Jennifer Roberson: Wolfsmagie
Jennifer Roberson: Wolfsmagie
(Heyne 06/5671)
Wenn heute jemand einen neuen Fantasy-Roman schreibt, dann hat derjenige
Großes vor. Auch J. Roberson möchte viel Geld verdienen, und
so sind bei Heyne erst einmal noch weitere 8 (in Worten: acht) Romane des
sogenannten Cheysuli-Zyklus angekündigt. Wohin sind nur die Zeiten
entschwunden, wo man ein Buch las? Ob Piers Anthony oder Robert Jordan,
ob Drachenlanze oder Shadowrun, der Leser wird mit endlosen Serien bombardiert.
Und wenn das wie bei Jordan und offenbar auch Roberson dahin führt,
daß die Handlung immer weiter geht, kann man als armer, geplagter
Leser doch irgendwann die Lust verlieren. Einmal davon abgesehen, daß
jemand, der sich den Cheysuli-Zyklus zulegen will, wahrscheinlich mehr
als einhundert DM investieren muß. Ein Rat an die Marketingleute
bei Heyne: Schreibt doch nicht gleich ins erste Buch alle zu erwartenden
Titel rein. Das schreckt dann möglicherweise nicht so ab.
Hmm. Vielleicht haben sie ja gerade das schon getan?!
Aber kommen wir zum Buch. "Wolfsmagie" klingt nach Werwölfen,
hat aber damit nur verschwindend wenig zu tun. Tatsächlich heißt
das Buch im Original "Gestaltwandler". (Doch auch mit Odo hat es nichts
zu tun.)
Auf einer nicht näher bezeichneten Welt gibt es ein Land Homana.
Die obligatorische Karte zeigt uns freundlicherweise auch die umliegenden
Ländereien, aber sonst hat die Welt der Jennifer Roberson den Fehler
der meisten Fantasy-Welten: Sie ist auf ein Land beschränkt, die Welt
als solche interessiert nicht. Zugegeben, es ist schwer, eine ganze Welt
schlüssig in eine Romanhandlung einzubauen, die tatsächlich nur
in einem geographisch begrenzten Gebiet spielt. Nicht jeder ist eben ein
Tolkien. Aber es ist eben eine Vereinfachung, die es dem Autor nur einfacher
machen soll. Und ein mit einem solchen Anspruch geschriebenes Buch ist
nun mal nicht der "Herr der Ringe".
Doch schelten wir nicht nach dem ersten von neun Bänden. Es ist
noch viel Zeit, um die Welt vor uns auszubreiten.
Die Cheysuli sind eine Menschenrasse, die von den Göttern (Wieder
so ein Klischee, argh!) die gewissermaßen magische Fähigkeit
verliehen bekommen haben, sich in Tiere zu verwandeln und mit Tieren in
telepathischen Kontakt zu treten. Das führt zu einer engen Bindung
der Cheysuli-Krieger an ihr Lir (-Tier). Ursprünglich haben diese
Leute das besagte Land besiedelt - woher sie kamen, bleibt unerwähnt
- und die Städte gebaut, aber dann haben sie es aus einem nicht näher
beleuchteten Grund den Homana überlassen, normalen Menschen ohne besondere
Fähigkeiten.
Leider sind die Cheysuli in den letzten fünfundzwanzig Jahren
in erhebliche Ungnade gefallen, und der ein wenig wahnsinnige König
von Homana hat ihre Auslöschung angeordnet.
Alix, eine Homana - aber das glaubt sie auch nur - wird zuerst von
den Cheysuli entführt, dann stellt sich heraus, daß sie gar
eine von ihnen ist, denn Mischlinge zählen notgedrungen als vollwertig
(die Rasse ist von der Vernichtung bedroht), und schließlich entpuppt
sie sich sogar als mit besserem Blut versehen als die durchschnittlichen
Cheysuli. Sie kann sich nicht nur in ein Tier verwandeln, sondern in alle,
und auch mit allen sprechen, was Frauen sowieso nicht können.
Zuerst sehr widerstrebend akzeptiert sie, daß sie zu den Verfemten
gehört, doch dann findet sie einen Liebsten und alles ist bald in
schönster brauner Butter. Man hilft dem von Feinden des Reiches gefangenen
Homana-Prinzen, der Alix auch nicht gerade gleichgültig ist, doch
die Cheysuli können die Eroberung Homanas durch den äußeren
Feind nicht verhindern. Damit endet dann der erste Teil.
Die Hauptfigur Alix ist eine sehr eigensinnige, sture, starrköpfige,
ähem, junge Frau. Zum großen Teil drehen sich ihre Probleme
darum, ob sie nun mit ihrem Halbbruder, oder dessen Bruder oder doch lieber
mit dem Prinzen...? Und dann darum, wie sie den Stammeschef Duncan (muß
der Kerl den Namen tragen?) von seiner Zweitfrau trennen und an sich fesseln
kann. Und ob sie nun endlich empfangen hat... Und so weiter.
Na ja, eigentlich hat mir das Buch doch ganz gut gefallen, auch wenn
die Rezension vielleicht nicht so klingt. Jennifer Roberson malt das Bild
einer Frau, die ihre Fähigkeiten und ihr Schicksal erst finden muß,
wenn auch nicht mit allzu überzeugendem Geschick. Und ein wenig nervt
die Heldin auch. Die Handlung bewegt sich in traditionellen Rahmen, die
Fähigkeit zum Gestaltwandeln ist eine durchaus ersetzbare. Damit hat
Roberson tief in die Kiste der Fantasy-Klischees gelangt und begonnen,
einen Zyklus zusammen zu zimmern. Das Buch las sich gut, nachdem ich mich
an den Stil gewöhnt hatte. Man wird wohl nicht viel Überraschendes
erwarten können, doch wenigstens mag die Serie unterhaltend sein.
Ob bis zum Schluß oder nur bis zum dritten Buch, das wird sich zeigen.
Shapechangers * Chronicles of the Cheysuli: Book One, © Jennifer Roberson 1984, übersetzt von Karin König 1996, 350 Seiten, 12.90 DM |
SX 82
Kommentare
Kommentar veröffentlichen