Anne McCaffrey: Die Weyr von Pern
Anne McCaffrey: Die Weyr von Pern
(Heyne 06/5135)
Pern ist womöglich der einzige Science-Fiction-Zyklus, in dem Drachen
eine so große Rolle spielen. Deshalb wird er ja auch oft mit Fantasy
verwechselt. Der neue Roman aus der Serie kann nicht unfantasymäßiger
sein, von Genetik über Raumschiffe bis zur Künstlichen Intelligenz
ist alles vertreten.
Es scheint kein Ende abzusehen zu sein in diesem Zyklus. Mit jedem
neuen Beitrag werden die Bücher zudem immer dicker - aus "Die Weyr
von Pern" hätte man vom Umfang her drei Bände des frühen
Pern-Zyklus machen können. Ob vom Inhalt her auch, ist aber fraglich.
Man kann nicht von vornherein etwas gegen immer dickere Bücher haben,
wenn in denen dann auch etwas drin steht. So ein großer Umfang hat
für die Autoren sicher den Vorteil, daß man Wert auf Details
legen kann, ausführlich über die Dinge reden mag, die einem so
am Herzen liegen. Aber er birgt auch die Gefahr der Langeweile, uninteressanter
Längen, die nichts voranbringen und wenig aussagen.
Als Fan von Anne McCaffrey legte ich mir natürlich das Buch mit
dem schönen Rundumcover von Michael Whelan zu, aber ich zögerte
ein wenig, es anzufangen. Einerseits war es sehr dick, andererseits mußte
ich erst einmal im Zyklus nachblättern, was denn so bisher geschehen
war. Denn das Buch schließt unmittelbar an das letzte an, "Die Renegaten
von Pern". Jene spielen hier zwar keine Rolle mehr, aber der auf dem Südkontinent
entdeckte verfallene Komplex der ersten Siedler.
In einem der dort ausgegrabenen Gebäude findet man eine noch funktionierende
Computeranlage, eigentlich eine Küntliche Intelligenz, die sich Akki
nennt. Als die Menschen unabsichtlich ihre Solarzellenflächen freilegen,
erwacht sie zum Leben. Akki nimmt Kontakt mit den Leuten von Pern auf und
beginnt sofort, diese so zu manipulieren, daß er/es seine ursprüngliche
Aufgabe erfüllen kann - die Fädengefahr für Pern ein für
alle Mal zu bannen. Das ist ja ganz erfreulich, auch wenn leise Zweifel
laut werden, was denn die Drachen und Drachenreiter nach der Vernichtung
der Fäden, die sie seit Jahrtausenden bekämpfen, machen sollen.
Aber Akki bringt den Menschen von Pern, die eigentlich in einem technologischen
Mittelalter leben, in einer so rasanten Folge sämtliche Segnungen
der kosmischen Zivilisation zurück, die sie einst hierher brachte,
daß es selbst der Autorin ein wenig dick aufgetragen schien. Sie
entschuldigt sich quasi in einem Vorwort dafür, was die blitzartigen
Errungenschaften der Perner nicht viel glaubwürdiger macht. Akki peitscht
die Menschen - jedenfalls einige Auserkorene - in wenigen Jahren auf ein
Niveau, auf dem sie nicht nur PCs aus Einzelteilen zusammenbauen können,
sondern auch in der Lage sind, die im Orbit kreisenden Kolonieraumschiffe
wieder zu aktivieren. Alles zielt daraufhin ab, den Ursprungsplaneten der
Fäden, die Pern in periodischen Abständen verwüsten, in
eine andere Umlaufbahn zu drängen! Dazu schafft man die Antimaterietriebwerke
der drei Raumschiffe auf seine Oberfläche und läßt sie
explodieren.
Ob selbst eine so gewaltige Explosion ausreichte, um gleich die Umlaufbahn
eines Planeten zu verändern, ist doch ein wenig zweifelhaft. Es drängt
sich außerdem die Frage auf, warum die frühen Menschen und mit
ihnen Akki nicht auf eine andere Lösung verfielen, die angesichts
ihrer ursprünglichen Möglichkeiten doch viel näher liegen
würde. Da die Fäden eine Lebensform sind, könnte man sie
mit einer genetisch maßgeschneiderten biologischen Waffe auf ihrem
Herkunftsplaneten leicht ausrotten; man hat es ja auch fertiggebracht,
die Drachen aus den kleinen Feuerechsen zu züchten. Eine Variante
dieser Lösung wird nur als eine Art Reserve zum Einsatz gebracht.
Die Handlung des Buches überdeckt diesmal mehrere Jahre, die Akki
benötigt, um die Menschen für den großen Plan fit zu machen.
Der Leser begegnet den altbekannten Figuren, die sich in den späteren
Folgen des Zyklus' als die Haupthelden herauskristallisierten. Die Drachenreiter
und Harfner haben wie üblich vor allem mit dem Problem des Widerstandes
in den eigenen Reihen zu kämpfen: die Konservativen, die einfach nur
Dummen und Ewiggestrigen haben etwas dagegen, daß sich das Leben
auf Pern ändert, daß man von einer Maschine lernt, was Generationen
in Vergessenheit geraten ließen. Diese Kräfte schrecken auch
vor Sabotage und Gewalt nicht zurück. Es sind eher die zwischenmenschlichen
und gesellschaftlichen Probleme, welche die Handlung vorantreiben; die
technische Ausführung des von Akki verfolgten Projektes ist dabei
eigentlich zweitrangig.
Die Glaubwürdigkeit des Plots wird wieder etwas dadurch verbessert,
daß sich die KI am Ende nach erfüllter Aufgabe selbst abschaltet.
Sie scheint begriffen zu haben, daß es nicht im Sinne der Menschen
ist, sie weiterhin mit Informationen zu überhäufen, die sie eigentlich
gar nicht brauchen. Die Gefahr einer Bevormundung oder Abhängigkeit
deutete sich bereits an.
Es ist wohl klar, daß die ganze Aktion gelingt, wobei der Weiße
Drache von Pern und sein Reiter eine große Rolle zu spielen haben.
Wie wird es nun weitergehen auf Pern? Es ist müßig, sich jetzt
zu fragen, ob der Zyklus abgeschlossen sei, denn "The Dolphins of Pern"
sind schon angekündigt. Dieses Buch wird offensichtlich eine Einzelheit
aufgreifen, die seit der Episode über die Landung der ersten Siedler
scheinbar in Vergessenheit geraten war: die von ihnen mitgebrachten intelligenten
Delphine. Im vorliegenden Buch tauchen sie schon mal am Rande wieder auf,
als mysteriöse Fische, die eine Bootsbesatzung retten.
Anne McCaffrey hat in "Die Weyr von Pern" die Handlung des neuzeitlichen
Pern zu einer Art Abschluß gebracht, die mit dem unerwarteten neuen
Fädenfall begann und mit der Entdeckung der ersten Siedlung auf dem
Südkontinent, bzw. der Vernichtung der Fäden endete. Die Geschichte
Perns ist lang genug, um noch dutzende Stories herzugeben, aber die würden
dann nicht so recht in dieses Konzept passen. Bisher wurde die Handlung
nicht langweilig, obgleich sich einiges doch ähnelte, vor allem die
Schwierigkeiten der fortschrittlichen Kräfte mit den Konservativen.
Aber das ist ja auch richtig so, mit einem Schlag lassen sich eben auch
in der Wirklichkeit nicht alle Probleme lösen.
Vermißt habe ich in dem Band (im Gegensatz zu früheren)
eine Einführung, welche das bisherige Geschehen kurz zusammenfaßt,
und eine Zeittafel, bzw. ein Personenregister. Bei der Länge des Zyklus
einerseits und den vielen handelnden oder nur erwähnten Figuren andererseits
fällt ein Überblick doch etwas schwer. Auch die Karte von Johann
Peterka und Erhard Ringer hätte längst einer gründlichen
Überarbeitung bedurft, da sich das Geschehen seit einigen Bänden
hauptsächlich auf dem Südkontinent abspielt, den sie praktisch
nicht erfaßt. Aber man kann nicht alles haben.
[All the Weyrs of Pern, © Anne McCaffrey 1991, übersetzt von Irene Holicki 1994, 655 Seiten, DM 16.90]
SX 57
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