Bruce Bethke: Headcrash
Bruce Bethke: Headcrash
(Orbit 1995, 343 Seiten, £ 5.99)
Endlich mal ein Cyberpunk-Roman, den man sogar lesen kann. Außerdem
einer, der das Subgenre nicht besonders ernst nimmt. Bethke nervt den Leser
nicht mit Gibsons chaotisch-zusammenhanglosem Romanaufbau, sondern schreibt
eine lineare Handlung. Darüber regt sich der erzählende Held,
Jack Burroughs, gleich am Anfang auf. Kein Hypertext, sondern lineares
Erzählen! Igitt. Wie man am Schluß sieht, ist Jack dann nicht
gerade in der Situation, auf besondere High-Tech zurückgreifen zu
können.
Anfangs arbeitet er noch als unterster Netzwerkbetreuer für eine
dieser großen Corporations. Die Beschreibung der Arbeitswelt ist
recht beängstigend. Na ja, kommt auf den Standpunkt an. Für Unternehmer
wird das wohl eher ein Traumparadies sein. Bethke überzeichnet natürlich
sehr stark, denn der Roman ist mehr eine Satire. Mit viel Witz beschreibt
er die abstrusen Auswüchse der firmeninternen Intrigen und der Ausbeutung.
Bald kommt Jack mit einer neuen Vorgesetzten in Konflikt, die ihn von
früher her schon haßt, und wird gefeuert. Ihm bleibt zu Hause
nur, seinen Computer anzuschalten und in den Cyberspace abzutauchen. Auf
der Suche nach einer neuen Tätigkeit wird ihm in seiner Identität
als MAX_KOOL ein zwielichtiger Job angeboten: Datenklau bei einer Firma
- zufällig (?) seiner ehemaligen. Zu diesem Zweck rüstet ihn
sein Auftraggeber mit einem neuen Interface aus, einer Art Datenanzug.
Wie in solchen Büchern üblich, handelt dann auch ein großer
Teil in der virtuellen Realität, mit der Bethke durchaus auch kritisch
umgeht. So widerlegt er praktisch nebenbei die Möglichkeit eines tödlichen
Feedbacks als Abwehr gegen Hacker, von der in anderen Werken des Genres
oft die Rede ist. Gemeint ist damit, Hochspannung bis zum Hacker zurück
zu jagen und ihn damit physisch zu vernichten. Allein der Einsatz von fiberoptischen
Kabeln würde das unmöglich machen, ganz abgesehen davon, daß
die Bauteile von Computern sofort durchbrennen und als Sicherungen wirken
würden.
Max Kool wird durch das neue Interface zum Superuser, was ihm aber
nur Probleme bringt. Am Ende ist natürlich alles fast so, wie man
es bereits vermutet, wenn man das Strickmuster ähnlicher Bücher
kennt, die mit der Gefahr von verdeckten Identitäten und anonymen
Geschäftemachern im "Netz" plausibel spielen. Jack/Max wird nur benutzt,
er ist der Dumme, den man aus dem Cyberspace buchstäblich auf eine
einsame Insel verbannt. Das Geld kassieren andere, die er für seine
Freunde hielt.
Im Gegensatz zu sonstigen Cyberpunk-Welten haben wir es diesmal nicht
mit so einem schmutzigen Blade-Runner-Verschnitt zu tun, sondern mit einer
recht realistisch ausgemalten Zukunft, wo die "Punker" eher mit unseren
heutigen Ravern vergleichbar sind. Die humorvolle Schreibweise sorgt dafür,
daß man sich von diesem Buch gut unterhalten lassen kann. Streckenweise
scheinen die virtuellen Szenen stark von "Doom" oder seinen Nachfolgern
inspiriert zu sein. Vielleicht hat deshalb Joel Rosenberg gesagt: "Gebt
acht, Bruce Sterling, William Gibson und John Shirley. Hier kommt Bruce
Bethke. Und er hat eine Kettensäge."
Dabei überwiegt die witzige Sprache aber die virtuelle Gewalt.
Und selbst die Mission, auf die Max Kool geschickt wird, ist nicht gerade
ernst und von weltrettender Wichtigkeit. Ein Buch muß vor einem Plagiator
gerettet werden.. Im eigenen Cyberspace des berühmten, aber klauenden
Autors findet Bruce Bethke ausreichend Gelegenheit, noch ein paar bunte,
surreale Szenen auszumalen, bevor der Schluß ganz im Chaos versinkt.
Jack verliert wohl ein wenig den Halt an der Realität, und man weiß
nicht so recht, was nun virtuell oder real ist. Was soll man auch von einer
"Verschwörung Die In Wirklichkeit Die Welt Regiert" halten, die über
Jack/Max zu Gericht sitzt, weil er schlimme Dinge mit Computern angestellt
hat? Ach ja, die Verschwörer scheinen auch Computer zu sein, obwohl
Bethke da etwas verschwommen bleibt. Zum Glück glauben sie, daß
selbst der größte Idiot eine zweite Chance verdient, so daß
Jack physisch relativ intakt davonkommt - jedoch auf eine Insel deportiert.
Nun, daß man dieses Buch mehr zum Spaß lesen sollte, merkt
man schon an den allerersten Zeilen:
C:\DOS
C:\DOS\RUN
RUN, DOS! RUN!
SX 78
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