John Cramer: Twistor
John
Cramer: Twistor
(William Morrow & Co.,Inc., New York)
"Twistor" ist eines der härtesten Science Fiction Bücher,
das ich je gelesen habe, und das nicht, weil etwa das Blut in Strömen
fließt! Ich meine "hart" im Sinne des SF-Begriffes der hard core.
Dieses Buch ist lupenreinste SF, wie sie sein soll: ein Buch um eine Erfindung,
eine brandneue wissenschaftliche Errungenschaft, darüber, wie diese
gemacht wurde, was für Folgen sie hat und wie die Negativen versuchen,
sie den sauberen, guten Wissenschaftlern abzujagen, um Profit rauszuschlagen.
Am ehesten ist der Roman wohl mit Werken J.P.Hogans zu vergleichen (z.B.
"Die Schöpfungsmaschine"). Außerdem ist das Buch ein Thriller,
denn es geht auch um Industriespionage der schlimmsten Sorte. Neben einer
Handlungsebene im Millieu der Computerkriminalität wird von einem
der Helden sogar noch ein Märchen in Fortsetzungen erzählt, das
stellenweise tatsächlich genau wie die eigentliche Handlung zu fesseln
vermag und subtile Verbindungen zu dieser erkennen läßt.
"Twistor" handelt von einem Physiker, der zusammen mit einer Studentin
fast zufällig auf eine Möglichkeit stößt, Kontakt
zu Paralleluniversen herzustellen. Während sich die beiden bemühen,
ihre Entdeckung zu erforschen, die Twistor-Apparatur zu vervollkommnen,
zieht sich schon das Netz um sie zusammen. Ihr Vorgesetzter an der Universität
unterhält nebenbei Geschäftsbeziehungen zu einem gewissen Konzern.
Dessen Chef oder zumindest ein leitender Angestellter kriegt mit, daa der
Wissenschaftler Harrison an etwas "heißem" dran ist und ordnet die
Überwachung an, um zur Stelle zu sein, wenn sich etwas Lohnendes entwickelt.
Zwar wird diese entdeckt, doch das hilft den Wissenschaftlern nicht
mehr. Als falsche Spediteure kommen, um die Ausrüstung abzutransportieren,
schickt Harrison fast das gesamte Labor in ein Paralleluniversum. Unglücklicherweise
schickt er sich und die beiden Kinder eines Freundes, die sich zufällig
im Labor befinden, gleich mit. Doch sie überleben in einem seltsamen
Wald riesiger Bäume und sechsfüßiger Tiere. Während
Harrisons Chef und dann auch seine Mitarbeiterin von den Industrietypen
gekidnappt werden, gelingt es dem Bruder der Studentin, einem Hacker, dem
Konzern auf die Schliche zu kommen.
Der Chef wird brainwashed, doch die Studentin kann entkommen. Inzwischen
hat Harrison eine transportable Twistor-Apparatur aus den Resten seines
Labors im Paralleluniversum gebaut. Er kann zwar sich und den Kindern noch
nicht die Rückkehr ermöglichen, aber ins irdische Geschehen eingreifen.
Erst bedient er sich in diversen Lagern elektronischer Bauteile, die er
rübertwisted,dann bringt er einen Kidnapper um und befreit seine Studentin
(und natürlich Geliebte). Nebenher erzählt er das oben erwähnte
interessante Märchen. In der Parallelwelt erleben die drei Menschen
auch einige Abenteuer, z.B. freunden sich die Kinder mit einer halbintelligenten
Lebensform an, die dann auch als erstes in unsere Welt getwisted wird,
um Fesseln durchzuschneiden, zu telefonieren usw.
Schließlich kehren auch Harrison und die Kinder mit Hilfe der
zusätzlichen Technik zurück. Bruder Hacker hat in der Zwischenzeit
das FBI auf den Konzern gehetzt. Harrison hat aber genau erkannt, was nun
kommen muß. Jetzt greifen mächtigere Hände nach seiner
Entdeckung, deren Anwendungsmöglichkeiten - Spionage, Waffen - er
gezwungenermaßen demonstrieren mußte. Doch er ist zu clever
für Staat und Regierung. Bevor die zuschnappen können, hat er
die Nachricht von seiner Entdeckung via Computermail in der ganzen Welt
verbreitet, in der Annahme, die Gefährlichkeit der Sache durch allgemeine
Zugänglichkeit zu vermindern. Interessant ist, wie Cramer diese Entscheidung
vorher andeutet. Eine Computerbotschaft der Hacker "Freier Zugriff für
alle!", Territoriumskämpfe der Lebewesen im Paralleluniversum und
ähnliches.
Das ist in etwa die Story des Romans. Was ihn so hervorhebt, ist seine
hohe Wissenschaftlichkeit. Kein Zweifel, Dr. John Cramer weiß, wovon
er schreibt. Wie sein Held arbeitet und lehrt er an der Universität
von Seattle. Er ist Physiker, daher prdestiniert, Entwicklungsmöglichkeiten
vorauszuahnen, aber vor allem, das Umfeld seiner Charaktere so natürlich
wie nur möglich zu gestalten. Anfangs verwirren die vielen Fachausdrücke
und Abkürzungen, aber wenn man sich daran gewöhnt hat, weia man,
worum es geht. Das Klima in einer Forschungsabteilung der Universität,
Lehrbetrieb und Geldsorgen werden sehr plastisch geschildert. Mit akribischer
Gründlichkeit verfolgt Cramer den Weg seiner Figuren, beschreibt genau,
was sie tun und wo sie gerade sind. Da ist nichts von der Ungenauigkeit
manch anderer Autoren, die das Äußere ihrer Protagonisten nicht
erwähnenswert finden und denen die Schwierigkeiten, die das Wohnen
in einem zehn Meter hoch gelegenem Baumhaus z.B. für die Hygiene mit
sich bringt, nicht einfallen würden.
Ein lesenswertes Buch für Leute, die an der hard core sf interessiert
sind. Nun ja, ein wenig von Physik müßte man eigentlich auch
schon mal gehört haben. Da bin ich vorbelastet... Soviel ich zur Zeit
weiß, ist das Buch in deutscher Sprache noch nicht erschienen. Ich
arbeite aber an einer Übersetzung. Ob diese dann an einen Verlag geht
oder nur in Fankreisen verbreitet wird, muß sich erweisen. Falls
jemand interessiert ist, die Herausgabe zu übernehmen, möge er
sich melden.
SX 14
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