie ihren Auftrag und bekommt sogar
den Mann als Bonus dazu, nachdem sie für eine Weile denken muß,
daß er wegen ihr ins Gefängnis wanderte. Aber die Demokratie
siegt selbstverständlich. Zweifellos ist das 1985 geschriebene Buch
in einer bestimmten guten Absicht so angelegt worden, schließlich
war Anne McCaffrey ja auch mal an der Oper in Düsseldorf tätig.
Was die beiden Bücher auch mit ihrem musikalischen Thema deutlich
machen.
(Sheri S. Tepper hat da wohl mit ihrem Buch "Nach langem Schweigen"
nicht nur die Kristallwelt, sondern auch das Kristallsingen in einer etwas
anderen Art aufgegriffen. Es ist schon auffällig, wie sich die beiden
Welten ähneln. Aber doch nicht in einer Art, daß man sagen müßte,
Tepper hätte von der Drachenlady abgekupfert.)
Die beiden Romane von Anne McCaffrey lohnen durchaus das Herumstöbern
in gewissen Bücherkartons, sollten sie noch nicht im Regal stehen.
Man kann sie nur empfehlen.
Aber lest nicht die Klappentexte!
[Crystal Singer, 1982, übersetzt von Barbara Heidkamp 1984, 393
Seiten, DM 8,80]
[Killashandra, 1985, übersetzt von Jürgen Langowski 1990,
397 Seiten, DM 12,80]
SX 46
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