Dean R. Koontz: Schutzengel

Dean R. Koontz: Schutzengel
(Heyne 01/8340)


Eigentlich dachte ich ja, Koontz schreibt Horror.
Und eigentlich habe ich dieses Buch nur darum gekauft, weil das Titelbild von Rowena Morril dasselbe ist wie das, welches ich in der Collage zu ZORN verwendete.
Doch "Schutzengel" (Lightning, 1988) ist beileibe kein Horror, wenn es auch manchmal recht unheimlich zugeht. Es ist ein SF-Thriller und Zeitreiseroman sehr guter Qualität. Zwar hat das Titelbild dann doch nichts mit dem Inhalt zu tun gehabt, aber letzterer entschädigte mich nicht nur, er fesselte mich bis zur letzten Seite.
Es ist einer jener erstaunlichen Zeitreiseromane, bei denen die Einführung einiger kleinerer Konventionen es (scheinbar) ermöglicht, alle sonst so störenden Paradoxa auszuschalten. Der Umstand, daß es hier um Reisen in der Zeit geht, ist zwar anfangs nicht bekannt, aber es wird dem Leser und später auch der Protagonistin ziemlich rasch klar, daß nur diese Erklärung zutreffen kann. Daher kann ich ihn wohl ruhig erwähnen.
Das Buch beschreibt etwa die ersten 35 Jahre des Lebens der Laura Shane, die offenbar von ihrer Geburt an von einem geheimnisvollen Mann beschützt wird, der immer dann auftaucht, wenn sie in Gefahr gerät. Außerdem wird ein zweiter Mann beschrieben, der den ersten beobachtet und ihn als Verräter betrachtet. Anfangs ist alles offen: ist es ein religiös-mystisches Buch und sind das tatsächlich Engel oder andere übersinnliche Wesen? Dann erscheinen aber ihre Methoden reichlich irdisch - Pistolen, Revolver, Uzis, Mord und Einschüchterung. Der Arzt, welcher Laura zur Welt bringen soll, ist ein Säufer? Wird er eben gekidnappt und gefesselt, damit es ein anderer tut. Ein Süchtiger will die Achtjährige umbringen? Eine Kugel in den Kopf. Ein Verrückter droht, sie zu vergewaltigen? Man reißt ihm ein Ohr ab. (Den Typen killt die Zwölfjährige dann übrigens selber.) Bald wird klar, daß Schutzengel Stefan die Gefahren für Laura nur aus der Zukunft gesehen haben kann, um sie dann abzuwenden. Sie überlebt, wächst heran, heiratet und wird eine erfolgreiche Schriftstellerin. Ab dem vierzehnten Lebensjahr werden die Lebensstationen nur noch schlaglichtartig gezeigt, während immer mehr Stefans Tun in einem mysteriösen Institut in den Mittelpunkt rückt. Laura scheint n dieser Zeit sicher vor Gefahren zu sein, er jedoch bereitet offenbar die Sprengung des Institutes mit der Zeitmaschine vor. Die Welt / Zeit, in der Stefan zu Hause ist, wirkt andeutungsweise wie ein Polizeistaat, eine Diktatur oder Schlimmeres. Er will verhindern, daß die Zeitmaschine mißbraucht wird.
Erst als Laura wieder einmal in tödliche Gefahr gerät, und er in ihre Zeit springt, um diese abzuwenden, beschleunigen sich die Ereignisse um die junge Frau wieder. Und die Beschleunigung hört nun nicht mehr auf!
Der Autozusammenstoß wird zwar verhindert, aber der andere Mann vom Anfang taucht auf und bringt Lauras Mann um. Man hat also Stefans Verrat bemerkt und jagt ihn. Laura muß zu Recht befürchten, selbst Ziel von Anschlägen zu werden. Während Stefan wieder verschwindet, um das Institut zu vernichten, rüstet sie sich im typisch amerikanischen Stil hoch und trainiert, so daß sie für Arnold Schwarzeneggers Partnerin in Terminator 2 Patin gestanden haben könnte. Gut für sie, denn dann beginnt auch bald die Jagd, der angeschossene Stefan kommt aus seiner Zeit zu ihr und sie werden von unerbittlichen Killern verfolgt.
Wer nun denkt, er weiß schon, worum es geht, irrt sich! Mit Absicht lasse ich hier den wichtigsten Teil weg, denn das mit der Zeitreise ist dann doch nicht so, wie es der abgebrühte SF-Leser gewöhnt ist. Einige sehr hübsche Überraschungen hält Koontz geschickt so lange zurück, bis er sie dem Leser enthüllen will. Vorher ist nichts zu ahnen.
Ich war beeindruckt und finde es ein wenig schade, daß sicher viele Leute, die SF mögen, aber keinen Horror, mit Vorurteilen an dieses Buch herangehen werden. Der übliche ausgeleierte Vergleich mit Stephen King auf der Rückseite läßt einen völlig falschen Eindruck entstehen. Und da wir gerade bei King sind, ich habe eins seiner Bücher erst mal beiseite gelegt, um "Schutzengel " zu lesen.
Was ist sonst noch über dieses Buch zu sagen? Es ist eine Studie über die Triebkräfte der menschlichen Entwicklung, die aber nie zu vordergründig wirkt. Es ist ein Buch auch mit kritischen Reflexionen über Eltern und Kinder und amerikanische Waisenhäuser, und auch ein Buch über das Geheimnisvolle, das man Schicksal nennt. 

SX 24

 

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