Lois McMaster Bujold: Barrayar

Lois McMaster Bujold: Barrayar
(Heyne 06/5061)
Rezension von Wilko Müller jr.


Man darf sich schon (wie der Rezensent in "Blizz") wundern, wenn der dritte Roman eines Zyklus' vor dem zweiten herausgebracht wird. "Barrayar" ist der direkte Vorläufer von "Der Kadett"; vor diesem Buch steht in der Reihenfolge der Handlung noch "Scherben der Ehre" (06/4968), danach folgen "Der Prinz und der Söldner" (06/5109) und "Waffenbrüder". Welches der angekündigten Bücher das neueste "The Vor - Game" ist, wird man beim Erscheinen feststellen.
Interessanterweise ist der vorliegende Roman tatsächlich nach dem Folgeband geschrieben worden (1991). Der Heyne-Verlag hätte zwar die Reihenfolge der beiden 1993 erschienenen Bücher vertauschen können, aber das ist letztlich theoretisch und recht unwichtig.
"Barrayar" handelt von den Eltern des Kadetten Miles, genauer gesagt, von seiner Mutter Cordelia. Deren Mann, ein adliger "Vor" des militaristischen Planeten Barrayar, wird zum Regenten für den erst vierjährigen Kaiser Gregor ernannt - und damit geraten er, sie und ihr noch ungeborener Sohn Miles in die Schußlinie der verschiedensten nach der Macht greifenden Gruppierungen. Bei einem Giftgasanschlag auf sie wird der Embryo geschädigt, was zu Miles' späterer Behinderung führt. Dann bricht auch noch ein richtiger Putsch und Bürgerkrieg aus, während dem der kleine Kaiser beschützt, der in einem Brutkasten abgelegte Miles gerettet und auch noch der Sieg über den Usurpator errungen werden muß. Wem das alles sehr bekannt vorkommt, sei gesagt, daß es sich wirklich nicht um eine besonders originelle Handlung dreht.
Der Umstand, daß ein Planet der fernen Zukunft mit einem Kaiserreich regiert wird, erscheint schon phantastisch genug. McMaster Bujold versteht es jedoch, diesen Zustand mit einer gewissen Periode der Isolation des Planeten zu begründen. Barrayar und seine Gesellschaft leiden am üblichen Mangel erdachter Welten: ein Blick auf die heutige Erde müßte es doch eigentlich jedem Autoren zweifelhaft erscheinen lassen, daß es eine Welt geben kann, die eine einheitliche Regierung hat, noch dazu einen derartigen Autokraten. Aber das ist eine Vereinfachung, welche die meisten machen, wenn es nicht gerade darum geht, Konflikte zwischen Staaten zu beschreiben.
Cordelia ist ursprünglich wohl eine betanische Raumschiffkapitänin gewesen und hat gegen die Barrayaner gekämpft. Sicher kann man im ersten Band nachlesen, wie es dazu kam, daß sie den Herrn Vorkosigan ehelichte. Sie ist zwar nach Barrayar gezogen, aber mit den Sitten und Gebräuchen, vor allem mit der übertriebenen militärischen Tradition der Bewohner kann sie sich nicht so recht anfreunden. Damit wird sie als Hauptperson glücklicherweise für den Leser zum Filter. Gäbe es sie nicht, wäre das Buch nur eine Beschreibung des Bürgerkrieges und diverser Kämpfe. Durch Cordelia wird eine Brechung erreicht, die allerdings nur unvollkommen gelingt. Einerseits regt sie sich zwar immer mal wieder über die Barrayaner und deren Taten auf, andererseits war sie vorher selbst Soldat und greift obendrein entscheidend in die Kampfhandlungen ein. Dieser Teil widerspricht ihrer sonstigen Haltung, und es reicht zu ihrer Rechtfertigung nicht, wenn gesagt wird, daß sie es nur tut, um den Krieg zu beenden und ihren Sohn zu retten. Dazu macht sie es etwas zu brutal.
Ihr Mann trägt ein wenig zu deutlich die Züge von Leto Atraides, aber das ist wohl kaum zu vermeiden, wenn man ein Buch in dieser Richtung schreibt. Zum Glück setzt sich diese Ähnlichkeit nicht bis in die Handlungsmuster fort.
War "Der Kadett" streckenweise noch ironisch zu sehen, fehlt dieses Element dem neuen Buch ganz. Es ist ein bitterernstes Kriegsbuch, das nicht einmal genügend Ansatzpunkte bietet, um es ein Antikriegsbuch nennen zu können. Der Militarismus wird zwar nicht gerade verherrlicht wie in anderen peinlichen Werken (ich denke da an Joel Rosenbergs "Not For Glory" oder an John Dalmas' "Regiment"-Serie), aber es kommt schon nahe heran.
Vielleicht werden die zeitlich später liegenden Bücher wieder etwas besser, von "Scherben der Ehre" ist fast zu erwarten, daß es in der Art dem vorliegenden Roman gleicht. Der Zyklus dürfte für Leute mit Interesse fürs Militär von Wert sein; wer also so etwas lesen kann, ohne zuviel darüber nachzudenken, dem kann man "Barrayar" ruhig empfehlen. Denn das Buch ist in sich durchaus spannend erzählt, der Stil ist flüssig und nicht mit unnötigen Komplikationen belastet. Und schließlich hat das Buch ja auch den HUGO gewonnen...

[Barrayar, 1991 von Lois McMaster Bujold, übersetzt von Michael Morgental 1993, 441 Seiten, DM 16,90]

SX 47


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