Larry Niven & Steven Barnes: Das Voodoo Spiel

Kein Park zum Träumen
Larry Niven & Steven Barnes: Das Voodoo Spiel
Ein Traumpark-Roman
(Bastei Lübbe 24165)


Mit Steven Barnes scheint Niven wieder einen Co-Autoren gefunden zu haben, mit dem zusammen er erfolgreiche Bücher produziert. Niven ist offenbar ein Schreiber im Team, hat er doch schon mit den unterschiedlichsten Partnern SF von verschiedener Art und Qualität abgeliefert. Allerdings auch ohne Partner. Der Verlag zählt ihn zu den "wichtigsten Autoren der modernen Science Fiction" und nennt Barnes "seinen Freund". Zweifellos ist daran einiges richtig. Die "Ringwelt"-Romane zumindest sind schon Klassiker, wenn auch einige Stimmen ihnen gewisse Qualitäten absprechen mögen. Auch "Die fliegenden Zauberer" gehören zu den Büchern, die man scheinbar gelesen haben muß, obwohl sie einiges von ihrem Neuigkeitswert von damals eingebüßt haben.
Nun hat Niven zusammen mit Barnes also die Traumpark-Welt erschaffen. Schon erschienen sind z.B. "Traumpark" und "Das Mars-Projekt". Um letzteres geht es auch in dem mir geborgterweise vorliegenden Roman, der bisher der einzige aus dem Traumpark ist, den ich kenne. Ich glaube aber, daß die Bücher keine Fortsetzungen darstellen, sondern nur die Welt teilen, in der sie spielen. (Womit ich natürlich falsch liegen kann, das Buch läßt jedoch keine Schlüsse zu.)
Bevor ich ein wenig über den Inhalt schreibe, wieder einmal eine Bemerkung zur Rückseite des Buches. Auch bei BL schreibt man offenbar mit Vorliebe haarscharf am Inhalt vorbei, wenn man sich ein paar einführende Zeilen abzuringen hat. Was mir übrigens auch bei englischen und amerikanischen Verlagen aufgefallen ist. Also ein weltweites Übel? Gründen wir die Gesellschaft zur Bekämpfung schlechter Buchrückseitentexte! Aber ich schweife ab.
In einer gewissen Weise könnte man die Traumpark-Szenerie n den Bereich des Cyberspace oder gar -punk einordnen. Virtuelle Realität spielt eine bedeutende Rolle, allerdings mit einem Unterschied: Die Handlung findet dabei nicht "im Computer" statt, sondern tatsächlich. Sie wird nur durch die Computeranimation holografisch unterstützt. Also Cyberspace, der erwachsen geworden ist, wie ich gerade zu Thomas Hofmann sagte. Ich meine das so: Die Autoren schreiben nicht Bücher ausschließlich über Effekte, die ihre Ursache im oder in der Benutzung des Cyberspace haben, sondern über die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie außer im Computer selbst.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß Innovationen in der Technologie immer stärker vor allem in zwei Bereichen zum Tragen kommen - im traditionellen Bereich der Rüstung, und im Bereich des Konsums, genauer gesagt der Unterhaltungsindustrie. Das ist völlig realistisch und schon heute zu beobachten. Es ist trotz aller Bemühungen keine Totalabrüstung in Sicht, vielleicht, wenn sich die Lage in der Welt und in Europa weiter so entwickelt, sogar im Gegenteil. Das Militär und die Rüstung wird es immer oder zumindest noch sehr lange geben. Und die Unterhaltung wird in der Zukunft einen noch größeren Stellenwert haben, als sie heute schon hat. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil viele Menschen dann nichts mehr anderes zu tun haben werden. In "Capital 2193" äußerte Johannes Gross den Gedanken, "daß es in den entwickelten Industriegesellschaften künftig keine Vollbeschäftigung mehr geben wird, und daß man Vollbeschäftigung als Ziel staatlicher Politik nicht mehr ernst nehmen darf." Er meinte, daß es in der Zukunft ständig eine sehr große Zahl Arbeitslose geben wird, und daß sich künftige Gesellschaften auf dieses Phänomen einrichten müßten. Gleichzeitig forderte er auch, daß dann ein "menschenwürdiges Leben nicht mehr im Zusammenhang mit festen Arbeitsverhältnissen" aufgefaßt werden dürfe.
Interessante futurologische Gedanken, die mir im Zusammenhang mit diesem Roman, oder eher der Rezi dazu, wieder einfielen. Niven und Barnes beschreiben im Traumpark also vor allem die zweite Applikation der Cyberspace-Technologie. Es ist jedoch nicht so, wie man vielleicht von den Begriffen "Traumpark" und "Cyberspace" ableiten könnte. Die Abenteuer finden nicht im Geiste, nicht in der Matrix des Computers statt.
Im Traumpark, einer Art Super-Hyper-Hollywood-Studio, spielen professionelle (Schau-) Spieler Fantasy-Rollenspiele! Sie spielen sie direkt, nicht etwa auf dem Spielbrett, und was sie da tun, erinnert verdammt an Gladiatorenkämpfe, auch wenn es selten Tote gibt. Eine weltweite Rollenspielerorganisation beherrscht und kontrolliert das Ganze, man sammelt Punkte wie eh und je und hat einen Spielercharakter darzustellen. Der Unterhaltungseffekt für die Masse liegt darin, daß diese Wettkämpfe gefilmt werden. Was das heißt, ist wohl klar: Lifeübertragung a la "Running Man", Videos für die ganze Welt und alles, was man sich sonst noch ausmalen kann. Gewinne, nein: GEWINNE!!!! Und nur so ist der Spaß wohl auch zu finanzieren. Der technische Aufwand ist gigantisch.
Die Autoren verstehen es gut, sowohl die Traumpark-Technik, also sozusagen die Special Effects, als auch die Spielhandlung darzustellen. Erstere ist beeindruckend, aber glaubhaft, letztere ist spannend. Aber sie haben natürlich nicht nur das Spiel nacherzählt, sondern da ist noch viel mehr. Kurz vor dem Beginn geschieht ein mysteriöser Mord, finstere und brutale Typen schleichen herum, man weiß nicht so recht, was vorgeht. Bis zum Schluß resultiert die Hauptspannung aus diesem Rätsel. Der Leser kennt den Mörder, er weiß, daß dieser etwas im Schilde führen muß, aber nicht, was. Die Spielhandlung ist zwar brutal und actionbetont, aber letztlich doch ein - ziemlich gefährliches - Spiel. Jedoch, auch ein guter Film reißt mit, obwohl man weiß, daß es "nur Schauspieler" sind. So auch hier. Geheimnis plus viel Action, total überraschende Wendungen und Gegner, die geradewegs aus dem Monsterkompendium geschüttet werden. Das ist wirklich ein zum Leben erwachtes Roltenspiel.
Ich versage mir eine Nacherzählung des Inhaltes, denn Traumpark ist lesenswert, meine ich. Rollenspielern, die schon immer mit dem Gedanken gespielt haben, das alles tatsächlich mal zu machen, dürfte dieses Buch gefallen. Aber nicht nur ihnen, denn ich bin zum Beispiel keiner. Niven und Barnes haben da eine interessante Mischung zustande gebracht.

SX 38


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