Dean R. Koontz: Zwielicht
Dean R. Koontz: Zwielicht
(Heyne 01/8853)
gelesen von Wilko Müller jr.
Die Newsweek schrieb "Er bringt den Leser dazu, die ganze Nacht
lang weiterzulesen ... das Zimmer hell erleuchtet und sämtliche Türen
verriegelt." Zumindest bei diesem Buch traf das beliebte Werbezitat zu.
Ich schaffte die 510 Seiten in einem Zug.
Dabei ist das vom Autor aufgegriffene Grundthema so neu und aufregend
nicht. Sie sind unter uns - die Bösen, das riefen ja schon viele andere
SF- und Horror-Autoren. Ob nun Vampire, Werwölfe, außerirdische
Invasoren oder Gartenzwerge - irgendein guter Held, der auch schon mal
eine Heldin sein kann, deckt das finstere Komplott auf, die Welt zu übernehmen
oder gar zu vernichten und rettet sie alsdann im Alleingang. So läuft
das ziemlich immer.
Es kommt nun darauf an, aus dieser Story doch noch etwas zu machen,
was den Leser fesselt. Koontz kann das (wenn er auch anderweitig schon
gewisse Ausrutscher hatte). Er machte aus dem schon oft gelesenen Stoff
eine sehr spannende Handlung, deren Ausgang man nicht unbedingt vorhersagen
kann. Nebenbei greift er auch noch wichtige Dinge der Wirklichkeit auf
und läßt sie in sein Buch einfließen, ohne sie
sich für seine Zwecke zurechtzubiegen. Er verzichtet darauf, die Ermordung
Kennedys, den Vietnamkrieg oder die Kubakrise seiner bösen Macht in
die Schuhe zu schieben, sondern benutzt diese und andere Zeitereignisse
im Gegenteil dazu, zu zeigen, daß die Menschen sie gar nicht brauchen,
um Böses zu tun.
Die Finsterlinge sind die sogenannten Trolle, wie sie der Held und
Ich-Erzähler, Slim MacKenzie, nennt (vielmehr die Übersetzerin
- im Vorwort wird noch von "Goblins" geschrieben - das sind in der Regel
aber keine Trolle). Er ist mit Zwielichtaugen ausgestattet, so daß
er unter der menschlichen Tarnung die Monster sehen kann. Wie sich später
herausstellt, ist er nicht der Einzige, der die Trolle auf irgendeine Weise
wahrnimmt. Auf der Flucht, weil er seinen Onkel, einen Troll, umgebracht
hat, landet der Siebzehnjährige in einem wandernden Vergnügungspark
bei Schaustellern. Koontz vertritt die Meinung, daß sich in einem
solchen zwangsläufig Menschen zusammenfinden müßten, die
"anders" sind, also besondere Talente haben, die sie zu Außenseitern
machen. Zum Beispiel Telepathen oder Troll-Killer... Die Trolle sind Wesen,
die sich - vereinfacht ausgedrückt - von menschlichem Leid ernähren
und dafür zu jedem Verbrechen bereit sind. Slim kämpft einen
aussichtslosen Kampf gegen sie, da es viel zu viele gibt, um sie alle umzubringen.
Er wird schließlich von seiner Geliebten Rya Raines und einigen
Schaustellern unterstützt, massakriert die Bösewichter reihenweise
und dringt sogar in eines ihrer Zentren ein, um es in die Luft zu sprengen.
Wenn Sylvester Stallone wie 17 aussähe, könnte er das direkt
verfilmen.
Zur Erklärung der Existenz der als Menschen getarnten Unholde
bemüht Koontz eine prähistorische Zivilisation, die durch einen
Atomkrieg (Ursache der Eiszeit) unterging. Seine Schilderungen, die bis
zur Erläuterung der genetischen Hintergründe ihrer Wandlungsfähigkeit
(Troll - Mensch) gehen, sind logisch aufgebaut und nicht etwa langweilig.
Nebenbei gibt er dem Leser gleich noch die Begründung für das
Vorkommen besonderer Begabungen bei den Menschen.
Auch das Ende des Romans überzeugt, denn es besteht nicht in der
wundersamen Ausrottung der Trolle. Die Monster sind zwar ein wenig geschwächt,
die Katastrophe aufgeschoben, aber noch nicht abgewendet. Das dürfte
auch nicht in der Macht der paar Hauptfiguren stehen, die inmitten einer
ahnungslosen Welt den Krieg führen.
Neben der eigentlichen Handlung verpaßt Koontz dem Leser auch
noch ein paar moralische Rippenstöße. Denn das, was zunächst
passiert, könnte man sich auch ganz gut ohne die Mithilfe der Trolle
vorstellen. Das ist einfach die alltägliche Grausamkeit. Koontz deutet
die allgemeine Stimmung an, die geprägt ist von Nachrichtensendungen
voller Katastrophen, Krisen und Kriege. Was unterscheidet die Handlungszeit
des Buches dann vom Heute? Realität und Fiktion werden gekonnt verflochten,
um ein düsteres Bild entstehen zu lassen. Die einzige Hoffnung der
Allgemeinheit kommt aus den Liedern der gerade populär werdenden Beatles,
für MacKenzie aus der Liebe zu Rya. Nicht gerade etwas Konkretes.
Das Böse lebt, scheint die Botschaft zu sein, mitten unter uns
- ob nun in Gestalt von Trollen oder Menschen. Aber man sollte dennoch
nicht aufhören, gegen es zu kämpfen. Auch wenn es aussichtslos
scheint. Die Taten der beiden Protagonisten verhindern immerhin eine schreckliche
Brandkatastrophe in einer Schule, retten ein paar Menschenleben.
Das Buch ist weniger ein vordergründiger Horror-Roman mit viel
Gemetzel und Blut, eher würde ich es unter Action einordnen. Auch
der Ich-Erzählstil geht nicht auf die Nerven wie bei manchen Autoren,
die Seite um Seite mit Selbstzweifeln und Nabelschau füllen, wenn
sie sich zu einer solchen Erzählweise entschließen. Der Held
ist weder so dümmlich, daß der Leser immer alles vor ihm ahnt,
noch neigt er zu logischen Sprüngen, die den Leser hinter ihm lassen
würden.
Alles in allem - ein gut gemachtes Buch.
[Twilight Eyes, 1985/87 von Nkui Inc. (Dean R. Koontz), übersetzt von Alexandra v. Reinhardt 1991, erstmals als TB 1994, 510 Seiten, DM 14,90]
SX 47
Kommentare
Kommentar veröffentlichen