Isaac Asimov's Science Fiction Magazin 43

Isaac Asimov's Science Fiction Magazin 43
(Heyne 06/5141, 320 Seiten, DM 16.90)


Ist das die Science Fiction Erzählung der 90er Jahre? Das Buch konnte ich nur in kleinen Dosen rezipieren, sonst hätte ich mir wohl entweder eine große Flasche Whisky oder den Strick nehmen müssen. Die überwiegende Mehrzahl der gesammelten Stories ist derart abstoßend und häßlich, daß es einen schüttelt. Sehen SF-Autoren die nähere Zukunft tatsächlich in einem solchen Licht? Was hält die dann eigentlich noch davon ab, aus dem Fenster zu springen? Ein Gitter vielleicht?
Es sind größtenteils recht bekannte Autoren, die man in der 43. deutschen Ausgabe des Magazins versammelt hat. Die Zukunftssicht, die sie zum besten geben, ist beklemmend. Kaum eine Story konnte ich lesen und mich dabei an ihr erfreuen. Im Bereich des Cyberpunks findet man solche Vorstellungen am ehesten, eine kapputte Welt, in der nur noch Elend und Gewalt regieren, der Mensch nicht das geringste mehr wert ist und sich nicht dagegen wehren kann. Aber die Stories dieses Bandes sind kein CP.
Hier sind sie.
James Patrick Kelly: Nur eine Frage der Hormone (Chemistry, 1993). Diese bedrückende Geschichte über eine Welt, in der man nicht mehr auf natürlichem Wege lieben kann, eröffnet den Reigen. Wenn man das Bedürfnis danach hat, so ähnlich, als ob man heute zur Disco geht, läßt man sich in einem Etablissement auf chemischem Wege das garantiert echte Gefühl der Liebe eintrichtern. Am Ende der Geschichte scheint wenigstens das wahre Gefühl zu triumphieren, es stellt sich heraus, daß der Partner der Protagonistin gar kein Geld dazu hatte, sich jene Hormone verpassen zu lassen.
Nancy Kress: Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt... (The Mountain to Mohammed, 1992). Hier geht es um einen Arzt, der illegal Patienten behandelt. Illegal deshalb, weil es sich um Menschen handelt, die von der Sozialversicherung aus den verschiedensten Gründen ausgegrenzt wurden. Ihre Behandlung ist verboten, der Staat verschwendet keine Mittel mehr auf sie. Die Darstellung der Problematik der Sozialversicherung ist zentral in der Geschichte, was mit dem Arzt passiert, eigentlich nebensächlich. Eine sehr bösartige Dystopie, die auf schreckliche Weise an die Wirklichkeit erinnert. In den USA mag das noch schlimmer sein, aber hat es nicht auch in Deutschland schon angefangen? Immer höhere Zuzahlungen zu Medikamenten und ärztlicher Behandlung - welcher "Geringerverdienende" kann es sich denn noch leisten, z.B. zum Zahnarzt zu gehen?
Mary Rosenblum: Entrada (Entrada, 1993). Entrada ist der Eingang, die Tür, und zwar in die Gesellschaft. Gesucht wird sie von einer jungen Guatemaltekin in den USA, die als Pflegerin einer reichen alten Frau angestellt ist. Als diese stirbt, droht ihr das Todesurteil. Wie sich herausstellt, hat die Alte aber im Gehirn der jungen Frau Informationen abgespeichert, die ihre Chance sein könnten. In edler Weise nutzt sie diese aber nicht, was die Story nicht von einem Happy End abbringt. Neben der Situationsbeschreibung lateinamerikanischer Einwanderer, ein wenig High Tech und Cyberspace kaum beeindruckend.
Larry Niven: Der Sinn des Wahnsinns (Madness Has Its Place, 1990). In der Zukunft gibt es eine mächtige Institution, die potentiell gefährliche Erfindungen und Technologien unterdrückt. Daher gibt es seit ein paar hundert Jahren keinen Krieg mehr. Der Geheimdienst ARM rekrutiert mit Vorliebe schizoide Paranoiker, um auch ja wachsame Mitarbeiter zu haben. Als die Erde von acht Meter großen Katzen aus dem Weltraum angegriffen wird, bereiten ein paar dieser Leute dennoch insgeheim die Verteidigung vor. Was ich von dieser Geschichte halten soll, weiß ich auch nicht, sie war allerdings nicht ganz so nervig wie die anderen. Für den Autor aber eher ein schwacher Tag.
Dafydd Ab Hugh: Wie der Waschbär rollte und sich den Hals aufriss (The Coon Rolled Down and Reptured..., 1990). Den absoluten Vogel abgeschossen hat aber diese Story, und zwar in negativer Hinsicht. Sie wird aus der Sicht eines Skunks erzählt und handelt in einer Welt, in der nach einer Katastrophe viele den höheren Tiere halbwegs intelligent geworden sind, die Menschen aber auf deren Stufe hinabsanken. Das wäre eine ganz gute Story gewesen, wenn sich der Autor nicht entblödet hätte, in ausführlicher Weise Szenen der Sodomie zu beschreiben, welche für die Handlung völlig bedeutungslos bleiben. Wie so etwas in ein deutsches Buch gelangen konnte, ist unerklärlich. Einfach geschmackloser Quatsch.
Steven Utley: Haiti (Haiti, 1992). Auch dieser Autor beschreibt eine Welt, in der alles nur noch viel schlimmer geworden ist. Die WHO ist zusammengebrochen, und auf Haiti grassiert in den Slums die Cholera. Nun, das ist ja in Afrika fast Realität geworden, nicht wegen eines Zusammenbruchs, sondern wegen Schwerfälligkeit. Der Held, ein amerikanischer Freiwilliger, ist hilflos. Und auf dem Mars sind gerade die Amerikaner gelandet. Eine Wiederholung der sicher bekannten Karikatur, in welcher zwei Farbige in Mülltonnen wühlen und der eine sagt, die Amis seien auf dem Mond gelandet...
Charles Sheffield: Safari in die Tiefe (Deep Safari, 1992). Die Story liest sich wie eine Kurzfassung von Asimovs "Phantastische Reise" bzw. "Doktor Shapirows Gehirn". Mit Nanotechnologle dringt man in das Gehirn einer Patientin ein. Außerdem nutzt man diese Technik, um auf Safaris nach "Kleinwild" zu gehen - Spinnen und Tausendfüßler - denn das Großwild ist längst ausgerottet. Wenigstens dies war eine ganz normale SF-Story ohne dicken Zeigefinger. Außerdem löst der Held seine privaten Probleme und bekommt eine Milliardärin. Phhh!
Valerie J. Freirich: Das Wunder (The Prodigy, 1993). Hier sind Außerirdische auf der Erde gelandet, die viel klüger als die Menschen sind. Einer der Leute, die mit ihnen kommunizieren können, begreift schließlich die demütigende Position der Menschheit, die wohl in der Lage eines geistig etwas Zurückgebliebenen ist, vor dessen Handlungen man ihn und andere schützen muß. Vielleicht die beste Geschichte in dieser Sammlung.
Geoffrey A. Landis: Aufprall-Parameter (Impact Parameter, 1992). Ein Schwarzes Loch wird entdeckt, das auf die Erde zu rast und sie in zehn Tagen vernichten wird. Die paar Astronomen, die das mitbekommen, entscheiden sich, zu schweigen, um nicht von der Publicity erschlagen zu werden. Man bereitet sich privat auf den Weltuntergang vor, der dann doch nicht kommt. Das Schwarze Loch ist ein Wurmloch und heraus kommt - na ja, nicht Commander Sisko, aber ein außerirdisches Raumschiff. Brrr! Wenn die Welt wenigstens untergegangen wäre!
Stefan Sprang: Das letzte Siegel. Der deutsche Beitrag ist wieder mal unlesbar. Angestrengt bemühtes Wortgezappel.

Fazit: Eine Sammlung von abscheulichen Zukunftsvisionen, schlechten Stories und ein paar Banalitäten. Die SF scheint am Ende zu sein. Beerdigt sie.
 
SX 57

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