David Brin: Der Übungseffekt
David Brin: Der Übungseffekt
(Heyne 06/4449)
Nach dem Buch "Sternenflut" wartete ich gespannt auf die Nachauflage
von Brins "Der Übungseffekt", und irgendwie glaube ich, daß
ich jetzt anfangen werde, die restlichen Romane des Autors zu suchen.
Der als "Top Hit der SF" noch einmal aufgelegte Roman ist tatsächlich
ein solcher, das kann man mit Sicherheit sagen.
Auf den ersten Blick scheint es die typische Parallelweltgeschichte
zu sein: Ein Mensch unserer Welt - wenn auch aus der Zukunft - gelangt
mittels einer besonderen Apparatur auf eine Welt, die räumlich nicht
näher lokalisierbar ist, also irgendeine Art Parallelwelt vielleicht
in irgendeinem anderen Universum. Dort gibt es dann Magie, und zufällig
stellt sich heraus, daß der Mensch einen Job als Magier kriegen kann.
Nun, so etwas hat Brin jedenfalls nicht geschrieben. Obwohl der Physiker
Dennis Nuel auf der Welt, auf die es ihn verschlägt, als Zauberer
bezeichnet wird, ist dies kein Fantasyroman, sondern SF.
Eigentlich sollte er nur das Zievatron reparieren, was dummerweise
nur "von der anderen Seite" gehen würde. So wurde Dennis das erste
menschliche Versuchskaninchen, das auf eine mit dem Zievatron entdeckte
Welt geschickt wurde. Aber als er dort war, stellte er fest, daß
jemand die Rückkehreinrichtung völlig demoliert hatte. Dennis
machte sich auf, um diesen Jemand zu finden.
Die Welt, auf der er sich nun befindet, hat eine besondere Eigenschaft,
welche er erst nach und nach bemerkt und versteht. Werkzeuge, also alle
Dinge, die ein Mensch (gibt es da auch) herstellt und benutzt, werden durch
den Gebrauch nicht etwa verschlissen, sondern immer besser. Das geht so
weit, daß man mit einem Steinbeil anfängt und am Ende das perfekteste
Beil hat, was man sich nur vorstellen kann - aus Stein. Der "Übungseffekt"
wirkt sich auch auf die schlechte Ausrüstung aus, die ein übelwollender
Kollege ihm mitgegeben hat. Benutzt man einen Gegenstand allerdings nicht
ständig, verliert er seine angeübten Eigenschaften und fällt
schließlich in seinen Urzustand zurück.
Die Zivilisation, die Dennis vorfindet, beruht natürlich auf der
Nutzung des Effektes. Technologisch gesehen sind es "Höhlenmenschen",
wie er findet, aber sie ahben die Kunst des Übens von Sachen zu voller
Blüte entfaltet. Leider sind sie in anderer Beziehung nur zu menschlich:
Ein bösartiger Baron Kremer beherrscht das Land, das eigentlich einem
König gehört, und unterdrückt die Leute. In seine Gefangenschaft
fällt Dennis auch prompt.
Aber er findet Freunde (und eine Prinzessin), flieht und hilft dabei,
den Tyrannen zu verjagen. Soweit eine fast standardisierte Handlung, aber
nicht, wenn man die Auswirkungen des Übungseffektes dazunimmt. Mit
diesem einen Mittel hat es der Autor geschafft, das Buch zu etwas Besonderem
zu machen. Dazu kommt noch eine gute Portion Humor.
Brin liefert auch Erklärungen für die Phänomene, die
er beschreibt. Sein Held ist ein Wissenschaftler - Realitätsphysiker
- und damit bestens für die Rolle geeignet, die er zu spielen hat.
Ihm zur Seite steht ein kleiner Roboter, der sich durch den Übungseffekt
in erstaunlicher Weise verwandelt. Deshalb erscheinen sogar sehr unwahrscheinliche
Leistungen des "Zauberers" relativ plausibel.
Unbedingt erwähnen sollte man auch das Umschlagbild von Jim Burns.
Es ist einfach perfekt auf die Handlung zugeschnitten. Oft findet man ja
Bilder, die gar nichts oder nur sehr wenig mit dem Inhalt eines Buches
zu tun haben, aber hier sieht man, daß Burns die Handlung genau kannte
und eine Schlüsselszene bis ins Detail darstellte.
Ein Top Hit für Freunde der intelligenten und humorvollen SF,
der in keiner Sammlung fehlen sollte.
[The Practice Effect, (c) David Brin 1983, übersetzt von Rainer Schmidt 1986, Heyne 1994, 398 Seiten, DM 14,90]
SX 50
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