Judith Moffett: Die Rückkehr der HOBBS

Hobbits gone wild!?
Judith Moffett: Die Rückkehr der HOBBS
(Bastei Lübbe 24158)


Da kommen sie nun endlich, die kleinen Messiasse (oder schreibt sich das Messy-Asse?), um die Welt zu retten vor den bösen Dummerchen, die da Menschen heißen. Wie kann man auch die Erde so zurichten? Du, du, du! Da verbieten wir euch doch gleich mal das Bum... äh, nein, nur das Kinderkriegen. Bis auf weiteres.
Die kleinen Männchen, die dem böse blickenden Spitzkopf auf dem Titelbild überhaupt nicht ähnlich sehen, im Gegensatz zu ihm sind sie nämlich über und über behaart (ieh!!), sind also die Hobbs. J. Moffett erwähnt Tolkien ausdrücklich: "So sehr Jenny auch immer Tolkiens meisterlichen Roman geliebt hatte, die Vorstellung, eine Nacht in einer Hobbithöhle verbracht zu haben, war vollkommen absurd." Es bleibt aber offen, welche Verbindungen wirklich zu dem Meister bestehen. Ich dachte übrigens immer, er habe sich dieses Wort - Hobbit - selbst ausgedacht. Moffett verwendet es jedenfalls so, als ob es in den Sagenschatz der Engländer gehört. Kann ja sein.
Die Handlung des Romans läßt sich schwer als durchgehende Folge von Ereignissen zusammenfassen. Kurz gesagt, im 17. Jahrhundert werden ein paar Hobbs in England und Schweden von ihrem Raumschiff ausgesetzt, weil sie "gemeutert" haben. Die Sache allein ist schon fragwürdig genug. Auf Grund dieser gnomenhaften Wesen entstanden zwar nicht die Geschichten von den Heinzelmännchen, aber das ist egal, die Hobbs machen sich jedenfalls schon vorhandene Sagen zunutze, um halb verdeckt mit den Menschen zusammenzuleben. Genauer gesagt, um ihnen zu dienen. Sie sind nämlich die pure Sklavenrasse, wie es scheint - in ihren Raumschiffen hocken die für den Leser völlig gesichtslos bleibenden Gafr, die Herrenrasse. Eine weitere Fragwürdigkeit, die allerdings einen Grund hat. Die Heinzel-Hobb-Männchen wursteln sich so ein paar Jahrhunderte durch, denn wie alle Aliens sind sie ungeheuer langlebig. Außerdem müssen sie Winterschlaf halten, was für jede potentiell Intelligenz entwickelnde Lebensform normalerweise tödlich sein sollte. Egal. Die eigentliche Handlung setzt sowieso erst Ende des 20. Jahrhunderts ein und zieht sich einige Jahrzehnte in das nächste hinein. Da kommt nämlich das Raumschiff zurück - man war wohl kurz aufgehalten worden - um die Ausgesetzten zu suchen. Jedoch man findet nichts, denn die übriggebliebenen paar Hobbs halten sich bedeckt, hat sie also auch das Ausgesetztsein auf der Erde nicht geläutert. So was! Das Raumschiff fliegt ab, aber nur um einige Jahre später wiederzukommen - das ist die Rückkehr, auf die sich der deutsche Titel bezieht (Original: The Ragged World).
Und was wollen die kleinen Finsterbolde denn nun? Erraten! Sie (eigentlich die Gafr, aber das weiß ja keiner) haben beschlossen, daß man diesen Schlampen da unten eben mal richtig Dampf machen sollte. Sie mischen sich jetzt plötzlich massiv in die Belange der Menschen ein, für die sie bei ihrem vorigen Besuch keinerlei Interesse zeigten. Die Hobbs stellen ein Ultimatum, wie es der LSD-Traum eines Ultra-Grünen nicht besser formulieren könnte. Entweder ihr hört SOFORT mit dem auf, was immer ihr da umweltzerstörendes treibt, oder wir pusten euch das Licht aus! Dieses Ultimatum kostet anscheinend Millionen Menschen das Leben, weil die Weltwirtschaft zusammenbricht. Doch was solls, frohlockt die Autorin. Wenn man nur skrupellos genug ist, rettet man vielleicht doch noch die Welt. Zwar auf Kosten der Menschen - Schulterzucken. Mit vielen Gedankenstrichen und "endlichs" listet die Autorin im einleitenden Kapitel die Direktiven der Hobbs auf. Da die Politik nicht in der Lage ist, die Schädigung der Umwelt auch nur zu stoppen, geschweige denn zu reparieren (richtig erkannt!), schlägt J. Moffett den deus ex machina vor, der gleich mit Brachialgewalt loslegt.
Nun kann man gegen ein ökologisches Anliegen eines SF-Buches schlecht etwas sagen, ohne böse Worte zu ernten. Aber es bleibt hier eben beim Anliegen, die aufgezeigte Lösung ist schlicht Blödsinn. Statt Hobbs könnte man sich ja eine grüne Diktatur noch vorstellen, die ähnliche Ergebnisse erzielen würde - bis man sie an die Wand stellt.
Die Hobbs setzen keine sichtbaren Machtmittel ein, wenigstens wird im Text auf keine Machtdemonstration eingegangen. Ihr Mittel ist die Suggestion. Wirklich, sie reden der Menschheit ein, man könne ab sofort keine Kinder mehr bekommen und das wars dann auch für den Bundesfamilienminister. Eine kurze Ansprache im Fernsehen und die Pillenindustrie ist pleite. Was für soziale Spätfolgen ein "Babyloch" aufreißt, interessiert weder Hobbs noch die Autorin. Und nicht einer, der aufbegehrt. Ja, es gibt ein paar murrende Stimmen, doch wohl nur am Biertisch. Keiner wagt auch nur den Versuch, mit den Invasoren zu diskutieren. Wie auch, wenn die Autorin auf der Seite der Hobbs ist, die mit den Menschen so umspringen wie die Gafr mit ihnen.
Wie gesagt, man kann die Handlung schlecht darstellen, weil sie einmal zeitlich wirr durcheinander geschildert wird, und zum anderen von einer Reihe verschiedener Handlungsträger - und von allen in der Ich-Form. Bis zum Schluß war ich mir nicht ganz sicher, wer eigentlich wer war und warum.
Literarisch sicher anerkennenswert, ist der Umstand, daß J. Moffett sich auf die Schilderung von Einzelschicksalen konzentriert. Das ist ja an sich ein gutes Mittel, um abstrakte Geschehnisse dem Leser nahezubringen. Aber diese "Schicksale" sind ungefähr so glaubwürdig und originell wie die aus "Dallas". Noch dazu völlig unmotiviert durch einen Rahmen miteinander verflochten, welcher auch noch ein Zeitreisethema in die Geschichte einbringt. Es ist ja recht hübsch von der Autorin, mal entgegen der "Lehrmeinung" in der SF zu behaupten, es gäbe nur "eine Zeit", wenn das nicht allen möglichen gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen so ab Einstein widersprechen würde. Der so entstehende zwangsläufige Zeitkreis hat kaum eine andere Auswirkung, als am Schluß die große "Familienzusammenführung" zu gewährleisten.
Die Hauptfiguren sind Frauen, was uns zu einer weiteren Schwäche des Romans bringt. Man kann die meisten Charaktere nicht anders als krankhaft bezeichnen. Ein Psychoanalytiker, oder auch ein ganz normaler Psychologe, würde wohl Frau (Fräulein?) Moffett einen ganz schönen Knacks bescheinigen, wenn er dieses Buch analysieren könnte. Symbole für verschiedene Traumata dürften vor allem die behaarten, durchweg männlichen Hobbs sein, weiter das Verhalten einer an AIDS erkrankten Frau und das Auftreten einiger anderer "Übel" in der Handlung. Auch das durchbrennende Atomkraftwerk fehlt nicht... Manches fand ich übrigens ziemlich pervers.
Viel über J. Moffetts sexuelle Wunschgebilde dürfte auch die Enthüllung der Natur der Gafr aussagen. Das sind offenbar die weiblichen Gegenstücke der Hobbs, auch wenn sie nicht wie sie aussehen, vermutlich nicht mal humanoid sind. Sie herrschen absolut über ihre männlichen Diener. Ungehorsam - keine Fortpflanzung! (Kennen wir die Methode nicht? Siehe oben.)
Keine Frage, daß die Übernahme der Erde durch die Hobbs Erfolg hat. Ob man das gleiche von dem Buch sagen wird, bezweifle ich. Es ist schade, daß ein wichtiges Thema unter einem Wust von ökologischen Unausgegorenheiten, sexuellen Phantasien und Klischees erstickt wurde.

SX 31


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