David Brin: Sonnentaucher
David Brin: Sonnentaucher
(Heyne 06/5278)
Kurz nachdem ich "Sternenflut" gelesen hatte (s. SX 43), begriff ich,
daß dies nur ein Roman aus einem Universum David Brins war. Ich besorgte
mir - vermutlich auf dem Buchmarkt - "Entwicklungskrieg" und war ähnlich
begeistert von dem Buch. Der Roman "Sonnentaucher" erschien leider erst
jetzt auf Deutsch, fünfzehn Jahre nach dem Original. Zeitlich liegt
seine Handlung vor den anderen beiden Büchern, und das war besonders
frustrierend, da sich die Personen immer wieder auf Ereignisse aus diesem
Buch bezogen. Nun hat das Warten aber ein Ende. Allerdings gibt es immer
noch Anspielungen, vor allem aus "Sonnentaucher" selbst, die vermuten lassen,
daß es noch mehr hiermit zusammenhängende Bücher gibt oder
zumindest geben sollte.
Und tatsächlich: Soeben las ich in "Science Fiction Age" einen
Artikel über den ersten Band einer neuen Uplift-Trilogie, "Brightness
Reef". Auch dieser Band löst noch nicht alle Rätsel, so daß
man gespannt auf Brins weiteres Schaffen sein kann.
Das besagte Universum ist sehr gefährlich für die Menschheit.
Zuerst einmal: Däniken hatte doch recht! Jedenfalls auf eine gewisse
Art. Die Galaxis ist ziemlich dicht bevölkert mit einer Unmenge von
Superrassen, die nach einem Hierarchiesystem untereinander verschachtelt
sind. Jede dieser Rassen hat ihre Intelligenz und Zivilisation allerdings
einer älteren Rasse von "Patronen" zu verdanken, die sie jeweils genetisch
"geliftet" hat. Ein solches Lifting hat seinen Preis: Meist verbringen
die Rassen hunderttausende von Jahren in einem Abhängigkeits- und
Dienstverhältnis, ehe sie freigesetzt werden. Auch die Menschheit
hat schon erfolgreich mit dem Lifting angefangen - Schimpansen und Delphine
sind intelligente "Klienten" der Menschen geworden.
Der Haken daran ist nur, daß die Menschen dies taten, bevor sie
überhaupt von der galaktischen Zivilisation erfuhren! Denn es war
ein Schiff der Erde, das im Weltraum auf die Anderen traf, und kein Wesen
weit und breit weiß, wer die Menschen irgendwann mal geliftet hat,
um sich dann schnöde davonzustehlen. Oder sollte Darwin recht und
sie sich selbst zur Intelligenz entwickelt haben? Unmöglich!
So kommt es, daß viele der Galaktiker auf die Wölflinge
von der Erde nicht gut zu sprechen sind. In den Romanen, die später
angesiedelt sind, eskaliert das auch zum kriegerischen Konflikt. Soweit
geht man in "Sonnentaucher" noch nicht, aber böse Intrigen werden
auch hier schon gesponnen.
In diesem Buch geht es um ein Projekt, das selbst in galaktischem Rahmen
selten ist. Man will mit bemannten Raumschiffen in die Sonne eintauchen.
Eigentlich ist das schon geschehen, nur jetzt wird es richtig spannend,
weil man in der Chromosphäre nämlich eine Lebensform entdeckt
hat, über die in der allwissenden Bibliothek der Aliens nichts bekannt
ist. Peinlich genug! Könnten das die Patrone der Menschen sein? Die
Nachforschungen und Kontaktversuche stellen allerdings nur den Rahmen für
eine verzwickte "Detektiv"-Geschichte dar. Auf der Expedition der Sundiver
geht so vieles schief, daß bald Sabotage vermutet wird. Der Hauptheld,
Jacob Demwa, neben vielen anderen Dingen auch ein Mitarbeiter der Lifting-Projekte,
versucht dieses Problem zu lösen, womit er es nicht einfach hat. Die
Story bekommt immer wieder eine unerwartete Wendung, bis die Katastrophe
unausweichlich scheint. Genialerweise hat der Leser tatsächlich am
Ende für einen Moment den Eindruck, alles sei vergebens gewesen und
die Besatzung nur noch tot zur Erde zurückgekehrt.
An Bord der Sundiver befinden sich auch drei verschiedene Aliens, deren
Verwicklungen in die galaktische Politik die Schwierigkeiten letztlich
verursachten. Schon hier stellt man fest, daß man in Bezug auf diese
Rassen nicht darauf vertrauen kann, wie jemand erscheint, und daß
es andererseits unter den Feinden im All auch ein paar Freunde gibt. So
ist es auch in den später angesiedelten Bänden. Die von Brin
entworfene komplizierte galaktische Politik läßt sich am ehesten
noch mit der in Cherryhs Pell-Universum vergleichen.
Ein weiteres Spannungsmoment entsteht durch die Person des Jacob Demwa.
Aus geschickten, vagen Andeutungen entwickelt sich ein Geheimnis um ihn,
das in seiner Vergangenheit liegt. Immer mehr daran wird enthüllt,
bis zum Finale. Das ist wirklich sehr gekonnt in Szene gesetzt. Garniert
wird das Abenteuer noch mit ein wenig Liebe, und sogar die vermeidet jedes
Klischee!
Besonderes Augenmerk verdient die Beschreibung der Erscheinungen in
nächster Nähe bzw. in der Sonne. Das macht Brin wirklich beeindruckend,
er hat sich über Solarphysik sichtlich kundig gemacht. Abgesehen von
den Lebewesen, die einen irgendwie magnetisch-plasmatischen Charakter haben,
intelligent sind und nicht die Patrone der Menschen, überzeugt der
Autor mit seiner Darstellung des Gewaltigen, soweit man sich so etwas überhaupt
vorstellen kann. Solange man nicht tatsächlich eine Sonde in die Sonne
schickt, wird diese Beschreibung realistisch genug sein.
Ebenso akribisch exakt ist das Titelbild von Jim Burns. Fast könnte
man es für ein Szenenfoto aus dem Buch halten, so genau vermeint man
die Gestalten Helene, Culla und Jacob zu erkennen. Das nenne ich Illustration!
Ein ausgezeichnetes Buch, das ich ebenso wie die anderen "Uplift"-Romane
Brins deutlich empfehlen kann.
Sundiver, (c) by David Brin 1980, übersetzt von Rainer Schmidt 1995, 445 Seiten, DM 16.90
SX 71
Kommentare
Kommentar veröffentlichen