John Saul: Comes the Blind Fury

John Saul: Comes the Blind Fury
(Coronet Books 1980)


Der Titel des Buches ist laut dessen Schluß einem Gedicht von Milton entlehnt und bedeutet soviel wie "es kommt die blinde Wut", wobei man "fury" natürlich auch mit Furie übersetzen kann.
John Saul schreibt Horrorbücher mit einer deutlichen Vorliebe für jugendliche Protagonisten. Sowohl in "Prophet des Unheils" als auch in "Bestien" und in diesem Buch handeln Kinder als Hauptpersonen. Und diese Kinder haben so ihre Probleme. Nun kann man sicher darüber spekulieren, ob Mr. Saul entsprechende böse Erfahrungen in seiner Kindheit gemacht hat, aber das dürfte zu nichts führen. Schauen wir uns also an, worum es diesmal seht.
Amanda war ein blindes Madchen von zwölf Jahren, das gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in einem kleinen Dorf an der Küste von New England lebte. Wegen ihrer Blindheit wurde sie von Gleichaltrigen gehänselt und gequält, bis sie dabei von der Steilküste stürzte.
Michelle ist ein Mädchen von zwölf Jahren in unserer Zeit, das mit ihren Eltern nach Paradise Point, jenem Dorf, kommt. Sie ist adoptiert worden, was ihr aber nichts ausmacht, bis die Mutter eine eigene Tochter bekommt. Ihr Vater, ein Arzt, steigert sich im Verlauf des Buches immer mehr in eine Art Neurose hinein, da er unlängst einen fatalen Kunstfehler machte, der im Zusammenhang mit einem Jungen aus dem Dorf stand. Seitdem hat er Angst davor, Kinder zu behandeln.
Unglücklicherweise macht sich Michelle gleich am ersten Schultag eine einflußreiche Mitschülerin zur Feindin. Aus diesem Grund gelingt es ihr nicht, sich in die Gruppe der Gleichaltrigen einzuordnen. Als sie anfängt, Gespenster zu sehen, wird sie gehänselt. In diesem Zusammenhang hat sie dann einen Unfall, der sie zum Krüppel macht. Die Kinder wenden sich nun nicht nur völlig von ihr ab, sie werden auch zunehmend aggressiver. Der Vater, der von seinen Schuldgefühlen geplagt wird, wird auch immer komischer...
Nun, das Strickmuster ist nicht so neuartig. Natürlich spielt die gute Amanda eine Rolle in diesem Geschehen. Die Gespenster, die Michelle sieht, sind real. Amanda ist zurückgekommen, um Rache zu nehmen. Dazu benutzt sie das zunehmend vereinsamte Mädchen, das glaubt, in ihr eine Freundin zu finden. Und die bösen Kinder, die Michelle quälen, sterben alle der Reihe nach bei Unfällen. Wodurch der Vater als Nebeneffekt immer verblödeter wird. Seine Ablehnung der Realität ist nicht gerade glaubwürdig, aber das ist eben das Unnormale daran. Er weigert sich, zu sehen, daß Michelle nicht gesund wird, sondern sich immer mehr verändert, und er weigert sich, seine eigenen psychischen Probleme zu sehen, was ja andererseits sein Problem ist.
Allein die Mutter und eine Lehrerin erkennen, daß da etwas nicht stimmt, aber da ist es schon zu spät, und sie haben auch keine Macht zum Eingreifen.
Am Ende ist Amandas Rache scheinbar vollzogen, und auch Michelle ist tot. Die altertümliche Puppe, die irgendwie mit allem zusammenhängt, wurde verbrannt. Die Bedeutung dieses Elementes ist nicht ganz klar, offenbar ist es die Puppe Amandas, und als Michelle sie findet und sie "Amanda" nennt, beginnt das Dilemma. Sie ist, so erfährt der Leser, schon früher plötzlich aufgetaucht und wurde auch schon mindestens einmal vernichtet. Eigentlich überflüssig, aber es steigert die Spannung.
Letztere weiß John Saul sehr sicher aufzubauen und zum Höhepunkt zu steigern. Angefangen bei einem alten Haus einsam hinter dem verlassenen Friedhof, über einen Blutfleck, der sich nicht beseitigen läßt, bis hin zu dem Gegenstand - der Puppe - von dem scheinbar eine Macht ausgeht, benutzt er traditionelle Versatzstücke des Horrors. Sein eigener Stil kommt in der Benutzung von kindlichen Protagonisten zum Ausdruck. Der halbwegs gebildete Leser wird sicher die psychologischen Hintergründe für Michelles Verhaltensänderung erkennen, wenn nicht, ist da auch noch der Kinderpsychologe, der dezent darauf hinweist. Aber diese Erklärung ist eben falsch. Saul läßt diesmal den Leser nicht im Unsicheren, ob alles nur ein Wahngebilde des Kindes ist. Amanda ist real und handelt tatsächlich.
Wer mit Kindern dieses Alters schon einmal zu tun hatte, weiß, daß Saul nicht im geringsten übertreibt, wenn er die Grausamkeit der Kinder darstellt. Das Andere, nicht mit ihrer Art konforme wird abgelehnt, gehaßt und bekämpft. Es sind jedoch die Erwachsenen, die versagen, denn sie sehen die Entwicklung voraus, tun aber nichts, um sie abzuwenden.
John Saul benutzte in "Fury" ein Thema, das er auch in "Prophet des Unheils" verwendet: das Böse, die Rache aus der Vergangenheit, die Übertragung einer alten Schuld in Form eines Fluches auf Nachkommen oder zufällig in die Sache verwickelte Menschen. Eigentlich stammt das Motiv, wie man unschwer erkennt, aus dem Reich der Märchen. Wie dort macht sich der Autor auch in diesem Buch nicht die Mühe, das Geschehen zu erklären. Das Unheimliche an sich bleibt dahingestellt.
Für den Leser ist das, was Amanda und Michelle tun, allerdings fast als Gerechtigkeit zu empfinden. Man hat immer mehr den Eindruck, als ob die Kinder ihr Schicksal selbst herausfordern und kann ihrer Bestrafung in den meisten Fällen nur zustimmen.
Es wäre kein traditionelles Horrorbuch, hätte es nicht noch einen kleinen Schlußgag. Jenny, die jüngere Schwester Michelles, macht sich an ihrem zwölften Geburtstag bei den Mitschülern unbeliebt. Und dann findet sie eine altertümliche Puppe in ihrem Zimmer, die sie sofort Michelle tauft... 

SX 32

 

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