David Brin: Brightness Reef
David Brin: Brightness Reef
(Orbit 1995, 642 Seiten, £ 16.99)
- Der Roman spielt in Brins sogenanntem "Uplift-Universum", wo auch die bereits auf Deutsch erschienenen Bücher "Sternenflut", "Entwicklungskrieg" und "Sonnentaucher" angesiedelt sind. Und trotz seiner enormen Länge ist er nur der erste Band einer Trilogie. Dadurch vereint das Buch in sich eine Menge Dinge, die recht kritikwürdig sind. Vor allem den Umstand, daß die Handlung nicht abgeschlossen ist. Am Ende steht der Leser frustriert vor dem dicken Wälzer und ist nicht schlauer als zuvor. Brin hat sein Uplift-Universum ohnehin schon mit Rätseln angefüllt, die scheinbar mit jedem seiner Bücher mehr werden. Die Hoffnung, daß er sie jemals zufriedenstellend auflösen wird, schwindet immer mehr. Außerdem setzt er die genaueste Kenntnis der anderen Bände voraus, denn in "Brightness Reef" wird nichts erklärt, verschwommene Andeutungen irritieren den Leser eher, als daß sie Spannung erzeugen.
- Für alle, die es nicht kennen: Die Menschen hatten vor über dreihundert Jahren Kontakt mit den anderen Rassen der Galaxis, die darüber nicht wenig erstaunt waren. Normalerweise entwickelt sich nämlich keine Zivilisation in der fünf zusammenhängenden Galaxien selbständig, und schon gar nicht zu Sternenfahrern. Der übliche Weg ist es, durch eine Rasse von "Patronen" genetisch geliftet zu werden, um der dann ein paar Millionen Jahre oder so die Schuld abzudienen. Die Menschen haben sich aber offenbar unabhängig von äußerem Einfluß entwickelt, und mehr noch, sie haben selbst mindestens Delphine und Schimpansen geliftet. Die meisten anderen Rassen stehen den Menschen deshalb nicht gerade freundlich gesonnen gegenüber.
- In "Sternenflut" wird die allgemeine Krise dadurch eingeläutet, daß die Besatzung des delphinischmenschlichen Raumschiffes Streaker die verlassene Flotte einer Superzivilisation findet. Leider erfährt der Leser das nur aus der Retrospektive, so richtig wird nie klar, weshalb die anderen Rassen völlig ausflippen und ein wütender Kampf um die Streaker entbrennt. Wie gesagt, Brin deutet viel zuviel einfach nur an.
- In diesem Buch taucht nun ein verletzter Mann auf, der irgendwie zur Besatzung der Streaker gehört haben muß. Er stürzt ohne Erinnerung und Sprache auf einem verbotenen Planeten ab. Der Planet Jijo mußte von einer mächtigen Rasse aufgegeben werden, damit sich seine Biosphäre ein paar Äonen lang erholen kann - eine übliche Praxis in den Galaxien. Bis zur erneuten Freigabe darf keine Rasse ihn beanspruchen. Nichtsdestotrotz leben bereits die Vertreter von sieben Rassen - einschließlich der Menschen - auf ihm!
- Alle sind Flüchtlinge, die sich sehr genau ihres Verbrechens gegen die galaktischen Gesetze bewußt sind. Warum sie im einzelnen auf Jijo landeten und ihre Schiffe im Meer versenkten, bleibt größtenteils unklar. Es ist bei einigen Gruppen auch schon ein paar tausend Jahre her. Das erklärte Ziel ist, sich auf ein primitives Niveau zurückzuentwickeln und auszusterben, bevor der Planet in einigen Millionen Jahren wieder besiedelt wird. Schon eine recht eigenartige Philosophie...
- Brin hat nun ein Buch geschrieben, das eigentlich mehrere Bücher ist. Die Handlungsfäden laufen unabhängig voneinander ab, und nur einige vereinen sich am Ende. Offenbar will der Autor die losen Enden irgendwann in der Trilogie verknüpfen. Leider hat diese Praxis der parallelen Handlungsstränge hier zur Folge, daß man einige Teile nur gelangweilt überfliegt, weil in den anderen gerade etwas viel spannenderes geschieht. Da erzählt eine Art Chronist aus der Rasse der traeki, dann ein junger Hoon namens Alvin in der Ich-Form, es wird aus der Sicht des menschlichen Jägers Dwer oder seiner Schwester Sara berichtet, auch der Bruder Lark hat eine erzählende Rolle. Schließlich werden die Empfindungen des verletzten Fremden widergegeben. Dazwischen sind immer wieder weise Sprüche und Zitate aus der Lehre und Folklore der Sechs eingestreut. Das Buch komplex zu nennen, ist eine Untertreibung.
- Am interessantesten ist Brins neuartiges Herangehen an das Verhältnis seiner galaktischen Rassen untereinander. Während sie sich in der "zivilisierten" Galaxis gnadenlos bekämpfen und im harten Konkurrenzkampf miteinander stehen, haben die Vertreter derselben Völker auf Jijo den Großen Frieden ausgehandelt. Sie leben nicht nur friedlich nebeneinander sondern auch miteinander. Die Gefährten des jungen Alvin sind keine Hoon, sondern der Nachwuchs anderer Rassen. Am eigenartigsten ist in diesem Zusammenhang aber, was dem Mädchen Rety geschieht, das in anderen Belangen nicht besonders sympathisch geschildert wird. Ein winziges Urs-Männchen läßt sich von ihr in einem Beutel transportieren und ist damit quasi mit ihr verheiratet - denn genau das ist es, was die viel größeren Urs-Weibchen tun.
- Der Roman hat eine Menge Nachteile, ist aber dennoch kein schlecht geschriebenes oder langweiliges Werk. Im Gegenteil, er ist wieder ausgesprochen spannend. Jedoch konnte mich das nicht über die Frustration trösten, daß ich nicht nur auf zwei weitere Teile warten muß, sondern wahrscheinlich alle Uplift-Bücher noch einmal lesen darf, damit ich überhaupt eine Chance auf Durchblick habe.
- Es ist anzunehmen, daß wir die Bücher in den nächsten Jahren auch auf Deutsch bekommen, wenn auch vielleicht nicht als Trilogie sondern als sechs bis zehn Bände, angesichts der gegenwärtigen Politik der Verlage. Wer also Interesse hat, sollte sie sich alle kaufen, ein paar Monate Urlaub nehmen und von vorn bis hinten durchlesen. Vielleicht versteht man dann Brins rätselhaftes Universum. Oder vielleicht müssen wir dazu doch noch geliftet werden?
- SX 80
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