Jack McDevitt: A Talent For War

Jack McDevitt: A Talent For War
(dt.: Die Legende von Christopher Sim)
(Ace Books)


Der Autor ist einer der neueren Leute in der SF-Gilde. Vor dem Roman "A Talent For War" erschien von ihm bei Ace "The Hercules Text". (Bei Bastei erschien "Erstkontakt", wobei ich nicht weiß, ob das dasselbe ist.) Das vorliegende Buch, dessen Originaltitel soviel bedeutet wie "Ein Talent für den Krieg", ist inzwischen auch bei Bastei erschienen. Das Buch gehört zur oft schon totgesagten Gattung der hard-SF. Es handelt in einer sicher sehr fernen Zukunft und es spielt im Weltraum und auf fremden Planeten; alles ist dabei: Raumschiffe, Aliens - und ein interstellarer Krieg.
Letzterer ist allerdings längst Vergangenheit. Wenn man mit den Feinden von früher jetzt auch nicht gerade eng befreundet ist, man bekriegt sich im Augenblick nicht mehr. Der Verdienst, daß der Konflikt vor etwa zweihundert Jahren beigelegt werden konnte, wird vor allem einen Mann zugeschrieben: Christopher Sim. Die Menschheit, die über eine große Zahl von Planeten der Galaxis verteilt ist, verehrt Sim uneingeschränkt als einen Helden. Er war zu seiner Zeit nicht nur ein brillianter Militär, sondern sein Opfertod brachte die Wende im Krieg, da die sich bis dahin noch zurückhaltenden Planeten sich daraufhin auf die Seite der von den Aliens bedrohten Welten stellten. Der pure Stoff, aus dem die Legenden sind.
Diesen Legenden muß nun ein Mann nachgehen, Alex Benedict, der Neffe eines Hobbyarchäologen, der ihm sein Vermächtnis hinterließ. Der Onkel schien irgendeinem Geheimnis auf der Spur gewesen zu sein, als er starb. Alex macht sich nun daran, dieses Rätsel zu lösen. Quer durch die Galaxis verfolgt er historische Quellen, sucht er nach Hinweisen und Beweisen, ohne eigentlich zu wissen, was er sucht, denn das Computerfile seines Onkels wurde gestohlen. Doch statt einer Aufhellung der Geschichte stößt Alex auf immer seltsamere Zusammenhänge, man trachtet ihm sogar nach dem Leben.
Ich will mich zurückhalten und nicht den ganzen Inhalt wiedergeben. Der Schluß ist überraschend, und bis dahin folgt man einer spannenden Handlung. Der Autor versteht es, in retrospektiver Form einerseits den interstellaren Krieg zu schildern, ohne diesen aber in den Vordergrund zu rücken, und andererseits vor seinem Leser ein akribisches Bild von der historischen Gestalt Christopher Sim erwachsen zu lassen, als würde man an tatsächlichen Geschichtsforschungen teilhaben. Das Rätsel um des Onkels Vermächtnis wird erst nach und nach enthüllt, und selbst dann birgt es noch überraschende Momente. Ein wenig erinnerte mich der Handlungsaufbau an Asimovs "Die Rettung des Imperiums", wo Hari Seldon ähnliche Untersuchungen zum Problem der Roboter anstellen muß. Nur weiß dort der erfahrene Leser in der Regel, daß es Roboter gab und was sie für die Menschen getan haben. Hier muß man sich ausschließlich an die Erlebnisse des Protagonisten halten.
Ich habe mir schon manchmal vorzustellen versucht, wie ein Geschichtsforscher der Zukunft wohl an die Untersuchung unserer Zeit herangehen würde. Unsere Historiker heute müssen sich bestenfalls mit Geschriebenem begnügen. Wollen sie noch weiter zurück, gibt es nicht mal mehr brauchbare Aufzeichnungen. Gerade las ich etwas zum historischen Hintergrund der Artus-Gestalt. Was im 5./6. Jahrhundert geschah, kann man heute nur noch verschwommen erahnen. Mit unserer heutigen Speichertechnik allerdings werden so viele Informationen gewonnen und gespeichert, daß das Problem des zukünftigen Forschers wohl eher sein dürfte, die von ihm gesuchten Dinge da herauszufischen. In etwa das muß der Protagonist des Romans auch machen. Zwar gibt es die meisten Informationen irgendwo, aber wo - und wie kommt man heran?
Interessant fand ich, wie McDevitt Elemente des Cyberspace in seine Welt integriert. Nämlich in der einzigen Weise, die mir angemessen erscheint. Nicht durch übertriebenen Cyberspace und -punk um seiner selbst willen, sondern als normalen Bestandteil der Umwelt der fernen Zukunft. In öffentlichen Einrichtungen oder Firmen gibt es z.B. KIs, die sich statt der Menschen um nebensächliche Dinge kümmern oder bestimmte Aufgabenbereiche wahrnehmen, wenn Menschen nach Geschäftsschluß nicht mehr da sind. Oder es gibt dem Cyberspace ähnliche Formen der Kommunikation. Die Leute müssen nicht unbedingt in persona zu bestimmten Orten gehen, sondern schicken ihre Holos über das Datennetz. Von der chaotischen Punk-Welt, die man fast schon zwangsläufig mit diesen Begriffen verbindet, keine Spur.
McDevitt hat mit dem Buch einen sehr interessanten space fiction Roman vorgelegt, der sich durch eine fesselnde Handlung, logischen Aufbau und eine gut gestaltete Welt auszeichnet. Manchmal ist es nicht einfach, den vielen pseudohistorischen Fakten zu folgen, die der Held nach und nach enthüllt, aber das Verständnis geht trotzdem nicht verloren. 

SX 35

 

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