David Weber: Heirs of Empire

David Weber: Heirs of Empire
(Baen Books 1996, 533 Seiten, $ 5.99)

Die Erben des Imperiums sind Colins Kinder und deren Altersgefährten: Die Zwillinge Harriet und Sean McIntyre, Sandy und Tamman, sowie der Achuultani Brash. Anfangs verfolgt die Handlung ihre Entwicklung nur sporadisch und in Episoden, die eher als Andeutungen zu verstehen sind, während andererseits das Geschehen um Colin weiter im Vordergrund steht. Wie sich herausstellt, hat man wohl nicht alle menschlichen Verbündeten der Meuterer erwischt, und die schüren politische Unruhen. Da die kriegsgefangenen Achuultani nun plötzlich Verbündete geworden sind, nachdem sie erfuhren, daß ein Computer ihre Rasse versklavt und betrogen hat, gibt es genug Stimmen unter den unzufriedenen Erdenmenschen, die dagegen aufbegehren. Grund für Unzufriedenheit gibt es immer, vor allem bei jenen, die ihre Positionen von Einfluß und Macht dadurch verloren, daß die Erde unvermittelt ins Imperium katapultiert wurde.
Und dann sind da auch noch die religiösen Spinner... Zwischen David Weber und der Religion ist wirklich keine Liebe verloren, das sieht man bei diesem Buch ganz deutlich.
Recht bald bestätigten sich meine Vermutungen, daß der Vizegouverneur der Erde, ein gewisser Jefferson, an der Spitze einer Verschwörung steht, mit der er sich selbst zum Imperator machen will. Sehr spannend wird es dadurch, daß die Beteiligten das nicht ahnen können - der Mann ist sogar Sicherheitschef!
Als erstes läßt er ein Raumschiff manipulieren, mit dem die Kinder - jetzt bereits Kadetten - unterwegs sind, so daß es explodiert. Zum Glück hat der Supercomputer Dahak dem Raumschiffcomputer vorher noch ein paar spezielle Anweisungen zugeflüstert, so daß der sich genötigt sieht, die Kinder in einem kleinen Sublichtschiff auszusetzen, bevor er explodiert.
Jefferson stiehlt die Pläne für eine Planetenkillerwaffe, mit der er schließlich die ganze Führungsrige ausschalten will. Seine subversive Tätigkeit zieht sich über Jahre hin, und immer wieder läßt er die Ausführenden umbringen, so daß die Spuren sehr schwer zu finden sind. Weber benutzt diesen Handlungsstrang, um wiederum deutlich zu zeigen, für wie gefährlich und verabscheuungswürdig er den tatsächlichen Terrorismus hält, ohne dabei den Zeigefinger zu heben.
Parallel zu dieser Handlung läuft eine zweite ab, die für mich auch viel interessanter war und auch größeren Raum einnimmt. Darin geht es um die Kinder, die längst keine mehr sind, denn sie sind in ihrem kleinen Schiff lange unterwegs, bis sie bei einer Welt ankommen, auf der sie eingemottete imperiale Technik vermuten, mit der sie einen Hyperwellensender bauen wollen. Sie finden mehr, als sie erwarten: Einen vollkommen intakten Verteidigungsgürtel und eine überlebende Zivilisation. Nur befindet sich diese auch nach zigtausend Jahren auf einem quasi mittelalterlichen Niveau. Das verwundert unsere Helden natürlich und sie studieren Land und Leute erst einmal gründlich mit Fernsonden, bevor sie etwas anderes machen.
Darin offenbart Weber eine erstaunliche Logik, die vielen SF-Autoren abgeht, wenn sie dem Leser glauben machen wollen, daß Raumfahrer landen, aussteigen und den nächstbesten Bauern fragen, wo es zur Hauptstadt geht. Seine gutausgebildeten imperialen Kadetten finden heraus, daß die alten Imperialen dieser Welt eine Religion schufen (schon wieder eine!), die sich um die Wartung und Kontrolle der Bodenstation des automatischen Weltraumverteidigungssystems dreht. Obwohl sie gar nicht wissen, was sie tun, kontrollieren die Priester mehr oder weniger den Computer. Allerdings ist auch diese Religion durch ihre Macht korrumpiert worden.
Als die Kinder bei der Erforschung von imperialen Relikten angegriffen werden, müssen sie endlich Kontakt aufnehmen. Die erste Gruppe von Menschen kann überzeugt werden, daß sie keine Dämonen sind (man hält sie nun erst mal für Engel), aber der innere Kreis der dogmatischen Kirche nicht. Sie erklärt den Ketzern und Dämonen den Heiligen Krieg. Da sich die Helden um Sean für diesen Krieg verantwortlich fühlen, stellen sie sich an die Spitze der Ketzer, die schnell zu Rebellen und Freiheitskämpfern werden. Nur können sie dazu kaum imperiale Technik einsetzen und schon gar keine Waffen, da das den Verteidigungscomputer im Tempel der Hauptstadt provozieren könnte.
Hat Weber sein außerordentliches Geschick schon bei der Beschreibung diverser Weltraumschlachten bewiesen, so übertrifft das Folgende sie noch. Nun gibt es richtig konventionelle Schlachten und Feldzüge mit Musketen, Piken, Kavallerie, Kanonen und jeder Menge Strategie. Solche Schlachten ziehen sich über viele Seiten hin und sind sehr spannend.
Natürlich sind sie auch grausig, denn getreu seinem Vorsatz, den Krieg nie zu beschönigen, zeigt Weber dem Leser, daß Kämpfe mit altertümlichen Waffen genauso hart und verlustreich sein können wie mit Hypergeschossen. Die Toten gehen in die Hunderttausende, was durchaus plausibel ist, wenn man bedenkt, daß die Schlacht an der Somme im Ersten Weltkrieg 1,2 Millionen Opfer kostete - eine einzige Schlacht!
Die beinahe typische Situation in dieser Art SF tritt für Sean ein, der praktisch der Oberkommandierende des modernen Rebellenheeres ist. Er befindet sich im Zwiespalt zwischen schweren militärischen Entscheidungen und der Last der Schuld am Tod so vieler Menschen, die er sich selbst zuschreibt. Seine Ausbildung macht ihn zu einem guten Heerführer - jedenfalls im Vergleich zu dem, was der zurückentwickelte Planet zu bieten hat, auf dem die Kirche jeden neuen Gedanken unterdrückt und jeden technischen Fortschritt als Ketzerei abstempelt. Die wenigen Verbesserungen der Ausrüstung, die man auf die Schnelle durchsetzen kann, und der Glaube der Rebellen, auf der Seite von Engeln zu stehen, machen sein Heer zu einer furchtbaren Gewalt. Trotzdem wird es sehr schwer, in den Tempel zum Computer vorzudringen.
Gemeinerweise verläßt David Weber an der entscheidenden Stelle die Kinder, um wieder zu den Eltern zurückzukehren. Auch Colins Frau und Schwiegervater müssen um ihr Leben kämpfen (plus 12 Marines gegen hundert Feinde!), während er und seine Leute versuchen, die Bombe zu entschärfen, die Jefferson ihm in den Palast geschickt hat.
Ok, es geht letzten Endes alles gut, aber selbst wenn man das erwartet, ist es doch atemberaubend. Und David Weber soll sich bloß nicht einfallen lassen, daß damit Schluß ist! Ich will mehr davon!
Eine Bemerkung noch zu Äußerlichkeiten. Auf dem Titel explodiert gerade so etwas wie ein Todesstern - das ist das manipulierte Raumschiff - während im Vordergrund ein kleineres Schiff abzischt, poppig lila, gelb und rot bemalt! Das stimmt zwar nicht ganz mit dem Inhalt überein, ist aber einfach genial in der Aussage. David Mattingly ist der Künstler. Und ein zweites sollten sich gewisse deutsche Verlage mal anschauen: Obwohl 200 Seiten umfangreicher als die Vorgänger, ist das Taschenbuch nicht viel dicker geworden, weil man einfach dünneres Papier nahm. Kein Grund also, es in zwei Bänden herauszubringen... 

SX 83

 

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