Hans Joachim Alpers: Die Graue Eminenz

Hans Joachim Alpers: Die Graue Eminenz
(Heyne 06/5106, 499 Seiten, DM 12.90)


Nun hat es Alpers also doch noch geschafft, den dritten Teil seiner Trilogie "Deutschland in den Schatten" mit Verspätung abzuliefern. Ich werde auch dieses Buch nur als Roman in der Reihe der anderen Shadowrun-Bücher betrachten, nicht in Verbindung mit dem Rollenspiel, das ihm offenbar als Vorlage diente. Die ersten beiden Bände "Das zerrissene Land" und "Die Augen des Riggers" wurden bereits in SX 53 und 59 besprochen. War ich vom ersten Teil noch einigermaßen angetan, so gefielen mir an dem zweiten Band schon einige Sachen nicht mehr, wobei ich die Trilogie deshalb nicht gleich als schlecht bezeichnen möchte.
Es liegt nahe, den deutschen Beitrag zu Shadowrun mit den amerikanischen Originalen zu vergleichen. Einerseits gelingt es Alpers relativ gut, typische Elemente zu übernehmen, das Flair zu erhalten, ohne auf deutschen Lokalkolorit zu verzichten. Andererseits gelingt es ihm nicht, die Struktur der Romane nachzuvollziehen, die in der Regel von einer Vielzahl einzelner Episoden, die erst am Ende zu einem Muster werden, geprägt ist. Das mag daran liegen, daß die vorliegenden Bücher von Anfang an als Trilogie konzipiert waren. Im Gegensatz zu amerikanischen Fortsetzungen schließt Alpers seine Romanhandlungen aber nicht am Ende eines Buches ab, sondern er läßt fast alles offen. Er betrachtet die Trilogie also als ein Gesamtwerk, das ebensogut auch in einem Band hätte erscheinen können. Bei drei über ein Jahr verteilten Erscheinungsterminen ist es für den Leser ein wenig schwierig, da den Anschluß nicht zu verpassen.
Mit der üblichen Ausdrucksweise im Shadowrun hat Alpers mehr Schwierigkeiten, als es noch beim ersten Teil den Anschein hatte. Es fällt vor allem auf, daß er nicht die Umschreibungen für gewisse "harte" Worte benutzt, die sonst gebräuchlich sind. So schreibt ein amerikanischer SR-Autor niemals von "shit", sondern nur von "drek", auch in Zusammensetzungen (z.B. drekhead, oder "drekker" für WC). Nie benutzt man das heute so verbreitete "fucking" - immer sagt man "fragging". Das hält Alpers jedoch nicht davon ab, seine vulgäre deutsche Sprache weiter zu kultivieren. Ich bezweifle deshalb sehr, daß man ihn irgendwann ins Englische übersetzen wird.
Ebenso übertreibt er meiner Ansicht nach den Sex etwas, wie ich schon in SX 59 schrieb. Seine Darstellungen befinden sich dabei immer noch auf dem Niveau von schlechter pornographischer Literatur. Auch das ist für Shadowrun unüblich, vermutlich wegen der Zielleserschaft, die in den USA angestrebt wird.
Was ist zur Handlung zu sagen? Der Schattenläufer Pandur bemüht sich noch immer, in die Rolle des Jägers zu schlüpfen und die Graue Eminenz zu finden, die ihn am Anfang der Trilogie benutzte und am Tod einiger seiner Freunde schuld ist. Er leidet also weiter an maßloser Selbstüberschätzung, was eine Art Unlogik in der Handlung bedingt. Wie schon im zweiten Teil hat er dabei vor allerlei Mordgesindel auf der Hut zu sein und erlebt verschiedene Abenteuer quer durch Deutschland - Gelegenheit für Alpers, diverse deutsche Magien einzusetzen: Steinkreise, Hexentanzplatz und Walpurgisnacht. Er begegnet ein paar alten Bekanten wieder und trifft neue Leute. Leider kann er die vielen bestehenden Mißverständnisse nicht ausräumen - ist auch irgendwie schwer, wenn man nur mit Hilfe von MPis redet.
Es ist bei all den schon erfolgten Andeutungen nicht überraschend, daß seine Freundin Natalie tatsächlich noch lebt - wie ich in SX 53 voraussagte. Die böse Zigeunermutter mit ihrer manischen Sippentreue war wirklich schuld (und bekam gleich ihre Strafe). Erschien mir ein klein wenig problematisch und unsensibel vom Autor. Aber die Bösen müssen ja schließlich irgendwer sein. Hier sind es: Roma, Mafia, Konzerne, Genetik und Chinesen. Die Guten sind übrigens: Zwerge, Shadowrunner (pardon: Schattenläufer), Piraten und Drachen...
Am Ende des Buches gibt es einen Showdown mit einem kleinen Konzernkrieg und deus ex machina. Pandur und seine Leute siegen nicht aus eigener Kraft. Eine komische Art Aussage oder einfach gar keine? Die Guten leben jedenfalls noch und die Bösen sind alle tot und angemessen matschig. Was will man mehr? Vielleicht eine Prise Spannung?
Na gut, die Trilogie ist nun abgeschlossen, alles ist geklärt, man kann sie getrost ins Regal stellen und so lange warten, bis man einmal Zeit und Lust hat, sie komplett zu lesen. Aber ich schätze, da gibt es bessere Bücher, die Priorität haben.

SX 67

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth