Anne McCaffrey & Elizabeth Ann Scarborough: Powers That Be

Anne McCaffrey & Elizabeth Ann Scarborough: Powers That Be
(Del Rey Books 1993, 374 Seiten, $ 5.99)


Zuerst freute ich mich noch darüber, einmal einen Roman Anne McCaffreys ergattert zu haben, der offenbar nicht zu einem Zyklus gehört. Aber natürlich braucht ein sich gut verkaufendes Buch auch mindestens eine Fortsetzung: das gerade als Hardcover erschienene "Power Lines" ist sogar mit einer Leseprobe vertreten. Na gut, man will ja am Ende doch wissen, wie es weitergeht.
Schauplatz der Handlung ist ein Eisplanet, auf dem dennoch genetisch angepaßtes irdisches Leben existiert. Er wurde nämlich von einer allmächtigen und allgegenwärtigen "Company" terraformt, um bequem seine Bodenschätze ausbeuten zu können. Die Einwohner, eine Mischung aus ehemaligen Eskimos und Iren, sind nominell alle Angestellte der Firma, was sie aber nach mehreren Generationen kaum noch interessiert.
Auf diese Welt schickt die Firma Major Yanaba Maddock, die bei einem "terroristischen Anschlag", der eigentlich die Verzweiflungstat der Bevölkerung einer anderen ausgebeuteten und unterdrückten Welt war, Giftgas einatmete und einen schweren Lungenschaden davontrug. Sie soll in der reinen Luft eine größere Überlebenschance haben, sagen ihr die Chefs, die insgeheim davon überzeugt sind, daß sie sterben wird. Aber bis dahin soll sie noch ein wenig unter den Einheimischen spionieren, denn auf Petaybee geht anscheinend nicht alles mit rechten Dingen zu. Erkundungsgruppen verschwinden in der eisigen Einöde oder die Überlebenden solcher Teams kommen geistig verwirrt zurück. Scheinbar existieren auch Tiere, die es eigentlich nicht geben sollte - wie z.B. Einhörner.
Widerwillig fügt sich Yana den Befehlen und läßt sich in einem Dorf nieder, wo sie überaus herzlich und hilfsbereit aufgenommen wird.
Es ist also wieder mal ein Buch über den bösen Kapitalismus, der im Weltall der Zukunft ganz und gar über die Stränge schlägt. Das scheint ein Hauptthema der jüngeren Werke amerikanischer Autorinnen und Autoren zu sein. Man kann nur vermuten, was die Ursache dafür ist, daß heute kaum noch Bücher zu finden sind, in denen darauf verzichtet wird, einen oder mehrere weltbeherrschende Konzerne darzustellen. Jedenfalls eine Zukunft, die nicht gerade golden erscheint.
Das Rätsel des Planeten ist buchstäblich genau das: Der Planet selbst entpuppt sich als ein lebendes - und denkendes - Wesen, mit dem die Bewohner in einem gewissen Kontakt stehen. Der Planet hilft ihnen und den Tieren, sich weit mehr an sein Klima anzupassen, als die Terraformer und Genetiker eigentlich vorgesehen hatten.
Nur hat er etwas dagegen, daß die Company sein Material ausgräbt und ins All verschifft. Es kommt, wie es kommen muß: Der Konflikt eskaliert, als die companyeigene Armee landet, um ihr endlich die erhofften Profite zu sichern. Der Planet wehrt sich mit seinen Mitteln, was man unsinnigerweise den Einwohnern in die Schuhe schiebt. Major Maddock, die ganz auf deren Seite steht, versucht zu vermitteln und gerät selbst in Schwierigkeiten. Sie scheitert an der bornierten Sturheit der Funktionäre - wobei deren Hauptcharakter in seiner Art Verfolgungswahn beinahe unglaubwürdig wirkt. (Aber man braucht ja nur auf gewisse Ämter zu gehen, um festzustellen, daß es im Gegenteil mitten aus dem Leben gegriffen ist.) Erst das unverhoffte Auftauchen eines verständnisvolleren höheren Firmenvertreters rettet die Situation - wenigstens vorläufig.
Der Konflikt des Romans besteht also in einer schon althergebrachten Situation: Die nach Unabhängigkeit und Freiheit strebende "Kolonie" gegen den ausbeuterischen "Mutterplaneten", der manchmal die Erde an sich ist, manchmal eine mächtige Firma oder Organisation wie in diesem Fall. Es ist eine recht einfache Möglichkeit, verschiedene Probleme zu erzeugen, die realistisch genug wirken, um nachvollziehbar zu sein. Allerdings besteht auch die Gefahr des Schematismus, der plakativen Wirkung solcher Konstellationen. Daß der Ausgang nicht notwendigerweise positiv für die Kolonie sein muß, beweist ja u.a. der kürzlich von mir besprochene Roman "Red Mars" von K. S. Robinson.
Auch im Falle des vorliegenden Buches wird nur eine Art Unentschieden erreicht - die schon erwähnte Leseprobe deutet darauf hin, daß es nicht lange so bleiben wird.
Trotz dieser konventionellen Hintergründe der Handlung besitzt "Powers That Be" auch eigene Elemente, die es davor bewahren, im Einheitsbrei zu versinken. Planetarische Wesenheiten sind in der SF doch vergleichsweise selten - obwohl es sie natürlich mehrfach gibt. Die Schilderung der Eiswelt und der Lebensumstände auf ihr ist sehr eindrucksvoll gelungen, auch die Charaktere sind mit Geschick angelegt: interessant, geheimnisvoll; und die Bösen so fies, daß man sich angemessen ärgert. Die Dorfgemeinschaft von Petaybee ist geradezu utopisch und steht damit automatisch im krassen Gegensatz zur Außenwelt der Company.
Es gibt verschiedene Spannungselemente in der Handlung, die vor allem durch die Rätsel des Planeten gesetzt werden, in die Yana langsam eindringt, aber natürlich auch durch den äußeren Konflikt. Zwar kommt das Buch zu einem gewissen Abschluß, doch es ist klar, daß die Fortsetzung von Anfang an geplant war.
Bleibt nur noch, etwas zum Titel zu sagen. "Powers That Be" ist eine Redewendung, die sich schlecht übersetzen läßt. Sie bedeutet in etwa soviel wie "Mächte, die da sind" und bezieht sich sowohl auf die geheimnisvollen Mächte, die auf - bzw. in - dem Planeten am Wirken sind, als auch auf die Mächte in der Company, deren Wirkung die Menschen scheinbar hilflos ausgeliefert sind. Petaybee, der Name des Planeten, kommt von der Abkürzung PTB (Planet Terraformation B), welche von den Bewohnern aber wiederum als Powers That Be interpretiert wird, womit sie natürlich nicht die Company meinen. Der etwaige Übersetzer des Buches ist um die Probleme, die sich aus diesem Wortspiel ergeben, nicht zu beneiden.

Der Roman hat übrigens auch eine besondere Entstehungsgeschichte. Anne McCaffrey besuchte einst Alaska, wo zu der Zeit Elizabeth Ann Scarborough lebte, und erlebte mit ihr die Abenteuer, die Fairbanks im Winter so zu bieten hatte. Anfang 1992 lud McCaffrey die andere Autorin nach Irland ein, wo sie bekanntlich lebt, und da wuchs die Idee zu diesem Buch schließlich trotz beider geschäftiger Arbeit. Sie fingen an, am Manuskript zu schreiben und sich beim Frühstück darüber zu unterhalten. Vor dem Ende von Scarboroughs Besuch war es fertig, und zwei weitere Bände werden auf ähnliche Weise entstehen.
E. A. Scarborough ist hierzulande auch keine Unbekannte mehr, bei Fischer erschienen in der Bibliothek der phantastischen Abenteuer von ihren bisher zwölf Romanen die "Geschichten aus Argonia" (Zauberlied, Einhorncodex, Bronwyns Fluch, Die seltsamen Taufgäste) und "Aman Akbars Harem". Das Heyne Lexikon führt sie allerdings (noch) nicht auf. Für "The Healer's War" gewann sie 1989 den Nebula Award. Sie lebt heute mit drei Katzen (sicher kein Wunder, daß in dem Buch massenhaft Katzen vorkommen) in einer Holzhütte im Puget Sund Gebiet.

SX 57


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