Hans Kruppa: Die Legende von Tay Manka

Hans Kruppa: Die Legende von Tay Manka
(lucy körner verlag 1993)


Kaum hundert Seiten hat das Buch, man liest es also schnell durch. Obwohl man gerade das vielleicht nicht tun sollte. Für das Buch des in Bremen lebenden Autors sollte man sich lieber ein wenig mehr Zeit nehmen. Zumindest zum Darübernachdenken.
»Die Legende von Tay Manka« handelt auf irgendeiner unentdeckten Südseeinsel zu irgendeiner Zeit. Es gibt keinerlei Bezüge zum Rest der Welt, also ist eine historische Einordnung nicht nötig. Die Insulaner haben auch keine Ahnung von der Existenz anderen Landes, sie glauben daran, der Mittelpunkt der »Schöpfung« zu sein und die einzigen Menschen inmitten des unendlichen Meeres.
Was sich wie eine Idylle anläßt, entpuppt sich schnell als ein Alptraum. Die Insel wird von den »Sieben Weisen« und ihren Kriegern beherrscht. Aller sieben Monate opfert man ein Kind dem Gott des Meeres, Unbotmäßige und Unbequeme werden von einer Klippe geworfen. Die Weisen regieren mit einem Gespinst aus Lügen und Aberglauben, das sie als die Großen Wahrheiten hinstellen.
Ein Mann namens Gando will dem aber nun ein Ende bereiten. Er wandert über die Insel und redet mit den Menschen, um sie zum Widerstand gegen die Herrschaft der Weisen aufzumuntern. Jedoch möchte Gando diese nicht durch den Kampf stürzen, in dem es zweifellos viele Tote geben würde, sondern möglichst gewaltlos. Sicher ist es kein Zufall, daß sein Name so ähnlich wie Ghandi klingt...
Als das nächste Kind geopfert werden soll, ist er bereit und überzeugt schließlich die Dorfleute und sogar den Anführer der sogenannten Boten, der Krieger der Weisen, von seiner Sache. Ihm hilft dabei, daß er eine Holzskulptur gefunden hat, die das Meer aus einem offensichtlich anderem Land angespült hat.
Am Ende wird eine neue Lebensordnung verkündet, die einfach ideal anmutet. Freiheit, Gleichheit und Frieden. Nicht zu vergessen - Demokratie.
Das in kursiver, blauer Schrift auf hellgelbem Papier gedruckte Buch enthält eine Menge Dinge, über die man nachdenken kann - »Bezüge zur heutigen Wirklichkeit« nennt es der Klappentext. Keine aktionsreiche Handlung, keine Kämpfe und Abenteuer, dafür aber eine hervorragende, fast poetische Sprache und eine Botschaft. Man zweifelt nicht daran, daß die Geschichte gut ausgeht, aber es liest sich dennoch spannend.
Man könnte eventuell meinen, daß die Probleme zu schnell bewältigt wurden, daß der spionierende Böse im Dorf seitenlang vor seiner Enttarnung zu erkennen war, und es ein wenig zu schön paßt, daß er gerade der Gefährte des Mädels ist, das Gando dann glücklich bekommt. Aber ich glaube nicht, daß darauf der Schwerpunkt dieses kleinen Buches liegt.
Der Verlag bezeichnet es als Märchen für Erwachsene, man könnte es aber auch als Fantasy sehen. Sicher aber ist es Phantastik. Es gibt keine übernatürlichen Vorkommnisse oder fremdartige Wesen, sondern es wird nur die Geschichte erzählt, die in einem imaginären Land spielt, sich aber durchaus so ereignet haben könnte, vorausgesetzt, man stellt sich ein völlig isoliertes Volk auf einer Insel vor, das keine Überlieferungen mehr daran hat, wie es dorthin geraten ist.
Von Hans Kruppa (42) ist beim lucy körner verlag noch »Das Zauberbuch« erschienen; außerdem hat er weitere Märchen, Romane, Gedichtbände und Kurzgeschichten veröffentlicht.

[Hans Kruppa, Die Legende von Tay Manka, 110 Seiten, kart., DM 16,-, ISBN 3-922028-22-5] 

SX 51

 

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