Christopher Pike: The Cold One

Christopher Pike: The Cold One
(Tor Horror 1995, 394 Seiten, $ 5.99)

Vermutlich muß "The Cold One" mit "Das Kalte" übersetzt werden, denn die damit gemeinte Person denkt von sich als "Es", bzw. wird so bezeichnet, wenn sie als das Kalte handelt. Andererseits ist diese Person allerdings eine Frau, deren Identität erst spät in dem Roman aufgedeckt wird, obwohl man es schon eine Weile vorher ahnt.
Das Kalte hat übernatürliche Kräfte und keinerlei Emotionen - außer dem Wunsch, Menschen zu töten. Zu diesem Zweck braucht es ihnen nur seinen Atem einzuhauchen, vorzugsweise bei einem Kuß oder der Mund zu Mund Beatmung. Es ertrinken nämlich verdächtig viele Leute in diesem Buch an der Küste von L.A.. So beatmet, sterben die Menschen entweder sofort oder sie verwandeln sich in Bestien, innerlich zumindest. Das ist dem Kalten egal, solange die überlebenden Opfer sich damit beschäftigen, andere Menschen in Stücke zu reißen, aufzufressen oder auszusaugen.
Eine solche Mordserie ruft natürlich die Polizei von L.A. auf den Plan, die aber in dem Buch nur eine Nebenrolle spielt. Eine Hauptgestalt ist der Journalist Peter Jacobs, der mit den Polizisten zusammenarbeitet, nachdem einer der Killer ihn kontaktierte. Eine zweite Figur ist die angehende Psychologin Julie, die sich mit NDEs beschäftigt, Erfahrungen von fast Gestorbenen.
Anfangs laufen die Ereignisse nebeneinander her, man kann nicht genau sagen, was wie zusammenpaßt. Aber dann lernen sich Peter und Julie kennen, und immer mehr kommt eins zum anderen. Hinter den scheinbar alltäglichen Ereignisse lauert aber immer das Wissen, daß da das Kalte umherschleicht und Leute umbringt.
Nach einer Weile wird der Leser plötzlich mit einer neuen Gestalt bekanntgemacht, einem indischen Ingenieur, der von einem mystischen Meister im Himalaja den Befehl erhält, einem Mann namens Rak zu folgen. Jener Rak sei soeben nach fünftausend Jahren aus einer Höhle gekommen und ein alter Bekannter, bzw. Feind Lord Krishnas...
Zum Glück hat Pike Erbarmen mit dem Leser und führt in ein paar Abschnitten schnell noch in die indische Mythologie und Religion ein. Interessanterweise scheint es im Hinduismus auch so etwas wie eine Prophezeiung von Armageddon zu geben.
Der Inder folgt also Rak, und es ist bald klar, wohin die Reise gehen soll: nach L.A. natürlich. Aber was will der wandelnde Mythos dort, wo das Kalte sein Unwesen treibt?
Inzwischen kommt der Journalist einem ziemlich abstoßenden Geheimnis auf die Spur. Ein bekannter Herzspezialist, Dr. Morray, der sich auch einmal mit NDEs beschäftigte, und dem Julie hinterherläuft, um an seine Ergebnisse heranzukommen, hat eine Frau, die seit dreißig Jahren im Koma liegt. Das weiß aber keiner, und so hat er noch eine Frau, die viel jünger ist als er. Mit der will nun Peter Jacobs etwas anfangen, während Julie mit ihm will... Genügend verwirrt? Jedenfalls ist die derzeitige Frau Morrays seine Tochter, die von der Koma- Frau nach ihrem Hirntod zur Welt gebracht wurde, Peter Jacobs ist der Zwilling davon. Das macht es auch nicht einfacher, nicht wahr?
Zwischendurch bringt das Kalte immer mal wieder auf höchst grausige Weise Leute um, meist nur, um zu sehen, ob es dabei etwas empfinden kann. Der Leser wird dadurch allerdings schön bei der Stange gehalten.
Am Schluß des Buches begegnen sich Rak, der Inder und Julie, das Kalte verliert sein geborgtes Leben, als die Koma-Mutter stirbt, und Peter Jacobs opfert sich, um seinem schwachsinnigen Freund das Leben zu retten. Rak spricht zu dem Inder, und es ist zweifelhaft, ob er wirklich so böse ist, wie der Auftrag des Meisters glauben ließ. Was er sagt, ist jedoch schwer verständlich, aber schon der Umstand, daß er das erneute zur Erde Kommen von Kali ankündigt, erweckt schlimme Ahnungen.
Und die schlimmste davon ist: es gibt eine Fortsetzung!
Übernatürlicher Horror, verstrickt mit einer gut erzählten Kriminalhandlung, eine Prise indische Esoterik dazu - ein sehr interessantes Buch. Ich werde sicher Ausschau halten, ob "The Cold One II - Seedling" erschienen ist.

SX 84

 

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