C. J. Cherryh: Tripoint
C. J. Cherryh: Tripoint
(Warner Books 1994, 361 Seiten, $ 5.99)
Mit "Tripoint" kehrt Cherryh zurück in ihr Pell-Universum, um eine
weitere Geschichte zu erzählen, die von den Menschen handelt, welche
dieses überaus komplexe und ausgefeilt erdachte Universum bevölkern.
Hier näher auf den gesamten Zyklus einzugehen, würde viel zu
weit führen, so vielschichtig und ausgedehnt ist er. Es gibt kaum
zusammenhängende Handlung zwischen den Büchern, einige Ausnahmen
wie die Cyteen-Trilogie bestätigen eher die Regel. Der Hintergrund
ist allerdings immer der gleiche. Meist spielt sich die Handlung im oder
nach dem Krieg der Union und der Allianz ab, bei dem die Raumflotte eine
äußerst mysteriöse Rolle einnahm. Die Kräfte in diesem
Universum sind sehr verschiedenartig: Es gibt die Erde, die jedoch keinen
politischen Einfluß mehr auf die anderen Welten hat, die Händlerschiffe,
welche in der Regel im Besitz von Familien sind, die anderen Planeten wie
Pell und die riesigen Raumstationen. Und dann gibt es noch jene, die im
Dunkel agieren - die Flotte mit ihren einzelnen Fraktionen. Die Kapitäne
Mazian und Mallory sind regelrechte lebende Legenden.
Cherryh versteht es nun immer wieder, vor dieser gewaltigen Kulisse
Geschichten zu erzählen, die auf der ganz persönlichen, individuellen
Ebene erlebt werden. Ihre Helden - und Heldinnen - sind meist Raumfahrer
in verschiedenen Situationen und Positionen, mal Militärs bei der
Flotte, mal Handelsschiffer. Was sie alle gemeinsam haben, ist ein ziemlich
hartes Problem. Man möchte meinen, in Cherryhs Welt gibt es kaum Freude
und Liebe, so schlimm sind die Abgründe, in die sie ihre Protagonisten
stößt. Immer müssen sie sich durch diverse Leiden kämpfen,
bevor sie halbwegs an ein glückliches Ende kommen. Es sind fast nie
richtig heldische Helden, in der Regel bevorzugt Cherryh den eher schwachen
Typ, der erst einmal völlig hilflos allen Qualen ausgesetzt ist. Freilich
triumphiert der Held ganz am Ende dann doch - wenn auch meistens nicht
so, wie man das als Leser vielleicht vorauszusehen meint. Die unerwarteten
Wendungen, die sich puzzleartig vereinenden Einzelheiten sind ein weiteres
Charakteristikum von Cherryhs Romanen.
In "Tripoint" geht es um den 23jährigen Tom Hawkins von der Sprite,
dessen Mutter Marie einst von einem anderen Handelsschiffer vergewaltigt
wurde - jedenfalls sieht sie es so. Noch nach Jahrzehnten sinnt sie auf
Rache. Und als man schließlich durch Zufall auf Austin Bowes Schiff
trifft, scheint der Moment gekommen. Doch dann geht alles schief. Tom wird
gegen seinen Willen an Bord von Bowes Corinthian genommen, die daraufhin
überstürzt nach Pell abfliegt. Da Bowe außerdem noch in
dunkle Geschäfte mit der Flotte verwickelt ist, kompliziert sich die
Lage Seite um Seite. Tom lernt an Bord seinen Vater und Halbbruder kennen
und lebt sich gezwungenermaßen ein.
Im Laufe des Buches zeigt sich, daß wieder einmal nichts genau
so ist, wie es am Anfang schien. Eine kleine Lektion darüber, daß
man nicht unbedingt alles glauben soll, was einem erzählt wird, vor
allem, wenn es um andere Menschen geht. Die Position der Gegenseite kann
eine ebenso vernünftige und logisch überzeugende sein. Außerdem
stellt sich heraus, daß es im Dunkel da draußen weit größere
Gefahren gibt als die halbverrückte Marie Hawkins.
Cherryh schneidet in diesem Buch eine ganze Reihe von zwischenmenschlichen
Problemen an, die in ihrer Darstellung von Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen
zeugen. Das Verhältnis Maries zu ihrem Sohn ist eine Studie in Zwiespältigkeit.
Sie ist nicht in der Lage, ihm so etwas wie Mutterliebe zu geben, aber
sie kann ihn auch nicht um Austin Bowes willen hassen. Auch Christian Bowe,
der Halbbruder, ist nicht gerade das Produkt einer Liebesbeziehung. Seine
Mutter benutzt Sex nur als Mittel ihrer Machtspielchen an Bord der Corinthian.
Wie immer sind Cherryhs Charaktere außerordentlich scharf gezeichnete,
einprägsame Individuen. Sie bringt es immer wieder fertig, eine Story
so zu erzählen, als ob man sie erlebt - und da weiß man eben
nicht immer, was die anderen Figuren eigentlich motiviert. Kein überschlauer
Autor, der einem verrät, was man denken soll, das muß man schon
selbst besorgen. Die Konflikte, in denen sich die Helden finden, sind einerseits
sehr menschlich und alltäglich, andererseits in diesem Kosmos fremdartig
genug, um nicht banal zu wirken.
Manchmal erscheinen die seelischen und körperlichen Qualen der
Protagonisten etwas übertrieben, das Mißtrauen in ihre Mitmenschen
zu exzessiv. Aber wie eines das andere bedingt, so steigert diese Besonderheit
natürlich auch die Spannung des Buches. Man kann als Leser nie sicher
sein, welche Wendung das Geschehen nehmen wird, was einem Helden noch alles
zustoßen kann - oder umgekehrt, wie überraschend er plötzlich
gerettet werden wird.
Bald wird der Roman auch auf Deutsch erscheinen, dessen kann man sicher
sein. Wie jeder andere SF-Roman Cherryhs ist auch dieser absolut empfehlenswert.
SX 74
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