Jefferson P. Swycaffer: Warsprite

Jefferson P. Swycaffer: Warsprite
(TSR Books 1990, 313 Seiten, £ 2.50)
Rezension von Wilko Müller jr.


Wer zum Teufel ist Jefferson P. Swycaffer? wird sich vielleicht mancher fragen. Nun, das ist mal kein Neuling, den uns TSR Ltd. hier vorstellt. Immerhin handelt es sich bei "Warsprite" um seinen achten Roman, einen neunten vom gleichen Verlag habe ich auch schon gelesen: "Web of Futures" (1991). Die Autoreninformation zu seiner Person ist neben dem Bild eines dicklichen, bebrillten jungen Mannes eher dünn. Man bezeichnet ihn aus irgendeinem Grund als einen Kalifornier der fünften Generation, der in San Diego lebt, wo er im lokalen SF-Fandom aktiv ist. Letzteres läßt schon aufmerken. Ein Fan, der neun Romane veröffentlichte?!
Es bleibt nicht aus, daß die beiden erwähnten Bücher gegenübergestellt werden, wenn ich sie auch in der falschen Reihenfolge las. Bei "Warsprite" handelt es sich um einen recht konventionellen SF-Roman, "Weg of Futures" (svw. Gespinst der Zukünfte) dagegen ist schon etwas außergewöhnlicher. Der Verlag labelte es mit Science Fantasy, auf dem Cover steht obendrein "Ein Fantasy Palindrom". Das Buch ist anspruchsvoll und baut auf einer ziemlich ungewöhnlichen Idee auf. Allerdings ist dadurch für den eingewöhnten Konsumenten der SF die Handlung ein wenig schwer verständlich.
Bei "Warsprite" hatte ich das Gefühl, daß Mr. Swycaffer von "Terminator II" stark beeindruckt gewesen sein muß - war der damals eigentlich schon raus? Wie auch immer, es geht zunächst um zwei Roboter aus der Zukunft, einer gut, der andere böse, welche unsere amerikanische Gegenwart unsicher machen. Zum Glück hat sich damit die Ähnlichkeit erledigt.
Die Zukunft, aus der Robot Omikron (männlich und böse) und Robot Delta (weiblich! und gut) kommen, ist weit, weit weg - geradezu unwirklich. Sie spielt auch gar keine Rolle. Beide Robots knallen so einfach direkt von einer intergalaktischen Schlacht der besagten Zukunft ins amerikanische Leben hinein. Der Bösewicht ist nicht gerade mit besonderen Geistesgaben gesegnet, dafür mit einer schweren Bewaffnung und ungeheuren Überlebensfähigkeit. Dummerweise hat er einen Peilsender an Bord, der es der intelligenten, lernfähigen, aber unbewaffneten Delta ermöglicht, ihn aufzuspüren. Denn das ist ihr einziger Zweck - ihn unschädlich zu machen. Das klingt schon mal reichlich seltsam, aber die Wege der fernzukünftigen Menschheit sind wohl unerforschlich.
Delta, die in den winterlichen Bergen ankam, beginnt also, in Richtung Omikron zu marschieren, der erst mal kurz ein Dorf massakriert und sich schließlich auf dem Atomwaffentestgelände in Nevada verbirgt. Zwecks Energiegewinn setzt er sich dann auch schon mal kurz auf eine explodierende Atombombe.
Das Robotermädel stapft derweilen mit verknackstem Knöchel unverdrossen durch den Schnee. Es gelingt ihr, durch das Beobachten von Fernsehsendungen durchs Fenster eines Hauses die Sprache zu lernen. Leider bekommt sie von den Menschen dadurch auch den Eindruck, daß deren Leben aus serialisierten Problemen bestehe, die sich in maximal dreißig Minuten lösen lassen.
Um die Sache etwas spannender zu machen, taucht der bescheuerte Sheriff aus "Rambo I" auf, der anscheinend immer noch nichts gelernt hat. Nein, natürlich ist er es nicht wirklich, aber er verhält sich genauso engstirnig und bläst zur Hetzjagd auf die Roboterin. Sie findet allerdings in dem genialen Sam einen Freund, der sie verbirgt und bei ihrer Suche unterstützt. Auch ein Rentnerehepaar acht sich mit ihr zusammen auf die Jagd nach dem bösen Omikron.
Der hat unterdessen schon etliche Soldaten umgebracht und läßt sich von einem Überlebenden in menschlicher Lebensart unterweisen.
In den unterirdischen Explosionshöhlen der Atomwaffentests kommt es zum Showdown, den natürlich die Guten gewinnen. Sogar Delta überlebt, was man eigentlich nicht erwartet, da sie die typische Figur ohne Zukunft zu sein scheint.
So spannend das Buch geschrieben ist, wenn man über ein paar Dinge ein wenig nachdenkt, kommt einem einiges schon etwas bedenklich vor. Ist der junge Mr. Swycaffer wirklich so naiv, daß er z.B. glaubt, man könne in den verseuchten Testschächten herumturnen, ohne daß sich gewisse negative Wirkungen zeigen? Daß man in diese Stollen wahrscheinlich gar nicht hineinkäme, will ich nur am Rande erwähnen.
Der Autor spielt Wirkung und Gefährlichkeit von Kernwaffen in vielfältiger Weise herunter, so daß man es schon als unverantwortlich bezeichnen muß. Ob sich Menschen lange Zeit ohne Nebenwirkungen dort aufhalten oder ob Omikron von einer Atomexplosion in unmittelbarer Nähe nicht beschädigt wird, das ist einfach dick aufgetragen.
Dazu kommen noch ein paar weitere Ungereimtheiten. Der böse Robot braucht die Energie, möglichst von der Bombe, um "stark" zu sein, Delta hat nicht einmal einen Gedanken an irgendwelche Energieprobleme übrig. Der Böse ist bewaffnet wie ein Todesstern, aber Delta packt ihn einfach an den Handgelenken und läßt nicht mehr los, bis ihre menschlichen Verfolger ihn quasi mit dem Schraubenzieher zu Schrott zerlegt haben.
"Warsprite" dürfte ein Buch sein, das ziemlich schwer zu übersetzen wäre. Eine wesentliche Motivation Omikrons ist nämlich die Suche nach "Power", was man bekanntlich mit Energie oder auch Macht übersetzen kann. Er hat zu diesem Thema einige Diskussionen mit dem gefangenen Soldaten, der ihn darüber aufklärt, daß es verschiedene Arten von "Power" gibt. Die Wortspiele darum machen einen interessanten Teil des Buches aus. Was eigentlich "Warsprite" heißen soll, weiß ich nicht so recht. Ein "sprite" ist (ja, ein Getränk, aber das meine ich nicht) eine Art Kobold, vielleicht auch Dämon. Das würde sich dann wohl auf Omikron beziehen, dem Kriegsdämon. Wer weiß.
Nicht vergessen sollte ich, daß sich das Genie Sam in Delta verliebt! Und er bekommt sie am Schluß sogar, d.h. sie entschließt sich nach erledigter Mission, bei ihm zu bleiben. Nun ist Sam ein wenig seltsam, aber daß er so weit gehen würde... Andererseits hat ja Lady Linda dem Arnie Terminator II. am Filmende auch gewisse Gefühle entgegengebracht.
Das Buch ist nicht schlecht, das wollte ich hier nicht sagen. Es hat nur ein paar Schönheitsfehler. Es ist nicht allzu innovativ, man bemerkt doch hier und da die verwendeten Versatzstücke, die der Autor allerdings weiterentwickelte. Sein späteres "Web of Futures" war da schon weit ungewöhnlicher konzipiert.

SX 47


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