David Weber & Steve White: Insurrection
David Weber & Steve White: Insurrection
(Baen Books 1990, 408 Seiten, $ 5,99)
"Insurrection", das heißt Revolte oder Aufstand. Und genau so
etwas ereignet sich in einem Universum, das ähnlich, aber nicht gleich
dem anderer Bücher von David Weber ist. Weber und sein Co-Autor White
haben sich besondere Mühe gegeben, um die Welten voneinander abzugrenzen,
obwohl es so einfach gewesen wäre, das schon vorhandene Umfeld zu
übernehmen. Sogar technische Details wie der übliche Schiffsantrieb
wurden dabei verändert. Dieses besondere Augenmerk bringt aber auch
einen Nachteil des Buches mit sich: Streckenweise ist es auf der rein technischen
Ebene ziemlich ausführlich, um nicht zu sagen, langatmig. Vor allem
am Anfang, wo die Handlung noch kein merkliches "Momentum" hat, also noch
nicht allzusehr mitreißt, erschwert dieser Umstand die Lektüre.
Noch etwas kommt dazu, das die Wertung des Romans gegenüber anderen
Werken, die ausschließlich aus Webers Feder stammen, abfallen läßt.
Für die komplexe, mehrschichtige Handlung ist ein umfangreiches Figurenensemble
notwendig - und ein Leser kann sich nur eine gewisse Menge an Nebenfiguren
merken, ohne verwirrt zu werden. Bis etwa zur Mitte ist es auch nicht möglich,
sich auf eine Hauptgestalt zu konzentrieren, eigentlich gibt es eine solche
gar nicht. Die Raumschiffkommandantin Li Han (scheinbar bevorzugt Weber
solche Gestalten) entwickelt sich zu einer Art tragenden Rolle, ohne Qualitäten
wie etwa Honor Harrington erreichen zu können. Auch ihr Gegenspieler
Ian Trevayne ist eine Art Hauptgestalt, doch auch er entwickelt dafür
nicht genug Profil.
Der Aufstand, um den es hier geht, ereignet sich in einer terranischen
Föderation, die von den sogenannten Inneren bzw. Konzernwelten (corporate
worlds) dominiert wird. Die Äußeren oder Randwelten weit draußen
werden durch die Mächtigen gnadenlos ausgebeutet. Als ihre Vertreter
in der Gesetzgebenden Versammlung der Föderation gleiche politische
Rechte einfordern, wird die Anführerin ihrer Delegation von den Hardlinern
kurzerhand ermordet.
Das ist das auslösende Ereignis für die Revolte der Außenwelten.
Es ist Pech für die Inneren, daß etwa 60% der Navy mit Leuten
von draußen besetzt sind. Als sie meutern, entwickelt sich das bald
zu einem Bürgerkrieg in galaktischen Ausmaßen. Man spaltet sich
als Terranische Republik von der Föderation ab und versucht, die Außenwelten
gegen das Innere zu verteidigen. Das unsensible Vorgehen einiger Navy-Kommandeure
trägt nur noch mehr zu trotzigem Widerstand bei und bringt unentschlossene
Gemüter schnell auf die Seite der Revolution.
Wie schon im Honor-Harrington-Zyklus gibt es auch hier Vorbilder für
die Ereignisse, ohne sie jedoch sklavisch nachzuvollziehen. Ist es dort
die französische Revolution, so dient hier der amerikanische Bürgerkrieg
streckenweise als Vorlage. Sogar die alte Unabhängigkeitserklärung
wird von den Rebellen hervorgeholt und für ihre Zwecke modifiziert.
Tradition ist schließlich etwas, das Weber und White großschreiben.
Ihre Kriegsschiffe tragen die Namen großer Feldherren, die Planeten
ähnlich, und selbstverständlich steht auch hier die Weltraumnavy
ganz in der Tradition der irdischen. Freilich geschieht dies immer mehr
oder weniger notgedrungen, denn man kann kaum eine andersartige militärische
Tradition ersinnen, ohne auf irdische Vorbilder zurückzugreifen. Übrigens
tun die beiden Autoren das nicht nur mit der englischen oder amerikanischen
Marine, auch chinesische bzw. japanische Einflüsse sind zu spüren.
Ohne jetzt ausführlich auf den langen und blutigen Weltraumkrieg
eingehen zu wollen, möchte ich noch etwas anführen, das mir besonders
bei diesem Buch auffiel. Weber und White beschreiben den Krieg nicht nur
nüchtern und unbeschönigt, sondern auch mit einer seltsamen Ambivalenz.
Es ist klar, daß zunächst die Rebellen für die Autoren
im Recht sind, aber deshalb bleiben die Loyalisten nicht die "Bösen".
Ihre Bemühungen werden genauso aufmerksam verfolgt wie die der republikanischen
Navy, und man kann als Leser nicht umhin, Trevayne fast ebensoviel Sympathie
zu zollen wie Li Han. Auf den Inneren Welten werden die Extremisten fast
sofort nach Ausbruch der Revolte gestürzt, was aber keine unmittelbare
Einsicht bedeutet, daß man etwa einen ungerechten Krieg führt.
Erst viel später ist ein Waffenstillstand möglich, der schließlich
zu Friedensverhandlungen führt. Der Bürgerkrieg scheint ein Eigenleben
entwickelt zu haben, und das nicht nur wegen der Rachegelüste einiger
Sturköpfe. Was heißt überhaupt gerechter Krieg? Das Buch
wirft in dieser Hinsicht mehr als nur eine Frage auf, die sich zu stellen
man als Leser natürlich erst einmal bereit sein muß.
Der Krieg als Fortsetzung und Folge der Politik ist auch in diesem
Buch wieder das Thema von Handlung und Warnung zugleich.
SX 83
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