Larry Niven & Steven Barnes: Traumpark / Das Mars Projekt

Larry Niven & Steven Barnes: Traumpark / Das Mars Projekt
(Bastei Lübbe 22072 & 24146)


1. "Traumpark"

Nachdem ich bereits "Das Voodoo-Spiel" aus dem Traumpark-Zyklus gelesen hatte (Rezension in SX 38), besorgte ich mir nun den ersten Teil der lose zusammenhängenden Serie. Da meine erste Rezi dazu schon einige Hefte zurückliegt, werde ich noch einmal kurz darauf eingehen, was es mit dem Traumpark auf sich hat.
Nach "Jurassic Park" hat sich ohnehin die Leserhaltung zu solchen fiktiven Einrichtungen geändert. Nivens und Barnes' Vergnügungspark ist jedoch älter als Chrichtons, zumindest der mit den Sauriern. Irgendwie ist natürlich Crichtons "Futureworld" und "Westworld" auch in die Gedankenwelt des Autorengespanns eingegangen, das dürfte nicht zu vermeiden gewesen sein. Andererseits ist kaum Ähnlichkeit mit den robotisierten "Erholungs-" Parks dieser Machart zu erkennen, genausogut könnte man Disneyland als Urvater jener Ideenkategorie der SF heranziehen. Genug davon.
Die Grundidee des Traumparkes ist es, daß es mit einem ungeheuren technischen (und finanziellen) Aufwand möglich geworden ist, Rollenspiele tatsächlich zu spielen wie eine Filmhandlung - allerdings kaum durch professionelle Schauspieler, sondern durch eine neue Art von Künstlern (?), den Rollenspielern oder kurz Spielern eben. Im Zeitalter des Cyberspace erscheint der Gedanke gar nicht so neu, allerdings verzichten die Autoren darauf, ihre Spieler in eine virtuelle Scheinwelt zu schicken, in der man bequem vom Sessel aus die Handlung steuern könnte. Ihre Protagonisten werden in eine reelle Scheinwelt geschickt, wenn es das gibt. Zwar ist der größte Teil der phantastischen Umgebung, in der sie ihre Abenteuer bestehen müssen, aus vom Computer erzeugten Hologrammen zusammengesetzt, aber sie müssen sich tatsächlich bewegen, kämpfen und Gefahren bestehen.
Die Hauptperson mit dem am stärksten herausgearbeiteten Charakter ist Alex Griffin, der Sicherheitschef des Traumparkes. Allerdings übernehmen auch andere Gestalten über weite Strecken die Handlung. Leider muß man aber auch sagen, daß die Figurengestaltung eine Schwäche der Traumpark-Bücher ist. Es gibt kaum herausragende Charaktere, man hat oft Schwierigkeiten, die Figuren einzuordnen - was noch durch die chaotische Namensgebung im Text erschwert wird. Die Autoren verwenden abwechselnd Vor- und Nachnamen sowie den Spielernamen, mal getrennt, mal zusammen, wie es gerade kommt. Bei der relativen Vielzahl an handelnden Personen verwirrt das. Da sich die Gestalten kaum durch andere Merkmale auszeichnen, fehlt dann irgendwo der Zusammenhang.
Aber das ist für mich auch der einzige Mangel. Die Idee und die Handlung ist faszinierend. Man merkt den Büchern an, daß die Autoren Ahnung vom Rollenspiel (unserer Tage) haben und genau wissen, wie es "in" einem Rollenspieler aussieht. Die Spieler werden ohne Ausnahme vom Spiel im Kulturkreis des sogenannten Cargo-Kultes auf Neu Guinea gepackt und mitgerissen - auch Griffin, der im Roman in die Handlung einsteigen muß. Sie fiebern ihrem Ziel entgegen, haben regelrecht Angst vor dem Tod im Spiel, auch wenn es dabei nur um Punktverluste geht... Am Ende geht jeder verändert aus dieser Erfahrung hervor.
Der Job des Haupthelden legt noch eine andere Handlungsebene nahe: die Kriminalität. In "Traumpark" wird aus der Forschungsabteilung ein psychogener Wirkstoff gestohlen und dabei ein Wachmann getötet. Es stellt sich heraus, daß der Täter nur einer der Spieler des gerade laufenden Spiels sein kann. Deshalb wird Griffin ins Spiel eingeschleust, da man es aus Kostengründen nicht einfach abbrechen will. Den Autoren ist es gelungen, beide Ebenen sehr gut zu verknüpfen; sowohl die Spielhandlung als auch die Ermittlung des Täters sind sehr spannend zu lesen.

2. "Das Mars Projekt"

Wieder geht es um ein Spiel und um ein Verbrechen, bzw. eine Verschwörung gleichzeitig. Das Unternehmen, das den Traumpark betreibt, versucht die Menschheit mit seiner Technologie für ein zukunftsweisendes Projekt zu interessieren - die Terraformung des Mars. Aus diesem Grund halten sich weit über tausend Vertreter von Industrie und Politik im Traumpark auf, wo sie ein paar Tage lang in das Projekt eingeführt werden. Auf der Erde ist jedoch nicht etwa weltweiter Friede eingekehrt, so daß die Sicherheitsabteilung damit beschäftigt ist, zu verhindern, daß sich gewisse extreme Vertreter gegenseitig umbringen. Als es zu einem Konflikt kommt - eine kurze Episode neben der eigentlichen Handlung - schickt man die beiden Kontrahenten kurzerhand "in den Boxring". Sie müssen in einer Traumpark-Realität mit einer Art Battlemechs gegeneinander kämpfen. In Folge sind sie von ihren Aggressionen erst einmal geheilt, da der Kampf, welcher tausende unschuldige Opfer forderte, für sie realer war als die Realität, da die auf sie einströmenden Sinnesreize ähnlich wie beim BTL-Chip des Cyberspace viel intensiver sind.
Aber eigentlich geht es um etwas anderes. Bei einem Jahre zurückliegenden Versuch des arabischen (!) Oberbösen, den Traumpark zu übernehmen, wurde in einem Spiel ein Mann erschossen, da echte Waffen ins Spiel gebracht worden waren. In dem jetzt stattfindenden gleichen Spiel taucht plötzlich die Todesschützin Eviane auf, die seitdem im Kopf etwas angeknackst ist. Für sie ist das Spiel zur Realität geworden!
Ein weiterer "Unfall" würde also Traumpark und Mars Projekt diskreditieren. Im Effekt wäre gar der Weltfrieden in Gefahr. Das wird zwar nicht so plump gesagt, man kann es aber leicht ableiten. Interessant, daß es auch im Spiel diesmal um die Rettung der Welt geht.
Wieder wird ein Sicherheitsmann ins Spiel geschleust, diesmal nicht Griffin, der draußen weiter ermittelt, und diesmal auch nicht zur Suche nach einem Verbrecher, sondern um eine der Spielerinnen (die Tochter eines wichtigen Gastes) zu schützen. Das Spiel dient eigentlich als eine Art Abmagerungskur, man nennt es Fat-Ripper-Special. Trotzdem ist die sehr mythologische Spielhandlung im Kulturkreis der Eskimos wieder für sich interessant genug. Dazu kommt noch als Spannungselement die Frage, was eigentlich der Gegner diesmal gegen das Projekt plant, und was mit der gestörten Eviane werden wird.
Die Lösung ist jedesmal überraschend und würde einem Detektivroman alle Ehre machen. Dabei spielt die hochtechnologische "Magie" des Traumparkes eine nicht unbeträchtliche Rolle.
Die Idee des Traumparkes ist natürlich die Fluchtwelt an sich. Die Autoren zeigen am Beispiel der Spieler, wie der Mensch der Zivilisation heute und morgen aus seiner Realität auszubrechen sucht, und sei es nur für ein paar Tage Spiel. Die Parallele zu den heutigen Rollenspielern und natürlich auch zu den SF & F Lesern liegt sehr nahe. (Zur Frage der Freizeitgestaltung und des Konsums der Zukunft siehe SX 38.) Der Traumpark ist die konsequente Weiterführung dieses Gedankens. Und was Griffin am Schluß dieses Buches über sich und die anderen Leute des Parkes hinter den Kulissen sagt, mag genausogut für die Autoren von SF & F gelten: "Wir sind die Zauberer. Wir erwecken den Traum zum Leben. Und wir sind die einzigen, die das können."

[Dreampark, 1981 von Larry Niven und Steven Barnes, übersetzt von Bodo Baumann 1984, 445 Seiten, DM 8,80]
[The Barsoom Project, 1989 von Larry Niven und Steven Barnes, übersetzt von Uwe Anton 1991, 327 Seiten, DM 9,80]

weitere Traumpark-Bücher:
Das Voodoo-Spiel (BL 24165)
Die Landung der Anansi (BL 24079)
 
SX 46


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