Christopher Pike: Remember me 1 - 3

Trilogie der Balkonstürze
Christopher Pike: Remember me
(Archway 1989, 230 Seiten $ 3.99)

Hier ist nun ein weiterer Roman von Pike, gleichzeitig der Auftakt zu einer Trilogie (jedenfalls bisher). Das Buch ("Erinnert euch an mich") beginnt mit dem Satz: "Die meisten Leute würden mich einen Geist nennen. Ich bin schließlich tot." Es schließt allerdings mit der frohen Botschaft, daß es keinen wirklichen Tod gibt...

Zum Glück handelt es sich hierbei nicht um ein religiöses Traktat zur Hebung der Volksfrömmigkeit. Pike hat in routinierter Weise einen weiteren spannenden Thriller auf dem Gebiet des übernatürlichen Horrors geschrieben. Das Leben nach dem Tode, das seine Heldin Shari "lebt", hat sehr wenig mit christlichem Glauben usw. zu tun.
Shari ist ein achtzehnjähriges amerikanisches Girl kurz vor dem Schulabschluß. Inzwischen - nach dem vierten Buch von Pike) fällt seine Wahl der Helden doch auf. Freud steh mir bei, ich will da nicht tiefer dringen... Shari geht also nach kurzer Einführung ihrer Familiensituation usw. mit ihrem derzeitigen Freund zu einer Geburtstagsparty einer Freundin. Besonders gut befreundet ist man zwar nicht, aber was soll's. Nach einer versuchten Seance mit ihr als Medium springt sie verwirrt auf, rennt auf den Balkon und... Das letzte, was sie spürt, ist der Fall vier Stockwerke tief auf den Boden. Betonboden.
Das alles berichtet Shari dem Leser in der Ich-Form als Geist. Siehe erster Satz. Das Buch handelt nun hauptsächlich davon, wie sie erst mal erkennen muß, daß sie tot ist, und dann begreift, daß sie jemand umgebracht hat. Obwohl ihr ein anderer Geist, der ihres früheren Freundes Peter, mitteilt, daß sie "ins Licht gehen" könnte, wenn sie nur wollte, beschließt Shari, dazubleiben und rauszukriegen, wer es war und warum.
Wieder (wie bei "Bury me deep") verwandelt sich das Buch in einen Krimi, bei dem auch der Detektiv nicht fehlt. Übles Klischee übrigens, der versoffene Garrett mit seiner drogensüchtigen Tochter. Aber da ganz L.A. ein Klischee ist, fällt das nicht weiter auf. Es ist sehr spannend, zu verfolgen, wie die Geister auf ihrer und der Polizist auf seiner Seite versuchen, den Fall zu lösen.
Zusätzliche Spannung kommt dadurch auf, daß Shari und Peter jeweils von etwas verfolgt werden, das sie "den Schatten" nennen. Aber auch der hat wiederum nichts mit dem üblichen Glauben an Himmel und Hölle zu tun.
Am Ende kommt es natürlich zu einem schönen Showdown, bei dem auch Sharis Bruder Jimmy Opfer des Killers werden soll. Da Shari Jimmy benutzt, um diesen Roman in seinen Computer einzutippen, überlebt er also. (Falls er das Eintippen von 230 Seiten in einer Nacht überlebt hat...)
Pike schreibt offensichtlich nach einem Schema, aber ohne daß die Bücher schematisch werden. Jedes der bisher gelesenen Werke war fesselnd bis zum Ende, die Charaktere genügend ausgearbeitet, ohne einander zu ähneln. Auch inhaltlich widerholte sich nichts. Man erkennt nur die strukturellen Grundzüge in der Handlung wieder. Aber wer wird schon wie ich gleich einen Stapel von dem Zeug verschlingen? Muß schon ein wahrer Fan sein...
Doch zu dem könnte man werden.

 

Remember me 2 - The Return
(Archway 1994, 210 Seiten, $ 3.99)

Eine Schande, daß ich mir erst bei diesem Buch sicher war, was ich hier eigentlich die ganze Zeit las. In Amerika nennt man das Romane für Heranwachsende (eigentlich junge Erwachsene). Bastei Lübbe sagt dazu "sanfte Gruselromane für junge Leser". Kein Wunder, daß es mir nicht gleich auffiel, denn wo es hierzulande zwei drei Bücher auf dem Markt geben mag, gibt es dort gleich eine ganze Abteilung im Buchladen. Scheinbar zeichnen sich diese Bücher durch eine bestimmte Länge aus, durch die Wahl der Helden und das Fehlen gewisser Details wie zu ausdrückliche Gewalt und Sex.
Na gut, bin ich eben 20 Jahre zu alt für den Stoff. Na und?
Der zweite Teil der Trilogie ist mit einem aufwendigen Doppelcover versehen, also einem, das angeschnitten ist, so daß man ein dahinterliegendes Bild sehen kann. So etwas sucht man bei deutschen Büchern vergebens...
Zunächst handelt das Buch von einem Latino-Mädchen namens Jean, das diesmal nicht gerade auf der hellen Seite der City lebt. Im Gegenteil, ihr Milieu ist das Gettho mit Drogen, Gewalt und Banden von Jugendlichen. Jean fällt - genau wie Shari ein Jahr zuvor - bei einer Party vom Balkon, bzw. dieser bricht mit ihr ab. Aber sie stirbt nicht, sondern kommt im Krankenhaus wieder zu sich. Was erst später klar wird, ist die Tatsache, daß ihr Körper nun von Shari übernommen wurde, die mit einer Mission auf die Erde zurückgekommen ist. Es dauert eine Weile, bis Shari sich erinnert, aber schließlich weiß sie, wer sie ist. Sie findet sogar ihren Bruder und die Freunde wieder.
Die Mission, für die Shari zu einem sogenannten Wanderer wurde, besteht darin, die Menschen durch das Schreiben von Büchern auf eine kommende Veränderung in der Welt vorzubereiten. Hier wird es sehr esoterisch, Pike verarbeitet viel von der New Age Mode. Es ist aber interessant, was er seinen jungen Lesern an Gedanken mitzuteilen hat. Das geschieht nicht etwa didaktisch trocken. Das meiste wird in Gesprächen Sharis mit einer geheimnisvollen Figur im Jenseits, dem Rishi oder Meister, offenbart. Man könnte eine Reihe dieser Dinge hier zitieren, aber aus dem Zusammenhang gerissen, wirken sie vermutlich nicht so eindrucksvoll.
Der Handlungsaufbau ist hier recht anspruchsvoll in zwei zeitlich verschobenen Ebenen: Shari vor der Reinkarnation und Jean/Shari danach. Da der Leser nicht zu früh wissen soll, was bestimmte Ereignisse in Jeans Leben bedeuten, werden sie erst später durch Rückblicke auf eine Art Vorbereitungsphase erklärt. Außerdem gibt es noch eine kleine und amüsante Story im Buch, die von der angehenden Schriftstellerin Jean erzählt wird.
Kaum hat sich Shari wieder gefunden, gerät sie auch schon in Gefahr. Kurz vor dem Schluß wird es dann auch hier wieder dramatisch und das arme Mädchen fällt ein drittes Mal vom Balkon. Zum Glück in den Pool.
Horror ist wohl für die Bücher ein falscher Ausdruck, eher sollte man sie als übernatürliche oder auch esoterische Thriller bezeichnen.

 

Remember me 3 - The Last Story
(Archway 1995, 243 Seiten, $ 3.99)

Im letzten Teil der Trilogie geht es darum, wie Shari, die inzwischen eine erfolgreiche Autorin geworden ist, ihre Mission auf der Erde abschließt. Mehr als die beiden Vorgänger zeichnet sich dieses Buch durch einen mystischen Touch aus, der das Geheimnis um die "Wanderer" am Ende dann doch auf eine völlig unreligiöse Weise erklärt. Zunächst muß man ja annehmen, daß Pike nur seine eigene Variante der Vorstellungen von Reinkarnation und der ewigen Seele ausbaut.
Shari ist im Buch einerseits damit beschäftigt, eins ihrer Werke zu einem Film zu machen, man lebt schließlich nicht umsonst in Hollywood. Zwischen den Schauspielern und ihr als Direktor kommt es zu verschiedenartigen Beziehungen und Spannungen. Ein gewisser Roger ist es, in den sie sich fast verliebt. Das hat wieder Konflikte mit ihrem Freund Peter aus dem früheren Leben zur Folge.
Außerdem hält sich ein Yogi-Meister in der Stadt auf, den Shari eigentlich treffen müßte. Aber sie hat zu viel zu tun, und bald wird dem Leser auch klar, daß Roger sie aktiv davon abhält, das zu machen, was sie eigentlich müßte.
Nebenbei schreibt sie in den Nächten wieder eine neue Story, die in die Haupthandlung eingebettet ist. Darin geht es um ein Raumschiff, daß gerade zu dem Zeitpunkt zur Erde zurückkehrt, als die Menschheit von einer Invasionsflotte angegriffen wird.
Am Ende stellt sich heraus, das diese "letzte Story" Sharis wahr ist. Vor dreihunderttausend Jahren war die Menschheit wohl schon einmal so weit, daß sie das All bereiste und kurz vor der Vereinigung mit einer Art galaktischem Überbewußtsein stand. Da erschienen die Invasoren und unterwarfen die Menschen. Nur die Besatzung des einen Schiffes entkam, und deren Nachkommen sind es, die als "Wanderer" versuchen, den unter kosmischer Quarantäne stehenden Menschen zu helfen.
Interessant ist vielleicht auch die Anmerkung, daß es diese Story, "The Starlight Crystal", tatsächlich auch als Buch von Pike gibt, ebenso wie eine andere hier erwähnte Geschichte Sharis, die auf Deutsch als "Nachrichten aus der Zukunft" bei Bastei erschien.
Roger entpuppt sich als das, was er ist: ein Schwarzer Wanderer, ein Agent der Anderen, aber er kann noch geschlagen werden. Shari jedoch kehrt nach Vollendung ihrer letzten Geschichte dahin zurük, wo sie hergekommen ist: ins Licht...
Der Böse ist für den Leser ziemlich leicht erkennbar, das ist nachteilig. Auch wirkt es etwas aufgesetzt, wie sich die gefährlichen Situationen immer wieder gleichen. Jedesmal soll Shari vom Balkon geworfen werden (diesmal erwischt es leider den armen Privatdetektiv) und man bedroht sie mit einer Pistole. Der Umstand, daß sie weiß, was sie nach einem Tod erwartet, nützt da gar nichts. Tot ist tot. Und dem Bösling geht es nur darum, daß sie ihre Story nicht vollenden kann, die eventuell eine minimale Verschiebung geistiger Konzepte unter den Menschen bewirken könnte.
Der Glaube daran, daß Bücher etwas bewirken können, ist ja gut und schön, aber doch etwas naiv. Nicht einmal Filme, die viel mehr Menschen erreichen, haben eine anhaltende moralische Wirkung.
Aber sei's drum, positiv überraschte mich an der Auflösung vor allem, daß der christlichen Religion kaum Beachtung geschenkt wird. Andeutungsweise wagt sich Pike sogar mit der These hervor, sie sei ein Instrument der Invasoren zur geistigen Unterdrückung der Menschen gewesen. (Das ist sie natürlich wirklich.)
Allerdings weckt dieser Umstand auch Zweifel an der Logik. Wenn die Invasoren in den letzten 2000 Jahren die Religion als Unterdrückungs- und Verdummungsmittel einsetzten, dann muß dies ihr modernstes und zeitgemäßestes Mittel gewesen sein, da es erst in den letzten 2000 von 300000 Jahren angewendet wurde. Was sollte sie hindern, jetzt ein neues Mittel anzuwenden, da der Glaube nicht mehr so zeitgemäß ist?
Aber ein solches Buch muß wohl nicht immer streng logisch sein.
Genaugenommen sind die drei Bücher das, was Shari im Rahmen ihrer Mission schrieb. Werke, die darauf aus sind, ein spirituelles Gefühl für die Seele zu wecken, ohne sich dabei an etablierte Religionen anzulehnen. Man muß derartigen Dingen nicht unbedingt zustimmen, aber lesen kann man die Bücher dennoch.
Christopher Pike erscheint auf Deutsch vor allem bei Bastei Lübbe. Im Katalog sind u.a. Romane aus der Serie "The Last Vampire" erwähnt - ich nehme jedenfalls an, daß es sich bei "Der blonde Vampir" darum handelt. Am besten, man schaut selbst mal rein in diese Werke. Bei Goldmann ist das Buch "Dämonisch" verzeichnet. 

SX 86

 

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