Katherine Kerr: Polar City Blues

Katherine Kerr: Polar City Blues
(Bastei Lübbe 24152)


Ein Science Fiction Thriller? Na ja, ich habe schon Thriller mit mehr "thrill" gelesen, aber eine Art SF-Krimi ist das Buch schon. Geht es doch um Mord. Außerdem treten auf: diverse Aliens, Drogen, Cyberpunk-Elemente, eine Seuche und Space-Opera-Klänge, will sagen, verschiedene Allianzen und Föderationen, die sich gegenseitig gar mächtig mögen - einmal abgesehen von einer kurzen Raumschiffverfolgungsjagd. Ach ja, die PSI-Elemente habe ich noch vergessen.
Daraus nun hat Katherine Kerr ein ganz passables Stück Unterhaltungsliteratur gemixt, das sich um eine nicht gerade neue Geschichte rankt.
Ein Polizist in der Stadt Polar City auf der Welt Hagar entdeckt in einem holografischen Springbrunnen die Leiche eines Aliens, dem man die Kehle durchgeschnitten hat. Der Springbrunnen ist holografisch, weil es sich um eine Wüstenwelt handelt - weshalb die Stadt Polar City heißt, habe ich nicht ganz kapiert, vielleicht liegt sie in guter alter Wüstenplanet-Tradition in der Polregion von Hagar. Aber zurück zur Handlung.
Das Alien ist ein Botschaftsangehöriger, was dumm genug ist für die Bevölkerung der Stadt, des Planeten und der ganzen Republik. Auf Hagar gibt es zwei Botschaften, deren Aliens sich also dermaßen unglaublich freundlich gesonnen sind, daß vom ersten Augenblick klar ist, es handelt sich um einen politischen Mord durch die andere Seite. Doch der Killer läßt es nicht dabei bewenden, sondern killt munter weiter: jeden, der auch nur im entferntesten mit der ersten Tat in Berührung kam.
Leider nimmt die Autorin der Sache ein wenig die Spannung, indem sie in einem "Zwischenspiel" den Täter selbst einführt. Das mag berechtigt sein, um dessen Psyche auszuloten, aber man hätte es sich auch sparen können, denn es bringt nichts Neues. Als Kind von bösen Aliens eingefangen, wurde der arme Bursche zum Assassinen gemacht. Was ihn außer seiner Konditionierung zum Töten zwingt, ist unklar. Nicht einmal drogenabhängig ist er, obwohl jeder zweite im Buch irgendwie mit altmodischen Drogen wie Haschisch zu tun bekommt. Sollte K. Kerr den Umstand übersehen haben, daß schon die ursprünglichen Assassinen des Alten vom Berge derart gefügig gemacht wurden?
Da die Polizei nicht weiter kommt, greift eine ausgemusterte Raumfahrerin namens Lacey in den Fall ein, die so etwas wie eine Detektei unterhält - Anklänge zu Cyberpunk oder Shadowrun in ihrer Arbeit sind nicht zu übersehen. Unterstützt wird sie vor allem von einem parapsychisch begabten - eher gebrandmarkten - Mann namens Mulligan, der lieber Baseballspieler wäre.
Es stellt sich mit der Zeit heraus, daß sich eine neuartige Alienform auf dem Planeten aufhält, was der Grund für die Verbrechen zu sein scheint. Die Motivfrage bleibt aber einigermaßen vage. Nach einer Reihe von Bluttaten und knappen Situationen, der erwähnten Verfolgungsjagd im All und seltsamen emotionalen Verwicklungen gelingt es, das Ganze zu einem Happy End zu bringen, welches allerdings ein wenig glatt daherkommt.
Manches mutet dabei eigenartig an, einiges anachronistisch. Da spielen die Leute auf einer fernen Welt in einer sehr fernen Zukunft am liebsten Baseball, was auch noch im Holofernsehen übertragen wird und auch sonst ganz so abläuft wie in der Gegenwart. Man muß schon sehr amerikanisch denken, um auf so etwas zu kommen. Lacey erwähnt gar einmal Mr. Spock in Vergleich mit ihrem Computer... Andererseits weiß niemand mit den überall auf dem Planten zu findenden Aufschriften "NASA" etwas anzufangen. In Umkehrung der Verhältnisse sind auf Hagar die Weißen eine fast schon diskriminierte Minderheit, die Kultur ist (angedeutet) lateinamerikanisch - was jedoch nicht über ein paar entsprechende Sprachbrocken hinausgeht. Das dauernde Betonen dieses Umstandes nervt allerdings bald.
Der Computer, der natürlich intelligent ist und Lacey liebt, ist auch recht schwach gezeichnet. Da habe ich schon wesentlich besseres gelesen, von Napoleon Timothy Truckles angefangen bis zu Enders galaxisumfassender Computerintelligenz.
Und einiges scheint gar der Kürzung (oder Übersetzung?) zum Opfer gefallen zu sein, denn gewisse Andeutungen werden nie weiter verfolgt, obwohl sie eigentlich wichtige Schlüssel sein müßten.
Der Stil der - wenn man dem Verlag glauben will - neuen Autorin ist ein wenig chaotisch. Immer wieder springt die Handlung zu einem neuen Träger, manchmal nur, damit dieser im nächsten Kapitel abgemurkst werden kann. Was mich aber am meisten störte, war die Schreibweise im Präsenz, die für einen Leser, der es gewohnt ist, hauptsächlich in der Vergangenheitsform erzählte Geschichten zu lesen, sehr gewöhnungsbedürftig ist.
Die vielen kritischen Anmerkungen sollen nicht zu dem Schluß führen, daß das Buch unleserlicher Müll sei. Es ist mindestens guter Durchschnitt, versucht einige Traditionen des Genres zu verknüpfen und läßt sich auch - hat man sich einmal gewöhnt - ganz gut lesen. 

[Polar City Blues, © Katherine Kerr 1990, übersetzt von Jürgen Martin 1992, 351 Seiten, DM 9.80] 

SX 52

 

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