James Herbert: Apokalypse
James
Herbert: Apokalypse
(Heyne 019133)
James Herbert hat ja als Horror-Autor einen recht zwiespältigen
Ruf. Manche seiner Bücher sind Spitze, andere eher Mittelklasse. Da
das auch eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, spricht die Tatsache
für die Vielseitigkeit des Autors. Also weiß man nie, worauf
man sich einläßt. Auf "Apokalypse" (eigentlich "Portent" = Warnzeichen)
kann man sich einlassen, das sei vorausgeschickt. Herbert hat hier ein
Buch geschrieben, das seinen deutschen Titel zu Recht trägt, das Buch
der Apokalypse, aber nicht etwa im biblischen Sinne! Dieses Buch
hat ja schon ein anderer verfaßt.
Anfangs fühlte ich mich unwillkürlich an den sehr guten Film
"Das siebte Zeichen" erinnert, aber der Eindruck war falsch. Wenn Herbert
auch bewußt mit ein paar verschwommenen religiös-mystischen
Bildern spielt, so doch nur, um seine Leser ein wenig in die Irre zu führen
und die Spannung anzuheizen. Am Ende des Buches angekommen, kann der schweißüberströmte,
heftig atmende Leser jedoch nicht sagen, daß der Autor irgend etwas
mit einer Religion im Sinn gehabt hat. Nicht einmal die traditionellen
Warnzeichen der biblischen Prophezeiung, die im erwähnten Film genau
erläutert werden, benutzt er. Es gibt doch viel schlimmere und wirkungsvollere
Dinge.
Dann wieder erinnerte mich das Buch, vor allem in einigen Stilmitteln,
an Brunners "Morgenwelt". Doch auch das trifft nicht den Kern der Sache.
Alles wird, allerdings auf eine recht verblüffende Weise, rational
- fast sogar wissenschaftlich - erklärt. Wenn der Roman nicht so viele
schreckliche Szenen enthielte, könnte man ihn sogar eher in den Bereich
SF rechnen als zum Horror. Klugerweise rechnet der Verlag ihn nirgends
dazu.
Der Roman handelt davon, wie das Krebsgeschwür Mensch endlich
vom Antlitz der Erde getilgt wird. Naturkatastrophen häufen sich in
einer nie gekannten Stärke und Heftigkeit. Je weiter die Handlung
fortschreitet, um so schneller geht alles. Erschreckend ist, daß
die Katastrophen so real erscheinen, man erinnert sich sofort an Beispiele
aus jüngster Zeit, wie etwa die Überschwemmungen in Italien,
diverse Wirbelstürme und Riesenwaldbrände im letzten Jahr. Und
an die immer lauter werdenden Stimmen der Wissenschaftler, die von einer
globalen Klimaveränderung sprechen, noch nicht von einer Klimakatastrophe.
Die von den Menschen mißbrauchte und geschändete Erde scheint
sich zu wehren, scheint in naturwissenschaftlich nicht erklärbarer
oder sogar völlig unmöglicher Weise (z.B. ein Geysir im Hochgebirge!)
zurückzuschlagen. Es hilft nichts, daß die Menschheit in den
letzten Jahren dieses Jahrhunderts, als die Handlung stattfindet, gewisse
ökologische Anstrengungen unternommen hat. Zu wenig, wird zu spät,
von zu wenig Menschen getan, wie ein Protagonist in etwa zitiert. Außerdem
geht die Umweltzerstörung an anderen Stellen weiter. Es ist entschieden,
daß die Menschheit gestraft, wenn nicht sogar ausgerottet wird.
Seltsam ist, daß man vor jeder Katastrophe kleine Lichterscheinungen
sieht, die später immer mehr werden. Fast verspottet Herbert hier
schon religiöse Gefühle, wenn er die verzückt das Licht
anstarrenden Leute, welche die Situation regelmäßig verkennen,
kurz darauf auf diverse Art umbringt.
Seltsam ist auch, daß es - anfangs nicht näher beschriebene
- Personen gibt, die zu wissen scheinen, was vor sich geht, und die besondere
Kräfte haben.
Hier geht das Buch von einem reinen Ökothriller in die echte SF
über, auch wenn man anfangs noch nicht sicher ist, ob nicht vielleicht
in die Fantasy.
Der Hauptheld ist einer, den man nach den einleitenden Katastrophen
eigentlich schon für tot hält - ein britischer Wetterforscher,
der mit einem Hurrikanflugzeug abstürzt. Er überlebt jedoch und
ist für einige Zeit der einzige Überlebende, der die erwähnten
Lichterscheinungen gesehen hat. James Rivers begegnet ein wenig später
der seltsamen Familie von Hugo Poggs, einem in Ungnade gefallenen Meteorologen,
der die These aufgestellt hatte, die Erde sei eine Art Organismus, der
für das Überleben der Menschen da sei. Natürlich hielt man
ihn für verrückt. Zu dieser Familie gehören aber auch Josh
und Eva, zwei telepathisch begabte, adoptierte Zigeunerkinder aus Rumänien.
(Ihre eigentümliche Herkunft spielt keine tiefere Rolle. Auch nicht
ihre Namen: Josh[ua] = Jesus, wie man leicht vermuten könnte.) Dem
Helden fällt es sehr schwer, zu akzeptieren, was Poggs und die Kinder
ihm mitzuteilen versuchen. Wer würde in der Realität auch sofort
an Telepathie und ähnliche Dinge glauben? (Ja, ich weiß, manche
glauben sogar das Horoskop der BILD, aber von denen spreche ich doch nicht.)
Doch schließlich muß er es als real anerkennen. Wie der widerstrebende
Rivers herausfindet, gibt es tausende andere derartige Kinder, und auch
er selbst hat eine bestimmte Bedeutung für das weitere Geschehen.
Um dem Horror noch eins draufzusetzen, gibt es auch "die dunkle Seite
der Macht", Menschen mit ähnlicher Begabung, aber sozusagen finsterer
Seele. Eine abstoßende Kultpriesterin in den Südstaaten der
USA, die in falschverstandener Interpretation ihrer Gaben eine rachedürstende
"Mutter Erde" anbetet, ist der Gegenpol zur Hoffnung, welche die Kinder
darstellen. Alles eskaliert, sowohl in der entfesselten Natur, als auch
unter den Hauptpersonen, bis zum Schluß.
Und es ist kein Schluß, bei dem das Ende noch einmal abgewendet
wird, die Welt gerettet, mit einigen kleinen Erhobener-Zeigefinger-Beulen.
Wie auch auf dem Cover steht: "Die Welt wird niemals mehr die gleiche sein.".
Zwar gibt es Hoffnung, die Menschheit wird nicht bis auf den letzten Mann
ausgelöscht, aber man wird mit dieser Chance zweifellos von Null anfangen
müssen.
Ich werde nicht verraten, was es nun mit der Apokalypse, den Kindern
usw. wirklich auf sich hat. Ein wenig Spannung soll doch bleiben.
Das Buch ist nicht nur sehr spannend und schnell, es ist auch eins,
wie sie viel häufiger geschrieben und gelesen werden sollten. Je mehr
Menschen auf die Bedrohung aufmerksam werden, um so besser. Es wird zwar
sicher keine so dramatische Umwälzung geben, wie sie der Autor beschreibt,
aber das Resultat wird ähnlich sein: Das Ende der Menschheit, wie
wir sie kennen.
Und in der Wirklichkeit wird es die in den herbertschen Kindern verkörperte
Hoffnung nicht geben.
[Portent, © James Herbert 1992, übersetzt von Alexandra v.
Reinhardt 1994, 413 Seiten, DM 15.00]
SX 58
Kommentare
Kommentar veröffentlichen