Larry Niven, Jerry Pournelle & Michael Flynn: Fallen Angels

FIAWOL!
Larry Niven, Jerry Pournelle & Michael Flynn: Fallen Angels
(Baen 1991, 394 Seiten, $ 5.99)

Selten hat mich in der letzten Zeit ein Buch so begeistert wie dieses! "Fallen Angels" ist ein Roman, der wohl auch inhaltlich nicht seinesgleichen hat. Ich habe jedenfalls noch nie von etwas vergleichbarem gehört. Das Autorentrio hat einen Science Fiction Roman über das Science Fiction Fandom geschrieben! Bisher habe ich allerhöchstens hier und da ein paar beiläufige Bemerkungen gefunden, meist ironisch gemeint. Doch hier sind die Fans die Haupthelden eines spannenden, ja atemberaubenden SF-Thrillers.
Im nächsten Jahrtausend ist die Welt vor der Klimakatastrophe gerettet. Die Grünen haben die Macht übernommen und ihre Vorstellungen verwirklicht.
Klingt gut, nicht wahr?
Die Macht der Grünen ist jedoch ein "Ökofaschismus" der schlimmsten Sorte. Grüne Politiker sind genauso korrupt und noch viel inkompetenter als andere. Die Menschen werden verdummt und Technologie verteufelt. Es kommt vor, daß Wissenschaftler aufgehängt werden, weil sie eben Wissenschaftler sind. Abweichler werden umerzogen oder ihnen wird vom Staat psychisch "geholfen". Logischerweise ist auch SF eine unerwünschte Literaturform, und bekannte Fans werden polizeilich erfaßt.
All das bleibt nicht ohne Folgen. Die Wirtschaft bricht zusammen, teilweise macht sich Anarchie breit. Und was am schlimmsten ist: Es stellt sich heraus, daß nur der von der Luftverschmutzung bewirkte Treibhauseffekt den Ausbruch der nächsten Kalt- bzw. Eiszeit aufgehalten hat. Nun rückt das Eis vor, es wird immer kälter. Aber die grünen Regierungen denken nicht daran, irgendwie ihre Fehler einzugestehen oder umzuschwenken.
In ein paar Raumstationen leben noch immer Kosmonauten und Astronauten, die sich von der technik- und wissenschaftsfeindlichen Erde losgesagt haben. Um wenigstens den Stickstoff in ihrer Luft nachzufüllen, wird ein kleines Raumschiff in die Atmosphäre geschickt, das Luft tanken soll. Unglücklicherweise schießt man es ab und die beiden Astronauten Alex und Gordon müssen auf dem nordamerikanischen Gletscher notlanden. Da die Grünen irrsinnigerweise behaupten, der "Luftdiebstahl" der Raumfahrer sei an der Eiszeit schuld, steht ihnen Schlimmes bevor.
Aber schon naht Hilfe. Aus dem nahen Minneapolis, wo gerade der Worldcon stattfindet - mit etwa 50 Leuten - kommt eine kleine Gruppe von Fans, um die beiden vom Eis zu holen. Die SF-Fans sind nämlich die einzigen, die noch Funkkontakt zu den Raumstationen halten. Die Bergung gelingt, aber dann geht es erst richtig los. Da man im Orbit kein Schiff hat, das landen und wieder starten kann, müssen die Fans Alex und Gordon weiterhin verstecken. Zuerst nimmt man sie erst mal mit auf den Con.
Danach beginnt echte Fanac, denn Alex und Gordon müssen quer durchs Land geschleust werden, weil man in Chicago eine alte Titan-Rakete vermutet. Leider erweist sich die als Schrott. Aber neue Hoffnung kommt auf: Irgendwo in der Mojave-Wüste soll jemand noch den Prototyp eines neuen Raumschiffes namens Phönix verstecken, das sogar schon einmal geflogen ist. Wider geht die Reise los, und diesmal erfaßt eine regelrechte Welle konspirativer Tätigkeit das Fandom - alle möglichen Leute besorgen Dinge, die man für den Start oder auf der Raumstation brauchen wird.
Aber die Regierung ist auch nicht untätig. Verschiedene Stellen sind hinter den Abgestürzten her und erkennen bald, daß die SF-Fans in die Sache verwickelt sind. Die Rettung gestaltet sich zu einem Wettlauf mit der Zeit. Doch fast in jeder schwierigen Lage finden sich unerwartet Fans, die gafia oder undercover leben. Die Autoren haben sich hier einige wunderbare Sachen ausgedacht, an denen sich Fans erkennen würden, wenn sie zu so einem Leben gezwungen wären.
Es wird nur von amerikanischen Zuständen und Fans berichtet, alles andere hätte vielleicht auch etwas zu weit geführt. Nur am Rande erwähnt man einen Krieg in Norwegen, das "globale Dorf" der Menschheit ist offensichtlich durch die neuen Zustände erfolgreich demontiert und in alle Winde zerstreut worden. Andererseits waren mir die Fans, ihr Habitus und ihre eigene Sprache sofort vertraut. Fandom ist hier genauso wie in den USA. Für nicht so eng im Fandom verwurzelte Leser haben die Autoren die fannischen Ausdrücke und die meisten Bezüge auf Bücher aber auch erklärt. Man merkt, daß sie mit dem Fandom perfekt vertraut sind, daß sie ganz genau wissen, wovon sie schreiben. Allerdings dürfte es einem Übersetzer, der selbst nicht im Fandom steckt, trotzdem sehr schwer fallen, dieses Buch angemessen zu behandeln. Apropos Übersetzung, ich fürchte, daß man sich mit dem Roman wegen seines feindseligen Tons gegenüber grüner Politik - oder was in ihm als solche dargestellt ist - in diesem Lande recht schwer tun würde. Statt dem Recht auf freie Meinungsäußerung haben wir ja die Bundesprüfstelle und ähnliche selbsterhaltende bürokratische Gremien. Die Gefahr, daß die sich wiedererkennen könnten, wäre wohl zu groß.
In einem Nachwort bemerken die Autoren u.a. folgendes: "Leser, welche die Handlung des Buches überraschend finden, müssen bedenken, daß wir die Reaktionen des organisierten Science Fiction Fandoms, hätte es wirklich ein abgestürztes Raumschiff in einer Gesellschaft gegeben, die Wissenschaft und Technologie haßt, eher herabgespielt haben." Neben dem Hinweis, daß die geschilderte Technik - also das Raumschiff Phönix - kaum mehr SF-Charakter hat, erwähnen die drei noch, daß auch die antiwissenschaftlichen Tendenzen nicht nur ausgedacht sind. Man findet sie selbst heute, selbst in Universitäten.
Natürlich ist der Roman dem SF Fandom gewidmet. Und am Ende war ich stolz darauf, zu den Leuten zu gehören, denen solche Taten zugetraut werden.
Wenn auch nur von SF-Autoren...
 
SX 80


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

David Gerrold: Inmitten der Unendlichkeit

Jack McDevitt: Die Küsten der Vergangenheit

Piers Anthonys Xanth