Denise Vitola: Half-Light

Denise Vitola: Half-Light
(TSR Books 1992, 314 Seiten)


Das Buch bildet fast eine Ausnahme im Angebot des Hauses TSR Ltd., ist es doch in den Bereich der SF einzuordnen, nicht in die Fantasy, wie die meisten andere Produktionen.
Half-Light, also Halblicht, ist eine Art andere Dimension, eine existenzielle Ebene, auf die sich nur bestimmte Personen mittels quasi kultischer Handlungen mental begeben können. Im Halblicht ist es möglich, sich selbst eine Welt zu erschaffen, die jedoch nicht immer so bleibt, wie man sie sich gedacht hat, denn was man da schafft, sind eigentlich nur Variable, die sich entsprechend ihrer Anlage selbst verändern. Außerdem kann man in dieser Dimension in der Zeit vor und zurück reisen, vorzugsweise zu anderen Inkarnationen seiner selbst.
Der Körper bleibt dabei in einer Art Trance zurück, was nicht heißt, daß einem im Halblicht nichts zustoßen kann. Im Gegenteil: Man kann dort sogar sterben, und dann ist man wirklich tot.
Die Angelegenheit mit dieser Paralleldimension ist jedoch nur ein relativ untergeordneter Bestandteil der Handlung des Romanes. Ein anderer Teil könnte vielleicht für sich genommen als space opera bezeichnet werden. Hier geht es um eine junge Dame, Priesterin und Tochter eines kleineren Herrschers, eines Clanlords, die den Vizekönig des "Galaktischen Konsortiums" heiraten muß. Zum Teil aus politischen Erwägungen, aber vor allem, weil sie sich an einer unheilbaren Krankheit, mit Gehirnparasiten infiziert hat, deren Auswirkungen - Wahnsinn und Tod - nur durch einen Shaemoni-Priester wirksam bekämpft werden können. Nicht, weil die einen besonderen Draht zu ihrem Gott hätten, sondern weil das Heilen mit dem Eindringen in Halblicht zusammenhängt. Und der Vize ist zufällig der einzige in ihrer eigenen sozialen Stellung.
Wie sich die beiden zusammenraufen, und die Dame namens Ariann Centuri ihren Ehemann dann sogar im Halblicht rettet, erzählt die zweite Ebene des Buches. Und dadurch sind diese beiden Aspekte natürlich vereint, da es sich um dieselben Personen handelt.
Doch da gibt es noch eine weitere Linie zu verfolgen. Die Benar, eine entfernt humanoide Rasse, leiden an Hunger. Es wird angedeutet, daß eine Novakatastrophe die weit zurückliegende Ursache dafür war. Inzwischen haben sie aber einen Weg zum Überleben gefunden. Sie jagen im Weltraum. Vorzugsweise - Menschen. Die schmecken nämlich so gut (auch wenn sie stinken). Also haben wir auch noch den interstellaren Konflikt, um die Spannung anzuheizen. Nicht nur, daß die Benar den vorherigen Geliebten Arianns umlegten, sie finden nun auch noch eine kleine, vergessene Menschenwelt, die sich unverhofft einer Invasion gegenübersieht. Hier, in der Schilderung von einigen Kampfhandlungen sowie der folgenden Mobilmachung unter den Menschenwelten, konnte die Autorin sicher auch ihre speziellen Kenntnisse einfließen lassen, denn sie war eine Zeit lang beim Verteidigungsministerium beschäftigt.
Das Buch gliedert sich in vier verschiedene Handlungsebenen, bzw. Gesichtspunkte: Ariann Centuris, den ihres Mannes, den einer alten telepathischen Frau auf dem angegriffenen Planeten und den eines Benar-Kommandeurs namens Suk. Der Wechsel zwischen den Ebenen eskaliert gegen Ende des Buches gekonnt zu einem Aktionswirbel. Vorher macht er die Sache richtig spannend, denn man kann als Leser nicht sicher sein, wen z.B. die Benar nun gerade beobachten, oder wo die anderen Helden sind, da die Autorin nicht einfach ein und dasselbe von verschiedenen Seiten beschreibt. Besonders der Alien-Standpunkt ist gut herausgearbeitet. Man versteht durchaus die Gründe der Benar und kann akzeptieren, daß sie eine völlig andere Vorstellung von Intelligenz haben. Die Menschen sind für sie Tiere, selbst wenn sie Raumschiffe benutzen. Andererseits hat Suk auch so seine leisen Zweifel. Er wandelt sich jedoch nicht etwa am Ende unrealistisch zum Guten. Er geht unter.
Einen weiteren Aspekt des Buches möchte ich nicht unerwähnt lassen. Die Menschen dieser sehr fernen Zukunft, wenn es überhaupt Menschen von der Erde sein sollten, hängen den unterschiedlichsten Naturreligionen an. Ariann ist z.B. Windanbeterin, ihr Mann gehört zur Shaemoni-Sekte der Huntsmen (Jäger), die alte Frau ist eine Tochter der Flamme (auf einer Eiswelt verständlich), und auch die Benar haben ihre Religion. Die Shaemoni zeigen dabei deutlich buddhistisch-hinduistische Züge. Diese Glaubensrichtungen haben aber einen wichtigen Vorteil: Sie sind tolerant gegeneinander. Nicht ein bißchen von der Intoleranz unserer heutigen Religionen ist da zu bemerken. Ariann wendet ihre Vorstellungen an, um in die Shaemoni-Welt Halblicht einzudringen, als ihr Mann dort bedroht wird, dann wieder nutzt sie ihre Halblicht-Erfahrung, um den Menschen auf der angegriffenen Welt zu helfen. Nicht einmal die Benar sind aus vordergründig religiösen Gründen auf der Jagd nach Menschenfleisch.
Der Roman ist durch seine vielschichtige Struktur mehr als nur ein "Inner-Space"-Abenteuer, mehr als nur eine space opera, mehr als eine weitere Menschen-gegen-Aliens-Episode. Er lotet die geistigen Möglichkeiten der handelnden Personen aus, und er bietet dabei gleichzeitig eine spannende Handlung. Den Namen der Autorin sollte man sich merken, falls ihre Bücher einmal den deutschen Markt erreichen. 

SX 37

 

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