Die Wahre Lehre - Nach Mickymaus
Die Wahre Lehre - Nach Mickymaus
Internationale SF Stories, herausgegeben von W. Jeschke
(Heyne 4747)
Für die Sammler der Jeschke-Bände brauche ich diesen Band
ohnehin nicht vorzustellen, jeder andere wird jedoch wissen wollen, was
er sich da für 16.80 DM kauft. "Internationale SF" bietet wohl einen
Querschnitt über das, was so in der Welt an SF gerade neu ist. Wen
bietet Jeschke diesmal? Ich kannte Iwoleit, Kelly, Prokop (!), McDonald
(halt nein, das war doch was anderes), Erik Simon (!!) und Kate Wilhelm
mehr oder weniger gut. Alle anderen aus USA, CSFR, Italien, Deutschland,
Frankreich, Nordirland, Österreich, England und Neuseeland waren mir
unbekannt. Was nichts heißen muß.
Pflichtschuldig begann ich mich durch die 600 Seiten zu lesen. Und
ich las und las ... immer mal ein paar Seiten. Dann griff ich mir erst
mal die ersten Bände von Asimovs SF Magazin (Heyne) und schaute nach,
ob Kurzgeschichten nicht auch besser sein können. (Ja, können
sie.) Beruhigt versuchte ich es wieder mit dem dicken Buch. Aber irgendwie
waren die alten Sachen besser. Deshalb frage ich, baut die SF ab, oder
ist es Zufall, daß die Auswahl neuer Stories nichts Besonderes mehr
bietet? Keine hält dem Vergleich stand, obwohl es natürlich auch
hier Differenzierung gibt. Der Band enthält bessere und schlechtere
Geschichten, wie man es erwarten sollte. Aber insgesamt gesehen sind da
keine Highlights, nichts, was mich begeistert hätte.
Die einleitende Story "Der Tempel am Fluß" von Nancy Etchemendy
(USA 1986) gehört noch zu den interessanteren, obwohl die Fantasyhandlung
wieder nicht allen Lesern gefallen wird. Auch "Bullivants Messer" von R.
Mueller (USA 1986) kann man lesen. Eine Zeitsprunggeschichte ohne großen
Tiefgang, im "klassischen" Stil geschrieben, eine nette Pointe. Ein Carter
Scholz stellt "Amadeus" vor, das Copyright gehört aber Robert Silverberg.
Wenn er das verzapft hat, tut er wahrlich gut daran, seinen Namen nicht
zu nennen. (Ja, es geht tatsächlich wieder mal um Mozart.) Zu den
Tiefstpunkten gehört auch Iwoleits "Europa nach dem Regen". J.P.Kelly
widmet sich in "Fluchtwege" (USA 1979) den Problemen alter Menschen, die
von der Gesellschaft beiseitegeschoben werden. Eine annehmbare Sache. Aber
ob die Lösung die rechte ist? Das sieht mir etwas zu sehr nach Flucht
in die Droge aus, was da angeboten wird.
Prokop ist mit "Kasperle ist wieder da" vertreten, mit der Geschichte
über Genmanipulation aus "Die Phrrks".
Ein Pluspunkt für die sehr kurze "Die Agentur" von René
Sussan (Frankreich 1984). Leider weiß man die Pointe viel zu früh.
Erwähnenswert sind auch Erik Simons "Elementarsonette", weil SF-
Lyrik, die mal nicht blödelnd daherkommt. Künzels Cyberspacekram
soll lesen, wer ausgeflippt genug dafür ist. Mir war es eine Qual.
("Gottfried Wilhelm Overdrive: Leibniz im Cyberspace")
Nun, ich kann hier nicht jede Geschichte mit einem Prädikat versehen.
Wie gesagt, manche sind recht lesbar, andere fallen stark ab, aber das
ist natürlich auch eine Sache des Geschmacks. Die Titelgeschichte
(Mickymaus) hält leider auch nicht, was sie verspricht. Sie stammt
aus der Feder von Phillip Mann (Neuseeland) und aus diesem Jahr. Wieder
einmal erwachen die Figuren der menschlichen Phantasie zum Leben, diesmal
passenderweise gleich in Disneyland. Jedenfalls hauptsächlich. Dort
haben sie dann nichts besseres zu tun, als erst mal die Besucher zu schlachten.
Micky beißt einem Mädchen den Kopf ab usw. Futureworld &
Co. lassen grüßen. Sherlock Holmes ist auch aktiviert, aber
zunächst als Protagonist auf der Seite der Menschen, dann neutral.
Micky breitet seine Philosophie aus (eben die wahre Lehre), die besagt,
daß die Menschen nur das Zwischenglied der Evolution und jetzt die
Phantasiewesen dran sind. Auf zum Weißen Haus! Schade um die an sich
interessante Idee, denn P. Mann vergibt sich einiges mit der Story. Allein
der Umstand, daß die Welt plötzlich mit Figuren total übervölkert
sein müßte! An einer Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
daß jede noch so unwichtige Gestalt real wurde, was aber nicht konsequent
weitergedacht wird. Wirklich schade.
Der Sammelband bot für mich diesmal mehr Tiefen als Höhen,
aber der Sammler wird ihn sich ja trotzdem kaufen und vielleicht sogar
mal die eine oder andere Geschichte lesen. Viel Spaß!
SX 19
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