Gary Gygax: Die Lösung von Samarkand
Gary Gygax: Die Lösung von Samarkand
Dangerous Journeys
(Heyne 06/4965)
Da ist es nun also, das zweite Abenteuer des magischen Detektives Setne
Inhetep. Nachdem er bereits "Die Anubis-Morde" (SX 36) aufklären konnte,
gerät er nun wieder einmal fast unfreiwillig in die Verstrickungen
eines neuen Kriminalfalles. Ich kann mir zwar nicht so recht vorstellen,
wie die Spielewelt DANGEROUS JOURNEYS. funktioniert, aber die Romane, die
auf ihr handeln, sind ja auch keine Nacherzählungen von Rollenspielen.
In der ersten Rezi zu dieser Welt erwähnte ich bereits ein paar
Hintergründe und Besonderheiten. Daß die Magie in verschiedenen
Formen funktioniert, gehört schon fast automatisch dazu. Außerdem
ist Ægypten ein Weltreich, wenn auch nicht gerade ein in unsere Zeit
extrapoliertes. Es erscheint so, als sei die Sklavenhaltergesellschaft
der Pharaonenzeit nur ein wenig verfeinert worden, außerdem mit magischen
und priesterlichen Kräften angereichert. Von den Göttern spricht
man, als ob sie wirklich existierten und Macht besäßen - jedenfalls
in den Gebieten, wo sie angebetet werden.
Es erschwert die Lektüre etwas, daß es um Ægypten
herum nur so von Kleinstaaten zu wimmeln scheint, deren Namen teilweise
nur wenig verfremdet wurden, teilweise aber auch reine Phantasieprodukte
zu sein scheinen. Gerade in diesem Band spielen politische Dinge eine große
Rolle, so daß ständig irgendwelche Ausländer mitwirken,
es dauernd um Machtkonstellationen geht, die man bei dem Gewirr kaum durchschaut.
Setne Inhetep ist eine Gestalt, die ein wenig die menschlichen Schwächen
vermissen läßt. Er ist ein (offiziell) ehemaliges Mitglied des
pharaonischen Geheimdienst, und nicht irgendeins, sondern ein Oberst. Er
ist ein "Erbprinz", ein Adliger also. Er ist reich. Er ist ein Magier und
Priester der höchsten erreichbaren Stufe. Er ist genial. Und so weiter.
Angelegt ist seine Figur wohl so als ægyptischer Sherlock Holmes,
der durch seine überragende Intelligenz jeden Fall löst, aber
so ganz bekommt Gary Gygax das nicht in den Griff. Selbst die Affäre
mit einer jungen, hübschen Frau - die natürlich auf ihn fliegt
- beendet er in überlegener Weise, nachdem sie ihn zunächst etwas
verwirrte.
Nun gut, dann ist er also ein Superheld. Was solls? Die Handlung, welche
sich um eine Serie von Mordfällen an hochgestellten Persönlichkeiten
rankt und schließlich zu einer großangelegten politischen Verschwörung
entwickelt, ist über große Teile durchaus als spannend zu bezeichnen.
Wer knifflige Detektivgeschichten mag, wird auf seine Kosten kommen. Gefahr
und Aktion fehlen auch nicht, und bei den etwas ruhigeren Strecken kann
man sich dann wieder entspannen.
Wie gesagt, die politischen Verstrickungen erscheinen beim Lesen etwas
kompliziert, aber in mir regte sich dann doch der Gedanke, wie einfach
die Politik Ægyptens und seiner Nachbarn im Vergleich zu unserer
heutigen aussieht. Wie schnell und mit wie wenig Aufwand werden Konfliktherde
beseitigt. Es gibt den Einen Bösen, der hinter allem steht, und wenn
der ausgelöscht ist, dann wird alles wieder gut. Schade, daß
es in Wirklichkeit nicht so läuft...
Ich denke, einige potentielle Leser wird der Hinweis auf die Rollenspielwelt
abschrecken. Es scheint ja in dieser Hinsicht gewisse Berührungsängste
gewisser SF & F Leser zu geben. Rollenspiel-Novellisierungen werden
als niederes Zeug abgetan, als bloße Spielnacherzählung diffamiert,
ohne daß je ein solches Buch gelesen wurde. An dieser Stelle ist
es vielleicht angebracht, darauf hinzuweisen, daß das nicht richtig
ist. Diese neue Strömung in der SF & F Literatur sollte man durchaus
ernst nehmen. Ob das nun "Shadowrun" oder "Drachenlanze" oder "Dark Sun"
oder irgendeine andere Welt ist, es liegt doch in erster Linie am Autor,
der das Buch schreibt, ob er einen guten Roman abliefert. Wenn dieser noch
dazu in einer vorgegebenen Welt angesiedelt ist, dann erleichtert das nicht
unbedingt das Schreiben. Im Gegenteil, ich halte es für eine besondere
Leistung, wenn sogar unterschiedliche Autoren wie z.B. in "Shadowrun" oder
"Drachenlanze" ohne nennenswerte Unstimmigkeiten in einer Welt schreiben.
"Die Lösung von Samarkand" ist ein gut lesbares Buch für
Fantasy- und Krimileser, das bei mir das Interesse an mehr Hintergrundinformationen
über die DJ-Welt geweckt hat. Leider gibt es nicht, wie sonst in den
meisten Fantasybüchern üblich, eine Karte der Welt. Mit einer
solchen kann man sich immer einreden, im Bilde zu sein.
Das hübsche Bild von Boris Vallejo auf dem Cover hat mit dem Inhalt
nichts zu tun, es wurde ja auch ein Jahr vor Erscheinen des Romans gemalt.
Aber es sieht gut aus.
Das wars also für diesmal und nun warten wir auf den "Tod in Delhi",
der bald eintreten, äh, erscheinen muß.
[The Samarkand Solution, © Gary Gygax (Omega Helios Ltd.) 1993, übersetzt von Christian Jentzsch 1993, 255 Seiten, DM 12,90]
SX 44
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