Isaac Asimov's Science Fiction Magazin 42. Folge

Isaac Asimov's Science Fiction Magazin 42. Folge
(Heyne 06/5085)


Es ist keine Lektüre für ein geruhsames Osterfest gewesen, dieses IASF Magazin Nr. 42. Leute, die mehr zu den Positivdenkern gehören, sollten lieber die Finger von diesem Buch lassen. Die sieben Erzählungen mir relativ wenig bekannter Autoren verbreiteten keinen Optimismus, eher eine düstere Stimmung. Wahrscheinlich sind sie auch mit dieser Absicht ausgewählt worden. Die Werke stammen aus den Jahren von 1990 bis 1994, sind also tatsächlich neue SF.
"Die Treppe" von Mary Rosenblum leitet den finsteren Reigen ein. In einer Endzeitwelt ist das einzig profitable Geschäft das mit Eisbergen aus der Antarktis. Ein Mann ohne Gedächtnis gehört zu den Eis-Ingenieuren, die in lebensgefährlicher Arbeit die Kolosse nach Norden bis vor die Küste von L.A. holen. Nachdem er an Land gegangen ist, wird er schließlich mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Die Story beschreibt einerseits eine dystopische Zukunft, die so unwahrscheinlich gar nicht ist, andererseits greift sie ein psychologisches Thema auf, das der Zukunft eigentlich gar nicht bedarf.
Robert Reed präsentiert ein böses Stückchen mit dem Namen "An der Schwelle zu einem strahlenden neuen Zeitalter". Auch hier fahren die beiden Figuren mit dem Zug durch eine öde, ökologisch kapputte Landschaft. Aber eigentlich geht es um den Erstkontakt mit Außerirdischen. Die sendeten aus ferner Ferne einige Bilder ihres Planeten und einen Gruß. Dann war Schluß. Das strahlend neue Zeitalter brach nicht an. Der Erzähler berichtet zudem, wie er jene aufregende Nacht dazu nutzte, seine Frau und ihren Liebhaber umzubringen. Eine sehr harte Sache, das Ganze.
Melanie Tem trug "Bröselspur" zum Buch bei, und da fließen die Grenzen zum Horror schon auseinander. Die Story, oder besser ihr Inhalt, ist unglaublich abstoßend geschildert. Wenn man endlich am Ende angelangt ist, ohne zu einem gewissen Örtchen gerannt zu sein, hat man gute Nerven bewiesen. Und was das Interessante an der Geschichte ist, sie stellt eine Variation des "Hänsel & Gretel" Themas dar, das ja, wenn man es mal genau betrachtet, wie viele Märchen recht brutal ist.
Greg Egan schrieb "Die Liebkosung". Mit dem Titel ist ein bestimmtes Bild gemeint, was ein exzentrischer, reicher Perversling in der Realität nachzustellen versucht. Die Hauptperson ist ein Polizist, was ihm aber nicht im geringsten hilft. Er kann das begangene Verbrechen nicht aufklären, sondern wird selbst Opfer. Er bleibt hilflos, auch als er wieder freikommt und den Verantwortlichen anklagen könnte. Geht aber nicht, da er reich und mächtig ist. Eine bittere Lektion in Sachen Gerechtigkeit.
"Carita" von Sage Walker heißt eigentlich "Roadkill", was aber in seiner Zweideutigkeit die Pointe ein wenig vorwegnimmt. Auch der Name der einen Protagonistin, Carita, ist ein Wortspiel mit Caritas. Hier geht es um den medizinischen Betrieb in der Zukunft. Aber es ist kein James White'sches Orbit Hospital, sondern ein grausames Massenabfertigungskrankenhaus unserer, verzeihung, der kommenden Tage. Die Kranken werden in Stufen der Hilfsbedürftigkeit klassifiziert, aber halt, schon wieder verschrieben: der Hilfswürdigkeit. Alte und sozial Schwache erhalten einfach keine Hilfe. Sie werden liegengelassen. Aidskranke werden eliminiert. Danach verbrennen die Nachbarn ihre Häuser.
Auch "Schutzhaft" von Maureen McHugh ist eine häßliche, schreckliche Geschichte über die "Schöne neue Welt". Ihr politischer Tenor sprach mich allerdings weniger an, da sie den Gedanken ausspinnt, wie ein sozialistisches Amerika aussehen würde. Eine Mischung aus Stalinismus und Faschismus, aufgekocht und angedickt - diese eklige Suppe wird dann über den Leser ausgekippt und fertig. Na ja.
Der traditionelle deutsche Beitrag stammt diesmal von Barbara Slawig und heißt "Vogelkralle". Er handelt davon, daß die Erde am Ende ist und die Menschheit auf irgendeine Weise zu einer neuen Erde auswandert. Allerdings müssen Alte und Mißgebildete (wie der Held) zu Hause bleiben. Dieses Bild reiht sich nahtlos ein in das Mosaik der Finsternis, das hier zusammengestellt wurde, wenn auch die eigentliche Handlung der letzten Story etwas undurchsichtig und dünn bleibt.
Das Konzept ist spürbar, aber ob das die SF der 90er ist, die jeder unbedingt lesen will? Auf die Dauer haben Dystopien den Nachteil, daß sie ermüden. Wer will sich schon ständig sagen lassen, heute ist es schon schlecht, aber es wird noch viel schlimmer kommen - und wir können gar nichts dagegen tun!

[Herausgeber: Friedel Wahren 1994, 299 Seiten, DM 14,90] 

SX 50

 

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