Greg Egan: Quarantäne

Greg Egan: Quarantäne
(Bastei Lübbe 24174)


Greg Egan ist ein Australier, und die Handlung seines Romans findet natürlich in Australien statt, ohne daß man allerdings irgendeinen Lokalkolorit spürt. In der genau datierten Zukunft, nämlich den 60er Jahren des nächsten Jahrhunderts, ist der Handlungsort ohnehin mehr oder weniger bedeutungslos geworden. Genauso wie die Hautfarbe eines Menschen, denn längst mußten sich die Südaustralier genetisch verändern lassen, um durch eine pechschwarze Haut der Strahlung des Ozonloches widerstehen zu können. Eine durchaus realistische Prognose (zumindest, was das Ozonloch angeht), denn schon heute strahlt das Fernsehen in Australien Sendungen darüber aus, wie man sich zu kleiden habe, um zu überleben.
Am 24.11. 2034 wurden für die Erde die Schotten dicht gemacht. Eine gigantische Barriere erschien irgendwo hinter der Plutobahn und riegelte die Menschheit vom Rest des Universums ab. Eine Erklärung gab es nicht.
Nach einer ersten Panik fand man sich notgedrungen mit dem Status Quo ab. 34 Jahre später ist die Barriere schon alltäglich geworden. Der Held, der Privatdetektiv Nick, denkt nur noch gelegentlich über sie nach. Sein Fall, denn das Buch beginnt als Krimi, betrifft eine Entführung. Laura, eine schwer geistesgestörte Frau (offenbar autistisch, obwohl das nicht gesagt wird), ist aus ihrem Raum in der Klinik verschwunden. Ein unbekannter Klient will, daß sie gefunden wird.
Nick ist ein ehemaliger Polizist und ziemlich gut verchromt, wie ein Shadowrunner sagen würde. In seinem Kopf befinden sich etliche "Module", nanotechnologische Wunderwerke, die ihm erlauben, seine Körperfunktionen zu steuern, Daten zu speichern und im Prinzip wie ein Computer zu arbeiten. Cyberspace also. Die Beschreibungen, wie er mit seiner Hard- (Wet-?) ware umgeht, sind sehr interessant und gut vorstellbar - im Gegensatz zu manch anderem CP-Werk.
Er geht also an die Arbeit und findet auch bald eine Spur, die nach Nordaustralien in die Kunststadt Neu-Hongkong führt. Scheinbar hat ein dort angesiedelter Konzern die Frau entführen lassen. Nur das Motiv ist unklar. Nebenbei erfährt Nick, daß Laura bereits zweimal aus ihrem Raum ausbrach - keiner weiß, wie.
Schon bald ist Nick in den Konzern eingedrungen und rüstet zur Extraktion Lauras, da schnappt man ihn. Statt sich mit einer Leiche rumzuärgern, hat man in der Zukunft eine elegantere Lösung: ein Loyalitätsmodul ins Gehirn, und der einstige Gegner ist zum glühendsten Mitstreiter geworden.
Etwa ab der Mitte des Buches verliert sich die Struktur des Krimis in einer hard core SF Handlung. Als Mitarbeiter an dem Projekt, das Laura entführte, erfährt Nick langsam, worum es wirklich geht. Natürlich hat es etwas mit der Barriere zu tun, umsonst versperrt die ja nicht den Blick auf den Himmel.
Um hier nicht zu viel von der Handlung zu erzählen, will ich nur noch erwähnen, daß der reine SF-Teil des Buches interessante Blickwinkel auf das Universum offenbart. Man darf sich durch ein paar schwierige Stellen über Quantenphysik nicht irritieren lassen. Die "science"-Teile lesen sich nicht ganz einfach. Man muß als Leser ein bestimmtes Vorstellungsmuster akzeptieren, um mitzukommen. Die Fragen, wer Laura ist und warum sie entführt wurde, klären sich schließlich, und eine ganz neue, atemberaubende Perspektive eröffnet sich.
Allein der Schluß ist ein wenig eigenartig, als wollte Greg Egan ein Ende vermeiden, das zu sehr nach Happy End aussieht. Was ja auch nicht schlecht ist.
Der Roman ist im Präsens geschrieben (wie auch K. Kerrs "Polar City Blues" - sollte das etwa am Übersetzer liegen?), was nicht immer einfach zu lesen ist. Aber die spannende Handlung läßt das leicht vergessen.

[Quarantine, © Greg Egan 1992, übersetzt von Jürgen Martin 1993, 380 Seiten, DM 9.90]
  

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