Isaac Asimov: Die vierte Generation
Die
ASIMOV-Chronik - Die vierte Generation
(Heyne 01/8228)
Nun, ich gebe zu, ich bin Asimov-Fan. Trotzdem ging ich nicht allzu
begeistert an den zweiten Band der "Chroniken" heran. Der erste Band erschien
als "Robot ist verloren" (01/8199) bereits, der dritte soll heißen
"Die Menschheit wird gerettet". Wieder mal ein Sammelband, der den
Anspruch erhebt, die besten 50 Stories des Autors aus 50 Jahren des Schreibens
zu veröffentlichen, dachte ich. Gibt es da noch nicht genug davon?
Martin H. Greenberg scheint zumindest eines zu wissen: was denn nun die
besten Stories von Asimov sind. Und so packt er sie in Bücher und
auf die Ladentische. 16 Stück sind es diesmal. Man kann sich vermutlich
streiten, welches nun wirklich die besten sind. Vielleicht weiß das
nicht einmal der Meister selbst. Er nennt seine Copyrightfirma zwar Nightfall,
Inc. - nach einer seiner Stories, aber ob er diese als seine beste ansieht?
Jedenfalls ist "Nightfall" nicht in diesem Band enthalten. Allerdings
mußte ich, der ich dachte, nur Bekanntes zu finden, mich belehren
lassen, was ich alles noch nicht gelesen hatte. Sogar die wirklich berühmte
(?) Story "Auf marsianische Art" war mir bisher noch nie untergekommen.
Nur im Zusammenhang mit Clarkes Roman "The Sands of Mars" hatte mich mal
jemand auf Parallelen hingewiesen. Für alle, die sie auch noch nicht
kennen: böse Politiker wollen der Marskolonie den Wasserhahn zudrehen,
die jedoch holt sich flugs Wasser aus den Saturnringen. Die bösen
Politiker laufen grün an. Man merkt, daß die Story von 1952
stammt, später hätte Asimov derart viele, vom heutigen Standpunkt
raumfahrttechnisch falsche Dinge nicht von sich gegeben. Dampfgetriebene
Raumschiffe, na ja! Clarke war da in seinem Roman schon weiter. Aber immerhin,
die Geschichte wird deshalb nicht schlechter.
Es folgen mehr oder weniger für Asimov typische Geschichten, von
denen tatsächlich fast alle überzeugen können. In "Sally"
trifft der Leser einen Autonarren, der sich auf einer Farm Autos hält.
Nun sind das aber nicht eigentlich Autos, sondern die Urform des positronischen
Robots! Eine ganz ganz frühe Robot-Story also. Die Wagen haben positronische
"Gehirne" und entwickeln am Ende tatsächlich so etwas wie einen eigenen
Willen.
"Die Schule" ist dagegen schwächer. Man lamentiert, wie schön
es doch früher war, als die Kinder noch von Menschen unterrichtet
wurden und nicht vom Automaten, der bei jedem Kind zu Hause steht. Heißt
übrigens eigentlich "The Fun They Had".
"Wahltag im Jahre 2008" kannte ich, fand ich auch damals beim ersten
Lesen nicht so berauschend, ist aber interessant, da Multivac auftritt,
der Vorläufer der Robots, Asimovs längst überholter Supercomputer.
Worum gehts? Statt allen wählt nur noch einer den Präsidenten,
es ist aber genauso undurchsichtig wie jede Wahl in der sogenannten Demokratie.
Blödsinnigerweise hat man "The Last Question" in "Wenn die Sterne
verlöschen" umgetauft. Zu dieser Story wird eine gesonderte Rezi folgen,
so daß ich hier nichts weiter schreiben möchte.
Auch "Profession" bekam mit "Die Olympiade der Techniker" einen etwas
unglücklichen deutschen Titel, denn es sind beileibe nicht nur die
Techniker, die da in Wettstreit treten. Eine interessante Sache um Berufsfindung
und Kreativität. Auch ein überraschender Schluß.
Eine der bekannteren Stories ist "Die Mutter des Neandertalers" ("The
Ugly Little Boy"). Recht lesenswert, obwohl das Ende hier so zwangsläufig
ist, daß man sich wundert, daß die Protagonisten es so spät
mitkriegen.
In "Die vierte Generation" reflektiert Asimov wohl ein wenig über
sich selbst. Ist doch auch er als Jude mit seinen Eltern in frühester
Kindheit aus der Sowjetunion (oder noch Rußland?) ausgewandert wie
sein Held Sam Marten.
Von den folgenden Geschichten ist noch erwähnenswert "Die Maschine,
die den Krieg gewann", weil sich Asimov hier mitsamt seinem liebsten Kind,
dem Computer Multivac, ein wenig auf die Schippe nimmt. Der unschlagbare
Supercomputer einmal auf den Kopf gestellt!
"Des Meisters Meister" erinnerte mich an E.F.Russels Story "Logisch
aufgebaut", nur war die lustiger. Der Autor erfolgreicher Serienromane
verliert die Kontrolle über seinen Helden, der sich materialisiert
und nur durch Umschreiben einer Story verdrängt werden kann. Na ja.
"Verschlüsselte Botschaft" gibt Asimov Gelegenheit, seine Ader
für komplizierte Plots oder detektivistische Analytik richtig auszuleben.
Eigentlich geht es nur darum, eine Botschaft zu entschlüsseln, was
nach einigem Hin und Her dann auch dem Leser schön vorgetragen wird.
Eine beste Story?
"Energie aus dem Nichts" sollte unter dem richtigen Titel "Der Billiardball"
auch jedem Ost-SF-Fan ein Begriff sein, war das doch eine der ersten Asimov-Geschichten,
die bei uns herauskam, wenn nicht sogar die erste überhaupt.
Wie zu bemerken sein dürfte, halte ich die deutschen Titel in
manchen Fällen für etwas fragwürdig. Aber man wird sicher
einen Grund für die Wahl der Bezeichnungen gehabt haben. Oder nicht?
Alles in allem, eine dicke Schwarte Asimov. Für manchen ein Sammel-Muß,
für andere höchst ärgerlich, weil sie 90% der Stories schon
woanders drin haben; und für die restlichen 10% ganze 14.80 DM ausgeben?
Allerdings, wer noch nicht allzuviel vom Großen Meister hat, kann
sich diese Trilogie mit ruhigem Gewissen zulegen. Macht sich auch ganz
gut in der Schrankwand...
SX 22
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