Anne McCaffrey: The Rowan

Anne McCaffrey: The Rowan
(Corgi Books, 1990)


McCaffrey? Ach, die mit den Drachen, dachte ich, als ich in Leipzig in der Bahnhofsbuchhandlung dieses Buch sah. (Dort gibt es nämlich schon englische Bücher zu kaufen. Na ja, Halle ist ja eh nur noch Provinz...). Da mir der Drachenzyklus von Pern bisher doch zu umfangreich war, um ihn zu kaufen, kannte ich von Anne McCaffrey eigentlich noch nichts. Trotzdem kaufte ich in einem Anflug partiellen Wahnsinns das 18.90 DM teure Buch aus dem Hause CORGI BOOKS. Nun, ich wurde nicht enttäuscht. Nicht einmal vom Text auf dem Rücktitel, wo es heißt, "The Rowan, a new concept, a new legend...", denn tatsächlich bietet McCaffrey genau das an: ein neues Konzept, und eine neue Legende.
Der Roman ist reine space fiction mit einer starken Betonung von psi-Elementen. Die Autorin geht davon aus, daß man die sogenannten psi- (oder esp) Begabungen bei bestimmten Menschen irgendwann wirklich wissenschaftlich nachweisen konnte. In der Folge wurden sie entwickelt. Das ist allerdings eine kleine Schwäche des Buches, die es mit allen mir bekannten, ähnlich gelagerten Werken gemeinsam hat. Es ist für mich wenig plausibel, wie der bloße Nachweis der tatsächlichen Existenz solcher außersinnlichen Phänomene dazu führen soll, daß sie sich plötzlich ungeheuer verstärken und für viele nutzbar werden. Aber was solls, SF geht ja eben davon aus, daß man sagt, angenommen, es wäre soundso, was passierte dann weiter? Auf Grund dieser Ausgangssituation entsteht eine menschliche Gesellschaft, in der die Talente (so der übliche Name für die psi-begabten Menschen) eine Schlüsselrolle spielen. Sie sind nicht die Freaks und Außenseiter, sie werden nicht gejagt oder mißtrauisch belauert. Nein, ihre vielfältigen Kräfte, die von Telepathie über Teleportation und Telekinese bis zum Wahrsagen und Wettervorhersagen reichen, werden von der Gesellschaft konsequent genutzt. Das geht bis zur regelrechten Ausbeutung. Diese Konsequenz ist es auch, die das "neue Konzept" McCaffreys im wesentlichen ausmacht. Sogar der Raumflug basiert in ihrer Welt auf Telekinese. Die Helden und vor allem Heldinnen des Romanes sind für die Aufrechterhaltung der teleportiven Verbindung zwischen einer Reihe von Kolonialwelten verantwortlich.
Das Buch schildert die ersten 25 Lebensjahre eines hochbegabten Talents, eines Primus (prime im Original, aber Premier wird ja wohl kaum gemeint sein). Das Mädchen wird im Alter von drei Jahren von einer Schlammlawine verschüttet, die seine ganze Familie und eine Bergbausiedlung auf Altair auslöscht. Nach dieser Siedlung, Rowan, (Eberesche) nennt es sich fortan, denn es hat das Gedächtnis verloren. Doch des Mädchens Talent wird entdeckt, da es telepathisch um Hilfe ruft und mit dem "Gebrüll" fast den Planeten lahmlegt. Eine alte Seherin findet das verschüttete Kind und gibt gleich noch eine Weissagung von sich, die sein Schicksal bestimmen soll. Im folgenden erlebt der Leser die Ausbildung Rowans mit, die Fürsorge, mit der die Administration von Altair sie umgibt, denn man ist stolz auf das erste planeteneigene Primus-Talent. Eigentlich gibt es gar keinen festen Handlungsfaden, keine unmittelbare Gefahr für das Universum, die Rowan abwehren müßte, keine Neider und Feinde, die ihr übelwollen. Und doch liest sich der Text ungeheuer spannend. Nicht nur die totale psi-Verflechtung in allen Lebensbereichen ist immer wieder interessant, die streckenweise episodenhafte Schilderung der Entwicklung des Mädchens reicht aus, um Spannung zu erzeugen.
Schließlich wird sie mit 18 zum Callisto beordert, um dort einen Turm zu übernehmen, der dem Teleport von Gütern aus dem Sonnensystem hinaus und umgekehrt dient. Sie ist Primus und hat offensichtlich alles, was sie sich wünschen kann. Doch sie ist einsam. Kein Mann, kein Gleichrangiger, mit dem sie auf ihrem Niveau kommunizieren könnte. Und die Aufgabe ist auch nicht gerade aufregend.
Nun steigert sich die Handlung doch noch zur action, zum durchgehenden Faden. Ein erster Höhepunkt wird erreicht, als Rowan den Einsatz aller anderen Primusse koordinieren muß, um dem Primus vom Deneb zu helfen, einen Angriff spinnenartiger Aliens abzuwehren. Das gefährliche Unternehmen gelingt und Rowan findet sogar ihre Liebe in Jeff vom Deneb. Aber sie kann nicht zu ihm, denn anscheinend leiden Primusse alle unter akuter Platz- und Weltraumangst. Ihr Kampf gegen diese - wie sich herausstellt, nur eingeredete - Angst steigert die Spannung weiter.
Jeff wird verletzt und Rowan überwindet sich und beweist, daß Raumreisen auch für die hochtalentierten Primusse nicht unmöglich sind. Dann eskaliert alles, als die Spinnen zurückkehren und wegen ihrer ersten Niederlage inzwischen echt böse geworden sind. Jetzt erfüllt Rowan auch die Weissagung und wird zum Brennpunkt aller menschlichen psi-Kräfte, die vereint eingesetzt werden, um den Feind zu vernichten.
Ein Buch, von dem ich nicht mehr loskam, bis ich es ausgelesen hatte. Und da die Autorin eine bekannte ist, darf man erwarten, daß es bald in deutscher Sprache vorliegt. Vielleicht läßt man es bei dem Titel, vielleicht nennt man es "Esche" oder so, von Titeln ist der deutsche Leser ja einige Schocks gewöhnt. Auf jeden Fall meine Empfehlung: watch out for THE ROWAN! 

SX 19


 

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