Aus der Wühlkiste
Gregory Benford: Artefakt
(Heyne 06/4363)
Sicher geht es auch anderen Lesern wie mir - sie kennen das Buch noch
nicht, obwohl es schon von 1987 stammt. Man kann ja nicht alles sofort
kaufen oder lesen. Da ich dann las, daß Benford hard SF schreiben
würde, fing ich also damit an, mir seine auf Deutsch erschienenen
Bücher zuzulegen. Hier ist nun das Ergebnis eines ersten Leseversuches.
Es ist wahr, Gregory Benford kann zu der Gruppe von SF-Autoren gerechnet
werden, die sich der "traditionellen" Form der wissenschaftsbetonten SF
verschrieben haben. Bei so etwas denkt man natürlich zuallererst an
Raumschiffe, ferne Planeten usw. Da bildet das vorliegende Buch allerdings
eine Ausnahme. Die eine Wissenschaft, um die es hier geht, ist die Archäologie,
erst in zweiter Linie taucht die Physik auf, quasi um ihr beizustehen.
Bei einem 500-Seiten-Buch hatte der Autor sehr viel Platz, um sich
der Darstellung archäologischer Methoden, Theorien und Forschungen
zu widmen, was später im Buch von der Darstellung physikalischer Methoden,
Theorien und Forschungen abgelöst wird. Dabei überschreitet Benford
für meinen Geschmack aber an einigen Punkten die feine Grenze, wo
es langsam langweilig wird. Man neigt dann rasch dazu, seitenlange Ab-schnitte
einfach zu überspringen.
Das Buch handelt davon, daß bei einer amerikanisch-griechischen
Ausgrabung in Griechenland in einem Königsgrab unverhofft ein eigenartiger
Gegenstand entdeckt wird. Hinter einer Wand befindet sich ein würfelförmiger
Kalksteinblock mit Schriftzügen und einem "Zapfen" aus Bernstein.
Die beiden Amerikaner Claire und George, die auf den Block stoßen,
sind die letzten verbliebenen Expeditionsmitglieder, denn die Grabungen
müssen abgebrochen werden, weil Unruhen im Lande drohen. Über
den Zeitpunkt der Handlung wird übrigens nichts ausgesagt. Hat es
nicht in Griechenland tatsächlich mal einen Putsch gegeben? Aber andererseits
gibt es ein paar Details, die dann doch auf die Zukunft hinweisen: eine
amerikanische Raumstation (da könnte allerdings Skylab gemeint sein)
und vor allem ein weiblicher amerikanischer Präsident. Aber
egal, wann die Sache handelt. Es wird geputscht und ein ebenso ehrgeiziger
wie gewissenloser griechischer Oberst Kontos macht den Archäologen
allerhand Ärger. In den Wirren gelingt es Claire, George und dem neu
hinzugezogenen Mathematiker John, den geheimnisvollen Block nach Amerika
zu bringen, wo man ihn im MIT genauer untersuchen will.
Um nicht gar zu trocken über Wissenschaft zu schreiben, gibt es
auch eine Liebesgeschichte zwischen Claire und John, außerdem verfolgt
Kontos die drei Amerikaner mit seinem Haß und seinen Handlangern.
Er versucht sogar, das Fundstück wieder zu entführen. An dieser
Stelle schaltet man die Regierung ein, also die NSA. Von da an gleicht
alles eher einer militärischen Kommandoaktion.
Ach ja, das macht man natürlich nicht, weil es sich bei dem Block
um einen wertvollen griechischen Nationalschatz handelt. Es stellt sich
heraus, daß in seinem Inneren eine Singularität, also ein Mini-Schwarzes
Loch, gefangen ist. Dummerweise scheint es noch eine zweite zu geben, und
die beiden ziehen sich nun mit großer Kraft an. Die Physiker befürchten,
daß beim Zusammenstoß ein paar Megatonnen Energie freiwerden
könnten...
Also muß das Ding schnell wieder zu seinem Zwilling nach Griechenland
gebracht werden. Was man nur mit Hilfe der Marines fertigbringt, da Kontos
schon wieder aufkreuzt. Ein unangenehmer Typ.
Eine kleine Besonderheit bei dem Buch ist, daß das Eingreifen
der NSA in die Belange der ach so reinen Forschung nicht wie sonst üblich
als negativ dargestellt wird. Benford scheint mehr Vertrauen in seine Regierung
zu haben als andere SF-Autoren.
Der Roman ist kein herausragender Klassiker, sein Stil neigt zu langweiligen
Längen und die restliche Handlung bedient sich der Stereotypen, die
inzwischen schon oft benutzt worden sind. Sowohl Mini-Black-Holes im Inneren
der Erde als auch die altkretische Kultur, welche häufig mit der Atlantis-Legende
in Zusammenhang gebracht wird, tauchten in der SF schon des öfteren
auf. Da dieses Buch jedoch schon über zehn Jahre alt ist, könnte
es sein, daß Benford damals vielleicht sogar eine neue Idee
hatte.
Der Übersetzer hätte sich möglicherweise ein klein wenig
mit physikalischen Termini beschäftigen sollen, wenn er schon hard
core SF angeht. Viele seiner wörtlichen Übertragungen sind daher
natürlich falsch und geben Rätsel auf. Von einem derart langjährigen
Profi könnte man als Leser wohl mehr erwarten. Positiv ist noch zu
vermerken, daß der Roman mit einer Reihe von "Feldskizzen" der Wissenschaftler
angereichert ist, welche die beschriebenen Objekte und Örtlichkeiten
vorstellbar werden lassen.
Artifact, © Abbenford Associates 1985, übersetzt
von Walter Brumm 1987, 508 Seiten, DM 12.80
SX 80
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