George R. R. Martin (Hrsg.): Wild Cards 3 - Asse Hoch!

George R. R. Martin (Hrsg.): Wild Cards 3 - Asse Hoch!
(Heyne 06/5603)

Da ist sie nun, die Fortsetzung der ersten beiden Teilbände des Wild Card Zyklus'. Das Buch ist das, was zu erwarten war, und ist es auch wieder nicht. Störend wirkt sich aus, daß es kein Ende hat - wieder stellt es nur die erste Hälfte des zweiten Bandes des wirklichen Zyklus' dar. Wieso schreiben diese Amis auch so dicke Wälzer?
Um ständige Erklärungen zu vermeiden, werde ich mich auf die deutschen Ausgaben beziehen, wenn ich von den ersten beiden Büchern spreche, meine ich also das erste Buch!
Die ersten beiden Bände also dienten deutlich der Einführung in den Zyklus. Die Hintergrundbedingungen in der vom Wild Card Virus heimgesuchten Welt wurden vorgestellt, die Möglichkeiten und Fähigkeiten der sogenannten Asse beispielhaft an Episoden vorgeführt. Einige Gestalten wurden eingeführt und über den Verlauf des Buches hinweg verfolgt. Am Ende war ich gespannt darauf, was das Autorenteam nun mit dieser Welt anfangen würde, denn als Roman für sich genommen taugten die ersten beiden Bände nicht viel. Der durchgehende Handlungsfaden fehlte, die verschiedenen Effekte der Seuche in kleinen Kapiteln zu zeigen, reichte mir nicht als solcher.
Die Hoffnung, daß der folgende Teil wirklich ein Roman - wenn auch ein Mosaikroman - sein würde, erfüllte sich. Es gibt wirklich eine durchgehende Thematik, wenn sie auch mehr oder weniger ungelöst bleibt. Man soll eben keine halben Bücher lesen.
Die Autoren, von denen ich außer dem Herausgeber nur Lewis Shiner, Roger Zelazny und Walter Jon Williams kannte, bewegen sich mit ihrer Geschichte nun praktisch in der Gegenwart, die sich nun jedoch deutlich von der unsrigen abhebt. Die Asse sind anerkannte Mitglieder der Gesellschaft. Nun, und die Joker sind anerkannte Ausgestoßene er Gesellschaft. Gut, vielleicht nicht ganz so kraß, aber fast.
Es gibt zwei Themen, die auch miteinander zusammenhängen, welche sich durch das Buch ziehen. Als erstes sind da die bösen Asse. Natürlich gibt es auch solche. Mir kamen die Typen wie Chthulu-Jünger vor, die allerdings durch ihre Ass-Fähigkeiten die Macht haben, tatsächlich so etwas aus dem All herbeizurufen. Die Bedrohung durch eine außerirdische Invasion ist dann auch der zweite rote Faden. Eine sogenannte Schwarmmutter schickt schon mal einen Vortrupp los, um die Erde zu vernichten. Der wird zwar geschlagen, aber natürlich wissen die Menschen nicht, daß es nur ein Spähtruppunternehmen war... Dann gibt es noch einen anderen außerirdischen Agenten, der unerkannt auf der Erde herumhängt und ständig einem gewissen Artefakt nachjagt.
Darum ranken sich nun die Geschichten dieses Buches. Positiv zu vermerken ist die durchgehende Thematik, die es von der Storysammlung zu einem echten Roman werden läßt. Doch es hat auch enttäuschende Schwächen.
Zum ersten fiel mir hier die primitive Art des roten Fadens auf. Zwar ist die Existenz von Außerirdischen in der Wild Card Welt schon durch Dr. Tachyon und das Virus selbst belegt, aber warum mußte es ausgerechnet etwas so banales sein? Eine Invasion? Und noch dazu eine von einem dieser allgegenwärtigen, immer-bösen Hive-Minds. Ist das etwa die unterschwellige Angst der Amerikaner vor dem roten Kollektivismus? Und wer hat noch im letzten Buch so heftig gegen McCarthy gewettert? Schade, daß den Autoren kein irdisches Problem eingefallen ist, um die Kräfte ihrer Asse zu erproben.
Der zweite Punkt, den ich bemängeln muß, ist die Inkonsequenz bei der Darstellung von Wild Card-Talenten. Bestimmte Dinge passen einfach nicht zu der am Anfang geschilderten Wirkungsweise des Virus'. Sie gehören eher ins Reich der Fantasy. In Shadowrun. kann man das ohne weiteres machen, aber das hier ist doch eine andere Welt.
Schließlich muß ich sagen, daß ich Personen, die nicht gerade ganz charakteristische Fähigkeiten hatten, nicht so recht auseinanderhalten konnte, vor allem, wenn sie aus den ersten beiden Büchern übernommen und wieder aufgegriffen wurden. Man hat zwar das Gefühl, daß dieser oder jener schon mal irgendwo erwähnt wurde, aber genau zuordnen kann man ihn nicht.
Nach dem dritten Buch bin ich etwas enttäuscht vom Zyklus. Er ist durchaus lesbar, aber wenig anspruchsvoll und bis auf einige Grundideen auch nicht besonders innovativ. Vielleicht ist es das, was passiert, wenn sich Profi-Autoren zusammensetzen und ein Rollenspieler-Fanzine schreiben.
  

Wild Cards II (1. Teil), © 1987 by George R. R. Martin, übersetzt von Christian Jentzsch 1996, 300 Seiten, DM 12.90

SX 79


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