Anne McCaffrey & Jody Lynn Nye: Carialle - Das Raumschiff, das siegte
Anne McCaffrey & Jody Lynn Nye: Carialle
- Das Raumschiff, das siegte
(Bastei Lübbe 24196)
Da ich seit dem Schiff, das sang, vom Shellperson-Zyklus einigermaßen
angetan bin, kaufte ich natürlich auch "The Ship Who Won" - und weil
es gerade da und auch schön billig war, auf Deutsch. Hätte ich's
mal lieber bleiben lassen! Herrn Tegtmeiers Übersetzung strotzt wieder
einmal von Schlampigkeiten, und das Buch in Frankreich drucken zu lassen,
hat dem Text wohl auch ein paar Fehler mehr beschert. Einzelne Sätze
sind aus dem einen oder dem anderen Grund gar nicht verständlich.
Na gut, dafür hat Bastei das ehemalige Titelbild (Tim White) des
legendären Heyne SF Lexikons in viel besserer Qualität neu verwendet
- wie das mit den Rechten geht, ist mir allerdings ein Rätsel. Vielleicht
ist es ja Public Domain? Daß die Bilder bei Bastei nicht die Absicht
haben, den Inhalt zu repräsentieren, weiß man inzwischen und
erduldet es leise weinend.
Genug des Geschimpfes. Jedenfalls vorerst. Die Handlung um das Gehirnschiff
Carialle und seinen Partner Keff beginnt unmittelbar nach dem Ende von
"Channa" (Ich wage nicht, den bekloppten deutschen Titel auszuschreiben).
Auf derselben Raumstation, die Brennpunkt der Ereignisse jenes Buches war,
halten sich Keff und Carialle kurz auf. Aber sie werden von einem etwas
verrückten Beamten vergrault, der Carialle seit Jahren nachstellt,
weil er sie unter Vorwänden aus dem Verkehr ziehen will. So müssen
sie sich mit knappen Vorräten davonstehlen - was jedoch für die
Handlung gar keine Bedeutung hat.
Bald landen sie auf einem lauschigen Planeten, der ihre Hoffnung, endlich
eine der Menschheit ebenbürtige Rasse zu finden, zu erfüllen
scheint. Es verwirrt ein wenig, daß Carialle und Keff ihre Freizeit
während des Fluges damit zubringen, eine Art Fantasy-Rollenspiel zu
spielen, scheinbar in einer Virtuellen Realität. Diese wird allerdings
recht dilettantisch und oberflächlich geschildert. Verwirrung setzt
deshalb ein, weil es auf dem Planeten Ozran offenbar echte Magie zu geben
scheint. Für einen Augenblick fragt man sich als Leser, ob es da Zusammenhänge
gibt - aber nein. Wieder etwas, das gar keine Rolle mehr spielt.
Das Spiel setzt sich so fort. Die Bewohner, die manchmal mit tierähnlichen
Köpfen und Fell herumlaufen, manchmal in Sesseln magisch herumfliegen,
sind Nachfahren eines dieser genreüblichen "verlorenen Kolonieschiffe".
Die Magie hängt irgendwie mit Energiestößen und Ausbrüchen
zusammen, die nur oberflächlich beschrieben werden. Harte SF ist das
zumindest nicht. Die Gegenstände, mit deren Hilfe Magie gemacht wird,
sind von Alten und Ahnen überliefert, die nichtmenschlicher
Natur waren. Spätestens hier setzt das Gähnen dann doch ein.
Arthur Clarke läßt grüßen. (Technologie auf einem
bestimmten Entwicklungsstadium wird ununterscheidbar von Magie.)
Es kommt, wie es kommen muß. Held und Heldin verstricken sich
in die Geschicke der Planetenbewohner - zufällig just in dem präzisen
Augenblick ihrer vieltausendjährigen Geschichte, als der Energiegenerator
wegen Überlastung hochzugehen droht. Es stellt sich heraus, daß
man lange Zeit eine Anlage mißbrauchte, die eigentlich zur Wetterkontrolle
gedacht war, und damit die Umwelt schädigte. Vor lauter wackelnden
Zeigefingern konnte ich das Buch kaum noch sehen.
Und es geht weiter, wie es weitergehen muß. Carialle und Keff
überzeugen im Handumdrehen wichtige Persönlichkeiten, ihr bisheriges
Leben aufzugeben und fortan genügsam zu sein. Der ganze Planet ändert
seine Daseinsweise quasi über Nacht, die Unterdrückten und Verdummten
werden emanzipiert, die unglücklich Liebenden ihrer wahren Bestimmung
zugeführt und die Ahnen aus dem Sumpf geholt, wo sie seit Jahrhunderten
darauf warten, daß man sie wieder an ihren Generator läßt.
Trotz der recht oberflächlichen Konzeption und der etwas wirren
Verarbeitung kann man das Buch noch lesen; man darf aber wirklich keine
hohen Ansprüche stellen. Wenn das so weitergeht, sollte man den Zyklus
wohl endlich zu den Akten legen. Die Idee der Shellpersonen hat sich ohnehin
erschöpft, falls der Stoff nicht durch ein paar wirklich interessante
Abenteuer untermauert wird, gibt er nichts mehr her. Und irgendwann wird
auch unglaubwürdig, daß die großen Helden immer nur Frauen
sind.
[The Ship Who Won, © Bill Fawcett and Associates 1994, übersetzt von Ralph Tegtmeier 1995, 380 Seiten, DM 9.90]
SX 61
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