C.J. Cherryh: Yeager

 Eine hatte Frau in einem harten Universum
C.J. Cherryh: Yeager
(Heyne 06/4824)


Man kann nicht gerade sagen, daß sich C.J. Cherryh durch einen ganz bestimmten Stil auszeichnet. Es ist nicht möglich, zu behaupten, sie schreibe entweder spannend oder langweilig, actionbetont oder gefühlsduselig. Ich habe die "Morgaine"-Trilogie frustriert weggelegt, weil dieser Fantasy(?)-Roman mir sterbensöde vorkam. Und ich habe mich verbissen durch die zähe Handlung des ersten Bandes der "Cyteen"-Trilogie gekämpft, wofür ich mit fast atemberaubender Action im Rest der drei Bücher belohnt wurde. Eins kann man wohl doch sagen: Cherryh schreibt SF besser als Fantasy.
"Yeager" gehört zum sogenannten Pell-Zyklus, der außerdem noch die Bände "Pells Stern", "Kauffahrers Glück" und "40000 in Gehenna" umfaßt, und in dessen Universum auch die "Cyteen"-Trilogie handelt. Eine Menschheit der fernen Zukunft hat sich über eine Reihe von Welten der Galaxis verteilt, treibt Handel miteinander, fliegt mit Raumschiffen umher - und führt erbarmungslose Raumkriege. Die Bestandteile des Zyklus hängen nur über die Welt miteinander zusammen, nicht über Personen, so daß sie keine Fortsetzungen darstellen.
Yeager gehört für mich zu den besten - lesbarsten - Büchern der Autorin. Die Handlung um die Space Marine Yeager ist spannend und wird rasant erzählt. Mit dem Pell-Universum habe ich zwar so meine Schwierigkeiten, aber wenn ich diese beiseite ließ, konnte ich das Buch mit großem Interesse lesen.
Ein Wort zu meinen Problemen.
Es gilt ja als ein nicht zu verwirklichendes Vorhaben, als SF-Autor eine tatsächlich fremdartige Welt bzw. Gesellschaft zu schildern, Menschen (oder Aliens), die von völlig anderen Motiven und Gedanken bewegt werden als wir. Der Autor ist erstens natürlich seiner eigenen Welt verhaftet, und zweitens will er ja sicher, daß ihn der Leser versteht. Somit kann man sich nie sehr weit vom menschlichen Standpunkt entfernen. Cherryh ist auf diesem Weg allerdings einen großen Schritt gegangen. Ihre Menschheit der Zukunft ist von einer überraschenden Andersartigkeit. Leider im negativen Sinne. Mich befremdet die Moral und Gedankenwelt der Cherryhschen Helden, um nicht zu sagen, sie stößt mich ab. Obwohl - so abwegig ist das alles gar nicht, was dort geschieht. In der "Cyteen"-Trilogie stehen Menschen im Mittelpunkt, die für Profitzwecke gezüchtet und manipuliert wurden, und die man praktisch als Sklaven hält. Machtkämpfe spielen sich mit skrupellosester Härte ab, ein Menschenleben gilt gar nichts. Diese Erscheinungen ziehen sich überall durch die Darstellung der Gesellschaft. Eigentlich könnte man vieles als Extrapolation der Gegenwart auffassen, als eine Art galaktischer Kapitalismus. Der Profit ist alles, die treibende Kraft hinter jeder Erscheinung. Aus diesem Grund gab es auch die "Company-Kriege" zwischen der Erd Company, einer Art gesamtirdischem Monopol, und der Union bzw. der Allianz. Die Flotte der Company löste sich im Verlauf des Krieges immer mehr von der Erde, bis sie praktisch auf eigene Rechnung handelte. Nach Kriegsende hörte sie damit auch nicht auf. In dieser Nachkriegsperiode handelt übrigens das Buch.
Es ist schon fremdartig, von der absoluten Kälte und Gleichgültigkeit der Menschen zu lesen, zu verfolgen, wie die Helden vom Schicksal - welches meist Ihre Mitmenschen sind - unbarmherzig in immer schlimmere Katastrophen gestürzt werden. So erreicht Cherryh eine Stimmung, die man noch versteht, die aber dennoch betont, wie anders diese Welt ist. Aber wie ich schon andeutete, mir gefällt diese Welt ganz und gar nicht, und das ist für mich ein Nachteil, weil ich dann ein Buch nicht unbedingt mit Freude lesen kann. Bei "Yeager" überwog zum Glück die Spannung, "Pells Stern" hingegen mußte ich erst mal wieder weglegen.
Zurück zum Buch. Yeager ist also eine Space Marine, eine Raumsoldatin aus der alten Erdflotte. Sie wurde von ihrem Schiff getrennt und landete unter Menschen, die sie als Feind betrachten würden, wenn sie sich zu erkennen gäbe. Gestrandet auf der Raumstation Thule, versucht sie auf ein Schiff zu kommen. Nachdem sie auf Thule zwei Männer umgebracht hat, die ihr zu nahe traten, denn sie ist Killer-Expertin und läßt nicht mit sich spaßen, gelingt es ihr gerade noch rechtzeitig, auf einem Schiff anzuheuern. Um ihre Probleme auf diesem Raumschiff dreht sich der Hauptteil der Handlung. Obwohl erkannt wird, wer sie wirklich ist, kommt es zu einem guten Ende.
Es gelingt ihr nicht nur zu überleben, wozu ihre Ausbildung und Härte beitragen, sondern sie hilft auch anderen Besatzungsmitgliedern und findet Freunde. Am Ende muß sie gegen ein Schiff ihrer früheren Flotte kämpfen, um Thule und ihr neues Schiff zu retten. Was sie dann auch tut.
Der Roman vermittelt keine besondere Botschaft, seine Handlung hat nicht mal ein spezifisches Ziel, wie die Rettung einer Welt oder so etwas. Er zeigt einfach einen wichtigen Abschnitt aus Bet Yeagers Leben und nebenbei fügt er dem Pell-Universum ein neues Mosaiksteinchen hinzu. Das Buch lebt von der inneren Spannung, was Yeager wohl als nächstes von ihren widerlichen Mitmenschen zugefügt werden wird, und von einer dynamischen Handlung, die in einer überraschenden Schlußsequenz kulminiert. Das Cover von Don Maitz ist wie schon bei "Cyteen" sehr schön gestaltet, die Illustrationen von John Stewart passen mit ihrer abstoßenden Häßlichkeit in diese Weit hinein. Der Preis von DM 14.80 ist Horror. Alles in allem, eine Empfehlung.
Erstaunlich ist auch eine andern Tatsache, die man erst bemerkt, wenn man mehrere Bücher des Zyklus‘ kennt. Cherryh steht offenbar auf keiner Seite Ihres galaktischen Konflikts. "Pell" beschreibt die Sache vom Standpunkt der Flotte bzw. der Allianz der Kauffahrer, Yeager vom Standpunkt einer Flottenangehörigen, die dann zur Allianz gerät, und die "Cyteen"-Trilogie steht ganz auf der Seite der Union. Ich bin wirklich gespannt, wo ich mich bei "40000 in Gehenna" wiederfinde... 

SX 23


 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth