Greg Bear: Köpfe
Greg Bear: Köpfe
(Heyne 06/5347)
"Köpfe" (1990) ist im selben Kosmos angesiedelt, wie der von
mir in SX 65 besprochene Roman "Moving Mars". Es ist in der Tat das Prequel
dazu, also der erste Teil. Daß ich es als zweites rezensiere, kommt
daher, daß ich "Moving Mars" (1993) im Original las. Im Gegensatz
zu letzterem Buch ist der nun deutsch vorliegende Roman (eigentlich eine
längere Erzählung, engl. novella) eher dünn, jedoch könnte
man ihn wohl sonst nicht überstehen, ohne an Entzugserscheinungen
zu sterben. Ich habe ihn in einem Zug durchgelesen, nur mit einer einzigen
Pause, um mir ein Bier zu holen.
Die Handlung ist weniger auf Action ausgerichtet, als auf hard core
SF. Es wird ein Ereignis geschildert, das ich aus "Moving Mars" bereits
aus Erinnerungen und Erwähnungen kannte, so wußte ich, mit was
am Ende zu rechnen war. Es geht um die Katastrophe von der sogenannten
"Eisgrube" auf dem Mond, die letzten Endes die Entdeckung der wissenschaftlichen
Grundlagen für die Technologie lieferte, die das Bewegen des Mars
ermöglichte.
Ein genialer Wissenschaftler, William Sandoval, versucht in der besagten
"Grube", einem Labor einer Mondkolonie, den absoluten Nullpunkt zu erreichen.
Das ist ja bekanntlich nicht so ohne weiteres möglich, weil in Wahrheit
nicht mal die oft beschworene "Weltraumkälte" annähernd am Punkt
Null Kelvin dran ist. Sandoval erhofft sich von dem Experiment, vielleicht
einen neuen Zustand der Materie zu finden. Er hat dabei die Unterstützung
seines Syndikats, einer Art Familienclan, und vor allem eines QL Denkers
- eines Quantenlogikdenkers, was eine Art fortgeschrittene künstliche
Intelligenz darstellt, die in der Lage ist, in Bahnen der Quantenlogik
zu denken, die dem Menschen aufgrund seiner Bewußtseinsstruktur verschlossen
bleibt.
Gleichzeitig importiert seine Frau Rho über hundert tiefgefrorene
menschliche Köpfe von der Erde, wo ein Verein für die Lagerung
von Eisleichen gerade den Bach runter geht. Rho erhofft sich Profite für
ihre Familie aus der weiteren Lagerung und eventuellen Wiederbelebung der
Köpfe. Da die Einrichtung der Eisgrube schon besteht, glaubt sie,
könnte man die Köpfe hier lagern. Das an sich unbedeutende Geschäft
stört aber die Interessen einer mächtigen Religionsgemeinde der
Erde, deren Gründer, wie sich vorausahnbar zeigt, auch eingefroren
wurde, statt ins Universum aufzufahren, wie sie behaupten. Es kommt zu
spannenden politischen Verwicklungen, die schon eine Ahnung von dem enthalten,
was in "Moving Mars" abgehen würde. Die Schwierigkeiten sind letztlich
wohl auch für die Katastrophe in der Eisgrube verantwortlich.
Erlebt und erzählt wird das alles vom Finanzmanager des Projektes,
Mickey "Micko" Sandoval. Er hat sich vor allem mit den politischen Bebenwellen
auseinanderzusetzen, die von den tiefgefrorenen Köpfen ausgehen, während
die beiden Wissenschaftler William und Rho davon nicht so recht Notiz zu
nehmen scheinen. Er wird selbst zum Werkzeug der Machtpolitik der Mondsyndikate
und wird durch die Katastrophe am Ende auf eigenartige Weise verändert.
Greg Bear schreibt schnell, dicht und schnörkellos. Man erlebt
das Geschehen quasi hautnah mit. Was eigentlich in der Eisgrube vor sich
geht, läßt er am Schluß offen - erst in der Fortsetzung
wird sich der Leser über die (pseudo-) wissenschaftlichen Hintergründe
dessen ein Bild machen können. Der Autor schafft es, sowohl die auf
die Erreichung des Nullpunktes gerichtete Forschung als auch die an den
Bewußtseinsinhalten der Köpfe, sowie die Problematik der religiösen
Fanatiker eindringlich zu schildern und dabei die Erlebnisse der Charaktere
weitgehend im Vordergrund zu belassen. Seine Schläge gegen Lügenreligionen
sind keineswegs plakativ oder zu vordergründig, wenn einem auch der
Gedanke an Scientology fast unvermeidlich kommt, liest man von den Logologisten
und der Geschichte ihres Gurus.
Das Buch wurde recht gut illustriert und auch die Übersetzung
ist annehmbar. Wollen wir hoffen, daß Frau Bonhorst auch "Moving
Mars" übersetzen kann, damit wenigstens die begriffliche Kontinuität
gewahrt wird. Für den hard core Fan sind diese beiden Bücher
eine unbedingte Empfehlung.
Heads, (c) by Greg Bear 1990, übersetzt von Irene Bonhorst 1995, 171 Seiten, DM 9.90
SX 68
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